Krankheit, Klimawandel, Krieg: Wege zum nachhaltigen Frieden

Redebeitrag für den Ostermarsch Hamburg von Jürgen Schefran (Vorstand NatWiss) am 5. April 2021.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

unsere Welt ist krank. Krank nicht nur durch die Corona-Pandemie, auch durch Armut und Hunger, Klimawandel und Umweltzerstörung, Reichtum und Gier, Flucht und Vertreibung, Nationalismus und Faschismus, Gewalt und Krieg.

Krankheitssymptome der ungehemmten Globalisierung sind schon lange absehbar und werden durch die Pandemie wie in einem Brennglas sichtbar. Sie treffen die Länder am stärksten, in denen das Gemeinwesen und das Gesundheitssystem durch Kosteneinsparung, Niedriglöhne und Privatisierung ausgehöhlt wurden.

Die Bundesregierung hat die Kontrolle über die Pandemie verloren. Mehr als 77.000 Menschen sind hierzulande bereits gestorben, trotz Ausnahmezustand über ein Jahr. Viele Länder stehen besser da. Warum wird aus ihren Erfahrungen nicht gelernt?

Für das Versagen in der Pandemie hat unsere Kanzlerin nicht um Verzeihung gebeten, aber für den Vorschlag, den Gründonnerstag zu einem Ruhetag zu erklären. Einflussreiche Teile der Wirtschaft waren dagegen, die Börse erzielte Höchstwerte. Sind die Interessen der Aktionäre wichtiger als Menschenleben?

In der größten Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg sieht der frühere Innenminister Thomas de ­Maizière weitere Krisen kommen und forderte jüngst neue Regeln für den Ausnah­me­zu­stan­d in Deutsch­land. Stellt sich die Politik auf eine Zukunft im Notstand ein?

Die Klimakrise steht noch am Anfang, ist aber schon spürbar. Hitzewellen, Stürme, Überschwemmungen sind einige der sichtbaren Wettextreme, die die menschliche Sicherheit bedrohen. Weiterhin gefährdet die globale Erwärmung die Versorgung von Milliarden Menschen mit Wasser, Nahrung, Energie und Gesundheit, gerade dort, wo heute die Globalisierung schon Hunger, Armut und Arbeitslosigkeit hinterlässt.

Was machen wir, wenn Millionen Klimavertriebene sich retten müssen, wenn neue Gewaltkonflikte aufbrechen, wenn der steigende Meeresspiegel Küsten überflutet oder gar das Klima weltweit kippt? Eine Mauer um Europa kann da nicht helfen.

Wie Corona zeigt: Wenn es zu spät ist, verwaltet der Klimanotstand die Katastrophe, schränkt unsere Freiheit, unsere Rechte und unser Zusammenleben ein. Schon jetzt wird im Militär der Ruf laut, sich auf kommende Klimakatastrophen und –kriege vorzubereiten. Neue Krisen befeuern die Aufrüstung, die Öl ins Feuer gießt.

Schon jetzt wird das Wettrüsten beschleunigt, angetrieben durch das NATO-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung auszugeben. Die deutschen Militärausgaben erzielten Rekord-Zuwächse und übertrafen im letzten Jahr 50 Mrd. Euro. Bei steigender Tendenz dürfte in einigen Jahren allein Deutschland mehr für Rüstung ausgeben als Russland jetzt, alle NATO-Staaten zusammen vielleicht 15 mal soviel. Die Welt erreicht 2 Billionen Dollar für Militärausgaben im Jahr. Wofür?

Auch die Rüstungsexporte sind gestiegen, und unser Land erreicht hier eine führende Rolle unter den ersten fünf. Das Denken des Kalten Krieges wird mit Feindbildern gegen Russland und China wiederbelebt. Zentrale Abkommen zur Abrüstung und Rüstungskontrolle wurden gekündigt. Neue Atomwaffen sollen produziert und auch in Deutschland stationiert werden. Angesichts von immer noch mehr als 13.000 Atomwaffen würde die Menschheit einen Atomkrieg und den folgenden nuklearen Winter nicht überleben.

Aufrüstung, Militarisierung und Krieg bedrohen Klima und Natur. Sie verbrauchen natürliche Ressourcen, belasten Ökosysteme und Artenvielfalt, verschmutzen die Umwelt und setzen Emissionen frei, die das Klima anheizen. Rüstung verschlingt enorme Mittel, die für Gesundheit, Natur- und Klimaschutz fehlen. Bomben sind keine Medizin für den kranken Planeten, sie machen ihn noch kranker!

Der Papst brachte es in seiner Osteransprache auf den Punkt: „Die Pandemie ist immer noch in vollem Gange; die soziale und wirtschaftliche Krise ist sehr schwer, besonders für die Ärmsten. Trotzdem – und das ist skandalös – nehmen die bewaffneten Konflikte kein Ende und werden die militärischen Arsenale verstärkt“.

Wir müssen das nicht hinnehmen, denn es gibt Auswege, die den Teufelskreis aus Krankheit und Unterentwicklung, Umweltzerstörung und Gewalt durchbrechen. Wichtiger als Notstandsgesetze ist die Vermeidung des Notstands. Präventive Lösungen für einen nachhaltigen Frieden sind bekannt:

Wir brauchen keine bewaffneten Drohnen, keine Atomwaffen, keine Weltraumrüstung und keine Rüstungsexporte in Krisen- und Kriegsgebiete oder an autokratische Regime. Abrüsten statt Aufrüsten ist die Osterbotschaft!

Deutschland und Europa müssen auf eine „nukleare Teilhabe“ verzichten und dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten, mit dem Ziel einer atomwaffenfreien Welt!

Gemeinsame Probleme lassen sich nur durch gemeinsame Sicherheit lösen, auch mit Russland und China. Dafür brauchen wir Entspannung statt Konfrontation!

Anstelle des Rüstungsziels der NATO müssen die Pariser Klimaziele und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen konsequent umgesetzt werden!

Um eine risiko- und kohlenstoffarme Gesellschaft zu erreichen, müssen die fossilen und nuklearen Ressourcen im Boden bleiben, erneuerbare Energiequellen forciert und die Kraft der Sonne genutzt werden!

Statt Klimawandel brauchen wir einen Systemwandel, der ungerechte Strukturen beseitigt. Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Frieden gehören zusammen!

Um diese Ziele zu erreichen, müssen die Beharrungskräfte überwunden werden, die einer friedlichen und nachhaltigen Transformation im Wege stehen. Hier helfen auch wissenschaftlich-technische Konzepte, vor allem aber die vielen Bewegungen der Zivilgesellschaft in Nord und Süd, von Fridays for Future bis zur Friedensbewegung, von Black Lives Matter bis zu den Protesten gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur.

Wenn wir zusammenarbeiten, können wir es schaffen!

Vielen Dank.