Krankheit, Klimawandel, Krieg: Wege zum nachhaltigen Frieden

Redebeitrag für den Ostermarsch Hamburg von Jürgen Schefran (Vorstand NatWiss) am 5. April 2021.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

unsere Welt ist krank. Krank nicht nur durch die Corona-Pandemie, auch durch Armut und Hunger, Klimawandel und Umweltzerstörung, Reichtum und Gier, Flucht und Vertreibung, Nationalismus und Faschismus, Gewalt und Krieg.

Krankheitssymptome der ungehemmten Globalisierung sind schon lange absehbar und werden durch die Pandemie wie in einem Brennglas sichtbar. Sie treffen die Länder am stärksten, in denen das Gemeinwesen und das Gesundheitssystem durch Kosteneinsparung, Niedriglöhne und Privatisierung ausgehöhlt wurden.

Die Bundesregierung hat die Kontrolle über die Pandemie verloren. Mehr als 77.000 Menschen sind hierzulande bereits gestorben, trotz Ausnahmezustand über ein Jahr. Viele Länder stehen besser da. Warum wird aus ihren Erfahrungen nicht gelernt?

Für das Versagen in der Pandemie hat unsere Kanzlerin nicht um Verzeihung gebeten, aber für den Vorschlag, den Gründonnerstag zu einem Ruhetag zu erklären. Einflussreiche Teile der Wirtschaft waren dagegen, die Börse erzielte Höchstwerte. Sind die Interessen der Aktionäre wichtiger als Menschenleben?

In der größten Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg sieht der frühere Innenminister Thomas de ­Maizière weitere Krisen kommen und forderte jüngst neue Regeln für den Ausnah­me­zu­stan­d in Deutsch­land. Stellt sich die Politik auf eine Zukunft im Notstand ein?

Die Klimakrise steht noch am Anfang, ist aber schon spürbar. Hitzewellen, Stürme, Überschwemmungen sind einige der sichtbaren Wettextreme, die die menschliche Sicherheit bedrohen. Weiterhin gefährdet die globale Erwärmung die Versorgung von Milliarden Menschen mit Wasser, Nahrung, Energie und Gesundheit, gerade dort, wo heute die Globalisierung schon Hunger, Armut und Arbeitslosigkeit hinterlässt.

Was machen wir, wenn Millionen Klimavertriebene sich retten müssen, wenn neue Gewaltkonflikte aufbrechen, wenn der steigende Meeresspiegel Küsten überflutet oder gar das Klima weltweit kippt? Eine Mauer um Europa kann da nicht helfen.

Wie Corona zeigt: Wenn es zu spät ist, verwaltet der Klimanotstand die Katastrophe, schränkt unsere Freiheit, unsere Rechte und unser Zusammenleben ein. Schon jetzt wird im Militär der Ruf laut, sich auf kommende Klimakatastrophen und –kriege vorzubereiten. Neue Krisen befeuern die Aufrüstung, die Öl ins Feuer gießt.

Schon jetzt wird das Wettrüsten beschleunigt, angetrieben durch das NATO-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung auszugeben. Die deutschen Militärausgaben erzielten Rekord-Zuwächse und übertrafen im letzten Jahr 50 Mrd. Euro. Bei steigender Tendenz dürfte in einigen Jahren allein Deutschland mehr für Rüstung ausgeben als Russland jetzt, alle NATO-Staaten zusammen vielleicht 15 mal soviel. Die Welt erreicht 2 Billionen Dollar für Militärausgaben im Jahr. Wofür?

Auch die Rüstungsexporte sind gestiegen, und unser Land erreicht hier eine führende Rolle unter den ersten fünf. Das Denken des Kalten Krieges wird mit Feindbildern gegen Russland und China wiederbelebt. Zentrale Abkommen zur Abrüstung und Rüstungskontrolle wurden gekündigt. Neue Atomwaffen sollen produziert und auch in Deutschland stationiert werden. Angesichts von immer noch mehr als 13.000 Atomwaffen würde die Menschheit einen Atomkrieg und den folgenden nuklearen Winter nicht überleben.

Aufrüstung, Militarisierung und Krieg bedrohen Klima und Natur. Sie verbrauchen natürliche Ressourcen, belasten Ökosysteme und Artenvielfalt, verschmutzen die Umwelt und setzen Emissionen frei, die das Klima anheizen. Rüstung verschlingt enorme Mittel, die für Gesundheit, Natur- und Klimaschutz fehlen. Bomben sind keine Medizin für den kranken Planeten, sie machen ihn noch kranker!

Der Papst brachte es in seiner Osteransprache auf den Punkt: „Die Pandemie ist immer noch in vollem Gange; die soziale und wirtschaftliche Krise ist sehr schwer, besonders für die Ärmsten. Trotzdem – und das ist skandalös – nehmen die bewaffneten Konflikte kein Ende und werden die militärischen Arsenale verstärkt“.

Wir müssen das nicht hinnehmen, denn es gibt Auswege, die den Teufelskreis aus Krankheit und Unterentwicklung, Umweltzerstörung und Gewalt durchbrechen. Wichtiger als Notstandsgesetze ist die Vermeidung des Notstands. Präventive Lösungen für einen nachhaltigen Frieden sind bekannt:

Wir brauchen keine bewaffneten Drohnen, keine Atomwaffen, keine Weltraumrüstung und keine Rüstungsexporte in Krisen- und Kriegsgebiete oder an autokratische Regime. Abrüsten statt Aufrüsten ist die Osterbotschaft!

Deutschland und Europa müssen auf eine „nukleare Teilhabe“ verzichten und dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten, mit dem Ziel einer atomwaffenfreien Welt!

Gemeinsame Probleme lassen sich nur durch gemeinsame Sicherheit lösen, auch mit Russland und China. Dafür brauchen wir Entspannung statt Konfrontation!

Anstelle des Rüstungsziels der NATO müssen die Pariser Klimaziele und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen konsequent umgesetzt werden!

Um eine risiko- und kohlenstoffarme Gesellschaft zu erreichen, müssen die fossilen und nuklearen Ressourcen im Boden bleiben, erneuerbare Energiequellen forciert und die Kraft der Sonne genutzt werden!

Statt Klimawandel brauchen wir einen Systemwandel, der ungerechte Strukturen beseitigt. Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Frieden gehören zusammen!

Um diese Ziele zu erreichen, müssen die Beharrungskräfte überwunden werden, die einer friedlichen und nachhaltigen Transformation im Wege stehen. Hier helfen auch wissenschaftlich-technische Konzepte, vor allem aber die vielen Bewegungen der Zivilgesellschaft in Nord und Süd, von Fridays for Future bis zur Friedensbewegung, von Black Lives Matter bis zu den Protesten gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur.

Wenn wir zusammenarbeiten, können wir es schaffen!

Vielen Dank.

Lockdown für das Militär!

Redebeitrag von Reiner Braun (stellv. Vorsitzender NatWiss) auf dem Ostermarsch.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

dass wir heute hier stehen und für Frieden und Abrüstung demonstrieren, haben wir uns erkämpft, gegen eine Bundesregierung, die demokratische Grundrechte zunehmend als Privileg und nicht als historisch erkämpftes Recht der Menschen ansieht.

Ein Proteststurm hat diese Pläne vereitelt! Wir haben die Demokratie verteidigt und werden es immer wieder tun, denn wir brauchen Demokratie wie die Luft zum Atmen in unserem Kampf für den Frieden. Grundrechte sind kein Larifari für gute Zeiten (Heribert Prantl). Freiheit ist kein Privileg, es ist ein Recht und ich füge hinzu: ein schwer erkämpftes Recht, wenn wir in die deutsche Geschichte schauen.

Wenn so viel über Lockdowns geredet wird, lasst uns mit einem anfangen: Lockdown für das Militär und Rüstung und das heißt, stoppt das unsägliche Manöver Defender 2021. Lockdown für die Aufrüstung, für die Hetze gegen Russland und China. Das wäre gut für die Gesundheit der Welt, für das Klima und für alle Menschen.

Ich füge hinzu: Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Viren! So gefährlich diese auch sind.

Frieden

Ja, dieser Frieden ist in großer Gefahr!

  • Wenn der US-Präsident den russischen Präsidenten als Mörder bezeichnet und, nebenbei bemerkt, allen völkerrechtswidrigen Kriegseinsätzen der USA in den letzten 49 Jahren zugestimmt hat.
  • Wenn der Premierminister von Großbritannien die Zahl der britischen Atomwaffen von 180 auf 240 erhöhen will.
  • Wenn die Verteidigungsministerin unseres Landes bei der Maritimen Führungstagung im März ausführt: „Im Schnitt bekommt die Bundeswehr jede Woche einen neuen Panzer, jeden Monat ein neues Flugzeug und jedes Jahr ein neues Schiff.“
  • Wenn Abwehrraketen und neue Atomwaffen um China aufstellt werden und dabei erklärt wird, dies dient dazu, die Zweitschlagskapazitäten Chinas auszuschalten.
  • Defender-Manöver gen Osten und zwar den Nahen und den ganz Fernen Osten
  • NATO-Planung 2030 und die Aggressionsstrategien
  • Nicht zuletzt bewaffneten Drohnen: Angriffswaffen

Es stinkt gewaltig nach Krieg, nach großem Krieg! Es drohen Kriege, die wir uns nicht vorstellen können und wollen!

Dieses ist die reale Gefahr, in der diese Ostermärsche stattfinden.

Und so bleibt wahr und richtig, wie es in dem bekanntesten Ostermarschlied heißt:

„Marschieren wir gegen den Osten? Nein! Marschieren wir gegen den Westen? Nein! Wir marschieren für die Welt, die von Waffen nichts mehr hält, denn das ist für uns am besten.“

Wir wissen:

Wieder stehen die Kräfte des Friedens erneut gegen die Meinungsmache, die für die Militarisierung mit der Behauptung wirbt, Hoch- und Atomrüstung, militärische Interventionen und Abschreckung bringen ‘Sicherheit’ und die Nato mit ihren Kriegen, ihrer Rüstung und ihren Drohkulissen sei eine Friedensmacht.

Die Kräfte des Friedens und der Zukunft haben es mit einem starken Gegner zu tun, der in die Richtung eines großen Krieges drängt:

  • So empfahl die Stiftung Wissenschaft und Politik, die die Bundesregierung berät, im Mai 2020, die Nato-Staaten sollen einen ‘begrenzten Atomkrieg’ führen können (SWP-Studie 11, S.8).
  • Und ehemalige Sicherheitsbeamte der US National Defense Strategy Commission warnten Ende 2018, die USA könnte den nächsten Krieg verlieren (CBS,14.11.18). Sie erklärten: „Amerikas Fähigkeit, … seine vitalen Interessen zu verteidigen, wird zunehmend in Frage gestellt, … Es könnte Schwierigkeiten haben, einen Krieg gegen China oder Russland zu gewinnen …Die Rückkehr der Großmächtekonkurrenz durch autoritäre Mächte wie Russland und China kehrt zurück.“
  • Den Plan, jährlich im Bundeshaushalt über 80 Milliarden € fürs Militär aufzuwenden, verbinden die Militärs auch mit der Vorbereitung eines solchen Krieges mit Atommächten. (2022 46.9, 2021 NATO-Kriterien 53 Milliarden)
  • Die Digitalisierung der Kriegstechnik, die Entwicklung neuartiger auch nuklearer Systeme sowie der Ausbau der Armeen und ihrer Infrastruktur folgt dem Konzept der vernetzten Kriegsführung.

Auf 100 Sekunden vor Mitternacht steht die doomsdale clock.

Kern und Kristallisationspunkt ist die NATO. Diese Kriegsvorbereitung hat einen Namen: NATO. Und schon der Name ist längst eine Lüge – viel mehr: Das weltweite Militärbündnis.

NATO

Die Nato, die mit 1100 Milliarden US-Dollar über die Hälfte der Weltrüstungsausgaben aufwendet, erbringt der Rüstungsindustrie Milliarden-Profite und sie trägt mit ihrem CO2-Ausstoß, dem Ressourcenverbrauch und der Naturzerstörung so stark zu den Gefahren für die Menschheit bei wie keine andere Institution auf der Erde. Sie ist mit den Lebensinteressen der Menschen in unserem Land und weltweit unvereinbar. Das Leben ist nur mit einer konsequenten Politik sozialer Gerechtigkeit, der Kooperation statt kapitalistischer Konkurrenz um Profit und Vormacht zu retten. Frieden ist Grundlage zukunftsfähiger Politik.

Die Welt ist zu klein, zu verletzlich, die Natur zu gefährdet für Kriege und Militär. Klimagerechtigkeit erfordert nein zu Krieg und ja zur Abrüstung.

Die USA setzen die Nato für ihre imperiale Politik der weltweiten Intervention zur Absicherung ihrer Vormachtstellung und ihres Zugriffs auf Ressourcen in der globalen Konkurrenz um strategische Vorteile und für ihre Frontstellung gegen China und Russland ein. Die Politik Deutschlands stützt diese Politik mit transatlantischem Vasallentum und sogar mit dem Versuch der Eindämmung Chinas mit der Marine (Kramp-Karrenbauer: „…wir halten dagegen…“).

Friedenspolitik ist demgegenüber auf sozial-ökologische Gerechtigkeit nach innen und außen gerichtet. Nato und EU verstecken imperiale Interessen nicht nur an Ressourcen und Einfluss, sondern auch an Handelswegen und verklären ihre Machtpolitik als Verteidigung demokratischer Werte.

NATO – das weltweite aggressive Kriegsbündnis.

Wir wissen: NATO untergräbt dabei die UNO und andere Staatenbündnisse für die friedliche Lösung von Konflikten.

  • Die Nato mutet den Mitgliedsstaaten verheerende Militär-Aufwendungen zu: 1,1 Milliarden Dollar 2020. Die sozialen und ökologischen Auswirkungen der Aktionen des Militärs und der Rüstung zerstören Lebensgrundlagen von Milliarden Menschen.
  • Die Nato manipuliert das Denken durch eine Propaganda mit zweierlei Maß und der Verharmlosung des Militärischen mit Begriffen wie ‘Verteidigung’, ‘Sicherheit’. Ihre Werbung bei Minderjährigen verstößt gegen die Kinderrechtskonvention. Die NATO lügt den Krieg herbei.
  • Die NATO verfälscht Zahlen und produziert das Feindbild, besonders Russland und China. Doch das Kräfteverhältnis der Zahlen offenbart: Die Nato-Ausgaben für den Militärbereich machen gegenwärtig weit mehr als das 15-fache dessen aus, was Russland ins Militär investiert.
  • Die NATO führt mit aktiver Unterstützung Deutschlands überall auf der Welt Krieg – Interventionskriege mit verheerenden Folgen in Afghanistan, im Irak, im Mittelmeer, in Nord- und Mittelafrika. Deutschland ist beteiligt. Das Nato-Konzept unter dem Titel „Nato 2030“ sieht vor, dass die Grenzen zwischen Krieg und Frieden immer weiter verwischen und die Konfrontation mit Russland und China auf die Spitze getrieben wird. Wir fordern das Ende aller Auslandseinsätze. Bringt unsere Truppen nach Hause sofort. Kriege der NATO sind auch eine wesentliche Ursache der Flucht von Millionen. Hilfe ja, Frontex nein. Wer über Menschenrechte redet, muss über Geflüchtete reden und Frontex-Einsätze an den Grenzen müssen sofort beendet werden.
  • Die EU-Militarisierung, an der sich auch die USA aktiv beteiligen wollen, ist unter anderem auf die Bereitstellung einer Infrastruktur gerichtet, die die Militärs für einen Krieg gegen Russland einfordern. Nein zu dem Wahnsinn eines neuen Flugzeuges mit Drohnenschwärmen, das 500 Milliarden Euro kosten soll, nein zu einem neuen Panzer und der Eurodrohne. Wir brauchen keine Kriegsdrohnen, sie sind Angriffswaffen – wir brauchen Abrüstung und zivile Konfliktlösungen. Demokratie in Europa ja – Militarismus nein.
  • Die mit aktuell über 7 Milliarden Euro von mehreren EU-Staaten, darunter federführend Deutschland, vorgesehene Anschaffung von Kampfdrohnen lehnen wir ab, wie die Bewaffnung der in Israel stationierten Heron TP – sie sind Sprunginnovationen auf dem Weg zur Autonomisierung des digitalen Krieges und sie verletzen das Völkerrecht durch Kriegseinsätze ohne Kriegserklärung – mit einkalkulierten Kollateralfolgen für Nicht-Kämpfende. Drohnen sind Angriffswaffen!
  • NATO und Bundesregierung sprechen so viel von regelbasierter Außenpolitik: sie, die die Regeln machen und bestimmen. Herr Maas: Es geht um die Anerkennung des Völkerrechts! Und um ein Ende der Völkerrechtsbrüche: Kosovo, Afghanistan, Irak, Libyen und so weiter.

Aufrüstung

Wenn über Krieg und hemmungslose Aufrüstung geredet wird, müssen wir über unser Land reden. Ein Zitat unserer Verteidigungsministerin macht die Hemmungslosigkeit deutlich:

„Im Schnitt bekomme die Bundeswehr jede Woche einen neuen Panzer, jeden Monat ein neues Flugzeug und jedes Jahr ein neues Schiff“ (Zahlen 46.9 und 53 Milliarden).

Vergessen wir aber nicht: Die Nato arbeitet an einer immer perfekteren Vernetzung des Heeres, der Luftwaffe, der Marine, der Internet-Cyber-Fähigkeiten, der High-Tech-Waffen, der Weltraumbewaffnung – und Weltraumkontrolle zum Angriff gegnerischer Anlagen und zur Abwehr von Internet-Schadprogrammen – teuer und gefährlich. Wir sagen nein zu den für diese Angriffsstrategien notwendigen Militärbasen. Ramstein gehört geschlossen.

Atomwaffen

Es bleibt dabei, ein Leben mit 14.000 Atomwaffen ist das Spiel mit dem atomaren Untergang – Hiroshima mahnt, aber die Politik und die Mächtigen wollen es nicht verstehen.

Ein großer, ja historischer Erfolg wurde errungen: Der Vertrag zum Verbot aller Atomwaffen ist in Kraft:

  • Über 50 Staaten
  • Massiver Widerstand aller Atommächte

Ein erster Schritt hin zur Vernunft muss die Unterschrift Deutschlands unter den UNO-Atomwaffenverbotsvertrag sein. Dies sollte die erste Regierungshandlung der neuen Bundesregierung nach dem 26. September sein.

Aber wir wissen auch: Dieser Vertrag ist völkerrechtlich verbindlich für die, die ihn ratifiziert haben. Noch ist keine Atomwaffe verschrottet und damit weniger auf dem Planeten.

Nein, es geht gerade in die andere Richtung: mehr und neue Atomwaffen überall:

  • Verharmlosend „Modernisierung“ genannt, diese „Modernisierung“ kostet allein in den USA eine Billion Dollar.
  • Wes’ Geistes Kind die Politik ist, zeigt erneut GB-Premier Johnson: Erhöhung der britischen Atomwaffen von 180 auf 240. Was für eine Provokation. Solidarität mit der britischen Friedensbewegung.

Wir bekräftigen auch diese Ostern: Die für spätestens ab 2024 geplante Stationierung neuartiger nuklearer Arsenale (B 61-12) in Büchel, die mit immensen Herstellungskosten die Nato-Haushalte belasten, dürfen nicht nach Deutschland und auch nicht in irgendein anderes Land kommen. Die in Büchel lagernden thermo-nuklearen Bomben (B 61) sind zu demontieren; die ‘Nukleare Teilhabe’ Deutschlands ist entsprechend zu beenden, und Atomkriegsmanöver sind zu verbieten. Folgerichtig darf es nicht zum von Nato und Luftwaffe angestrebten Kauf von 30 US-Atombombern F 18 und auch nicht der 90 Eurofighter kommen. Der Kostenumfang alleine für diese Systeme schlägt nach derzeitiger Planung mit über 30 Milliarden für ihre geplante Einsatzdauer zu Buche.

Unsere Vision bleibt: Welt ohne Atomwaffen, Russel-Einstein-Manifest: Humanität erkämpfen oder untergehen! Das ist die Herausforderung auch und gerade dieser Ostermärsche.

Politik der gemeinsamen Sicherheit und große Transformation

Eine Außenpolitik, die statt auf Spannungen und Militarisierung auf Verhandlungen, das Völkerrecht und Kooperation gerichtet ist, so wie es die Ostpolitik von Egon Bahr und Willy Brandt mit den Ostverträgen war und wie es die Palme-Kommission mit dem Ziel der Überwindung der Block-Konfrontation wollte. Politik der gemeinsamen Sicherheit, das ist Friedenspolitik – Grundprinzip zukunftsfähiger Politik. Die herrschende Unordnung aus Ungerechtigkeit, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Gewalt, Rüstung, Kriegen und Waffenexporten ist durch eine Friedenspolitik für sozial-ökologische Gerechtigkeit zu überwinden. Die kapitalistische und kolonialistische Ökonomie hat die Gesellschaften an den Rand des Abgrunds geführt. Eine Lösung kann es nicht mit den Mitteln geben, die zu dieser Situation geführt haben. Eine Transformation des kapitalistischen Konkurrenzsystems hin zu einer Gesellschaft sozial-ökologischer Friedens-Gerechtigkeit bedeutet Frieden und Gerechtigkeit ist die Vision! Sozial-ökologische Friedenstransformation die Herausforderung.

  • Eine aktive Friedenspolitik ist zugleich auf die Entspannung im Verhältnis Deutschlands zu allen europäischen Staaten, darunter auch Russland, gerichtet. Frieden gibt es nicht gegen, sondern nur mit Russland. Ohne Frieden mit Russland gibt es keinen Frieden in Europa. Putin muss man nicht lieben, aber die Freundschaft zu Russland prägt die Friedenspolitik.
  • Ohne Abrüstung erreichen wir weder Kooperation noch die Bereitstellung der finanziellen Mittel für globale Gerechtigkeit weltweit. Die Welt ist zu klein für Militär und Rüstung. Abrüstung heißt auch Vorfahrt für zivile Konfliktbearbeitung, für Konfliktprävention, Dialog und Diplomatie.

Umwelt und Frieden ist untrennbar – Klimagerechtigkeit ohne Frieden geht nicht, nicht nur wegen der wahnwitzigen Emissionen der Armeen.

Wo sollen denn die Flüchtlinge hin und das soll friedlich vonstatten gehen?

Deshalb lasst uns gemeinsam weiter aktiv sein für den Frieden und die Klimagerechtigkeit.

Von der Mobilisierung der Menschen, von Jeder und Jedem für Frieden, hängt es ab, ob die Bewegungen für die Zukunft den Druck aufbauen können, der für eine große friedliche, soziale und ökologische Transformation erforderlich ist.

Liebe Friedenfreundinnen und Friedenfreude,

als ich das alles aufgeschrieben und überlegt hatte, fiel mir ein weiteres Lied ein, das dieses Jahr 50 Jahre alt wird. In ihm heißt es:

Stell dir vor, alle Menschen,
leben ihr Leben in Frieden.

Du wirst vielleicht sagen, ich sei ein Träumer,
aber, ich bin nicht der Einzige, der das träumt.
Ich hoffe, eines Tages denkst du auch so,
und die ganze Welt wird wie eins sein.

„Imagine“ von John Lennon und Yoko Ono, eines der berühmtesten Anti-Kriegslieder u.a. gegen den Vietnamkrieg.

Ja, wir werden den Traum, die Vision einer Welt ohne Krieg und Atomwaffen, einer Welt der globalen Gerechtigkeit ohne Ausbeutung und im Frieden mit der Natur, niemals aufgeben.

Dafür gehen wir unter diesen schwierigen Bedingungen der Pandemie Ostern 2021 auf die Straße, überall in dieser Republik! Wir geben nicht auf! Wir kommen wieder!

Die Rede wurde von den NachDenkSeiten veröffentlicht >

Internationale Münchner Friedenskonferenz 2021

Am 19.02. findet online die Internationale Münchner Friedenskonferenz statt. Die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative gehört zum Trägerkreis der Friedenskonferenz. Daher möchten wir Sie auf das diesjährige Programm aufmerksam machen.

Hier finden Sie das Programm der Friedenskonferenz >

Hier finden Sie den Live-Stream zur Münchner Friedenskonferenz am 19.02.2021 >

Der Atomwaffenverbotsvertrag tritt in Kraft – ein Meilenstein hin zu einer atomwaffenfreien Welt

Der 22. Januar 2021 ist ein Grund zu feiern! Der Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) tritt in Kraft, eingeleitet durch zivilgesellschaftlichen Druck, mit einer Resolution der UN-Generalversammlung, angenommen von 122 Staaten, unterzeichnet von 86 und ratifiziert von 51 Staaten.

Der AVV verbietet den Vertragsstaaten Entwicklung, Test, Produktion, Erwerb, Lagerung, Transfer, direkte oder indirekte Kontrolle, Stationierung und Einsatz und Androhung eines Einsatzes von Atomwaffen, sowie die Unterstützung der Verbotenen Aktivitäten. Der AVV wurde unter maßgeblicher Beteiligung der Zivilgesellschaft bei den Vereinten Nationen in New York verhandelt und am 7. Juli 2017 von 122 Staaten angenommen. Er stellt eine konsequente Weiterentwicklung von Artikel VI des Atomwaffensperrvertrags dar, „in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle.

Durch das fortgesetzte nukleare Wettrüsten geraten Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler in aller Welt durch ihre tägliche Arbeit in Konflikt mit den Zielen der nuklearen Abrüstung. Ohne ihre Entwicklung und Erforschung von Technologien wäre nukleare Aufrüstung unmöglich. Der AVV ist auch ein Aufruf an uns alle, in Wissenschaft und Gesellschaft, unsere Verantwortung wahrzunehmen für die Folgen unserer Forschung. Der AVV ist Ausdruck der internationalen Solidarität mit jeder Bestrebung die Wissenschaft in den Dienst des Friedens zu stellen.

Mit weiterer Aufrüstung wird der Einsatz von Atomwaffen wahrscheinlicher. Die USA und NATO behalten sich den nuklearen Ersteinsatz vor und verfolgen eine Politik der nuklearen Abschreckung. Atomwaffen spielen in militärischen Planungen (wieder) eine größere Rolle: ein regionaler Atomkrieg soll führbar und gewinnbar sein. Sicherheitspolitik sieht anders aus. Sie müsste sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren, Dialog, Kooperation und Annäherung anstreben. Der Atomwaffenverbotsvertrag macht die Welt sicherer vor der atomaren Zerstörung unseres Planeten und ist ein wichtiger Schritt hin zu einer atomwaffenfreien Welt.

Der Atomwaffenverbotsvertrag dient auch dem Umweltschutz, denn der Einsatz von Atomwaffen bedeutet unermessliche Zerstörung menschlichen Lebens und der ökologischen Lebensgrundlagen auf der Erde. Verheerende Klimafolgen sind in Studien zu einem auch nur begrenzten Atomkrieg belegt. Der ökologische Stiefelabdruck des Militärs, insbesondere der von Atomwaffen, ist extrem hoch und belastet heutige und zukünftige Generationen durch Freisetzung von Radioaktivität und Schadstoffen. Beispielsweise verbraucht ein Kampflieger – das Trägersystem der in Deutschland stationierten Atomwaffen – 3500 kg Treibstoff pro Flugstunde. Das entspricht 11,2 Tonnen CO-2-Äquivalente – genauso viel wie ein Bundesbürger durchschnittlich pro Jahr an CO-2-Äquivalenten verbraucht. Eine nachhaltige Politik muss eine Welt ohne Atomwaffen anstreben.

Aber: Staaten die Atomwaffen besitzen oder in der NATO daran teilhaben – darunter auch Deutschland – sowie Partnerstaaten befinden sich nicht unter den Vertragsstaaten des AVV, sperren sich, diskreditieren diesen und rüsten atomar auf. So werden die nuklearen „Fähigkeiten“ aller Atomwaffenstaaten über die so genannte Modernisierung weiterentwickelt, wird die Behauptung vertreten, der AVV würde den alten Nichtverbreitungsvertrag (NVV) sowie das internationale nukleare Abrüstungsregime gefährden. Die Atommächte üben Druck auf Drittstaaten aus, dem AVV nicht beizutreten.

Wir fordern die Bundesregierung auf:

  • Setzen Sie sich für die Sicherheit der Menschen dieses Planeten ein!
  • Beachten Sie die ökologischen Grenzen unseres Planeten!
  • Unterzeichnen und ratifizieren Sie den Atomwaffenverbotsvertrag!

Dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten – nukleare Aufrüstung Deutschlands stoppen!

NatWiss unterstützt den Appell der IALANA und bittet um Mitzeichnung unter: https://appell.ialana.de/

Wortlaut des Appells:

Sehr geehrte Frau Dr. Merkel,

wir wenden uns hiermit an Sie und zugleich an alle Mitglieder der Bundesregierung und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit dem dringenden Appell:

Unterzeichnen und ratifizieren Sie den Atomwaffenverbotsvertrag!

Stoppen Sie die Stationierung der neuen US-amerikanischen B 61-12 Atombomben auf dem Fliegerhorst der Bundesluftwaffe in Büchel und die damit verbundene neue gefährliche atomare Aufrüstung auf deutschem Boden!

Unterlassen Sie die geplante Anschaffung von 45 US-amerikanischen F 18 Jagdflugzeugen als Kernwaffenträger für das taktische Luftwaffengeschwader 33 der Bundeswehr!

Wir befinden uns derzeit an einer wichtigen Wegkreuzung in der Auseinandersetzung um die Nuklearrüstung auf deutschem Boden. Einerseits hat am 24. Oktober 2020 der 50. Staat den Atomwaffenverbotsvertrag ratifiziert, sodass dieser am 22. Januar 2021 in Kraft treten wird. Damit ist die Tür weit offen für eine neue Dynamik mit dem Ziel der Abschaffung aller Atomwaffen.

Andererseits weigert sich die Bundesregierung noch immer, den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen und beteiligte sich stattdessen im Oktober 2020 erneut an einem militärischen Manöver, in dem unter dem Namen Steadfast Noon der Atomkrieg geprobt wurde. Im Zentrum stand dabei der Einsatz der 46 Tornados des taktischen Luftwaffengeschwaders 33 in Büchel im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“. Geübt wurde nach einem Korrespondentenbericht der FAZ aus dem NATO-Hauptquartier in Brüssel der Einsatz von Atomwaffen gegen Ziele in Russland.

Der Einsatz von Atomwaffen wird wahrscheinlicher

Mit dem inzwischen entfachten Handelskrieg und der tiefen Wirtschaftskrise, die durch die COVID-19 Pandemie weltweit Platz greift, drohen neue bewaffnete Konflikte, die das Risiko in sich bergen, in einen mit Nuklearwaffen ausgetragenen Krieg zu eskalieren. Die Territorialkonflikte im südchinesischen Meer, im Mittelmeer zwischen der Türkei, Griechenland und Zypern und in Bergkarabach erregen aktuell unsere Besorgnis. Schon in einer Bundestagsdebatte vom 25. Juni 2008 hatte der seinerzeitige außenpolitische Sprecher der CDU/CSU Fraktion Eckart von Klaeden einen möglichen bewaffneten Konflikt zwischen Israel und dem Iran als Szenario für einen Nuklearwaffeneinsatz durch Deutschland gegen den Iran beschrieben. Von dem amerikanischen Journalisten Bob Woodward wissen wir, dass Trumps ehemaliger Verteidigungsminister Mattis mit konkreten Vorbereitungen zu einem Atomwaffeneinsatz gegen Nordkorea befasst war.

Neue Atomwaffen, wie die jetzt in den USA entwickelte B 61-12 Bombe, die wie eine Lenkwaffe ins Ziel gesteuert werden kann und deren Sprengwirkung regulierbar ist, senken die Hemmschwelle, sie im bewaffneten Konflikt einzusetzen. Die neuesten Militärplanungen der NATO sehen vor, den Einsatz von Atomwaffen mit niedriger Sprengkraft in die konventionelle Kriegsführung auf dem Gefechtsfeld zu integrieren. Wer ständig den Einsatz von Atomwaffen übt und damit droht, der wird am Ende auch den Einsatzbefehl erteilen.

Der politische Wechsel in den USA ist zudem ein Anlass, die transatlantischen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA auf der Grundlage des Friedensgebots des Grundgesetzes und der Charta der Vereinten Nationen und der Regeln des humanitären Völkerrechts neu auszurichten.

Der Einsatz von Atomwaffen und die Drohung mit deren Einsatz verstoßen gegen das humanitäre Völkerrecht.

Der Einsatz von Atomwaffen durch deutsche Soldaten wäre wegen des damit verbundenen Verstoßes gegen vielfältige Regeln des humanitären Völkerrechts rechtswidrig. Dies ergibt sich aus dem epochalen Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen, das dieser im Auftrag der Generalversammlung der VN am 08. Juli 1996 erstattet hat. Die Drohung mit dem Einsatz und der Einsatz von Atomwaffen verstoßen danach generell gegen die Prinzipien und Regeln des Völkerrechts, die für bewaffnete Konflikte gelten. Deren Waffenwirkung unterscheidet nicht zwischen Kombattanten und Zivilisten, sie verursacht unnötige Qualen, führt zu Schäden an den Lebensgrundlagen der Menschen und der Umwelt und zieht grenzüberschreitend Staaten in Mitleidenschaft, die am Konflikt unbeteiligt sind.

In diesem Zusammenhang beruft sich die Bundesregierung stets darauf, dass der IGH im Tenor seines Gutachten auch erklärt hat, er könne angesichts der gegenwärtigen Lage des Völkerrechts und angesichts des ihm zur Verfügung stehenden Faktenmaterials nicht definitiv die Frage entscheiden, ob die Androhung oder der Einsatz von Atomwaffen in einer extremen Selbstverteidigungssituation, in der die Existenz eines Staates auf dem Spiel stünde, rechtmäßig oder rechtswidrig wäre.

Aus dem Kreis der Atomwaffenstaaten war argumentiert worden, dass der Einsatz von Atomwaffen in einer extremen Notwehrsituation jedenfalls dann erlaubt sein müsse, wenn es sich bei den eingesetzten Atomwaffen um „saubere“ Atomwaffen mit niedriger Sprengkraft handele. Die Aussage des Gerichts hierzu war der Tatsache geschuldet, dass nach der Feststellung des IGH keiner der Staaten, die für die Rechtmäßigkeit der Anwendung von Atomwaffen eintreten, in dem Verfahren näher ausgeführt hatte, welche die genauen Bedingungen eines solchen ausnahmsweise zulässigen Einsatzes sein sollten und welche Eigenschaften angeblich „saubere“ Atomwaffen haben könnten. Wie der seinerzeitige Präsident des IGH, Mohammed Bedjaoui, in einer Besprechung des Gutachtens erklärte, bekundete der Gerichtshof mit dieser Passage lediglich seine fehlende Information über die von den Atomwaffenstaaten behauptete mögliche Entwicklung von „sauberen“ Atomwaffen. Nach seiner Überzeugung sei gerade die bei der Explosion von Atomwaffen freigesetzte radioaktive Strahlung die typische Eigenschaft von Atomwaffen, die gegen das humanitäre Völkerrecht verstoße. „Saubere“ Atomwaffen, die keine radioaktive Strahlung verursachten, seien eben keine Atomwaffen mehr.

Entscheidend bleibt somit, dass der IGH in den Gründen seines Gutachtens wiederholt betont hat, Notwehr sei nur mit Waffen erlaubt, deren Anwendung den Prinzipien und Regeln des humanitären Völkerrechts nicht widersprechen; der IGH hat erklärt, dass das Notwehrrecht nach Art. 51 UN-Charta durch das humanitäre Völkerrecht eingeschränkt ist, „welche Mittel der Gewalt auch eingesetzt werden.“ Damit ist Notwehr mit Atomwaffen grundsätzlich völkerrechtlich verboten, weil diese nach dem gegenwärtigen Stand der Waffentechnik nicht zwischen Zivilisten und Kombattanten unterscheiden, vor allem durch ihre radioaktive Strahlung unnötige Qualen verursachen und neutrale Staaten grenzüberschreitend in Mitleidenschaft ziehen.

Zudem kann durch die ausdrückliche Erklärung des IGH, dass er über den Einsatz von Atomwaffen in einem bestimmten Szenario unter bislang unbekannten Bedingungen keine Entscheidung treffe, nicht der Schluss gezogen werden, er habe diese Frage in dem Sinne beantwortet, der Einsatz in diesem Szenario sei völkerrechtlich zulässig. Eine Frage offen zu lassen heißt eben gerade nicht, sie zu bejahen.

Die Regeln des humanitären Völkerrechts sind danach auch im Falle der Verteidigung in einer Notwehrsituation zur Abwehr eines akuten Angriffs nach Art. 51 UN-Charta zu beachten und gelten somit auch in jedem erdenklichen Bündnisfall nach Art. 5 des NATO-Vertrags.

Für die B 61-12 Bomben gilt nichts anderes. Sie sind keine „sauberen“ Atombomben. Ihr Einsatz wäre ein Verstoß gegen humanitäres Völkerrecht und ein größtmögliches Kriegsverbrechen. Ihre Stationierung auf deutschem Boden muss verhindert werden!

Die Übernahme von Atomwaffen durch die USA und deren Einsatz durch deutsche Soldaten verstößt gegen die Verpflichtung Deutschlands aus dem Nichtverbreitungsvertrag NVV

Die Übergabe der US-amerikanischen Atombomben durch die USA an die Soldaten der Bundeswehr in dem Fall eines Nuklearwaffeneinsatzes würde gegen Art. II NVV verstoßen. Darin heißt es:

„Jeder Nichtkernwaffenstaat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich, Kernwaffen und sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen…“

Nach diesem eindeutigen Wortlaut des Vertrages wäre die Übernahme von Atombomben durch deutsche Soldaten, wie sie gerade im Oktober 2020 in der Übung „Steadfast Noon“ wieder geprobt wurde, vertragswidrig. Der Vertrag ist durch seine Ratifizierung gemäß Art. 59 Abs. II GG zugleich Bestandteil des Bundesrechts. Auf dessen Einhaltung haben die Mitglieder der Bundesregierung ihren Amtseid geschworen. Zudem entspricht die Beachtung der Regeln des NVV der Bindung der Öffentlichen Gewalt an Gesetz und Recht gemäß Art. 20 Abs. III GG.

Die Einwendungen, die die Bundesregierung hiergegen erhebt, sind nicht tragfähig.

Nach einer „Kurzinformation“ des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages WD 2 – 3000 – 147/19 (7. Januar 2020), die auch die Auffassung der Bundesregierung wiedergibt, soll diese Verbotsregelung des NVV der nuklearen Teilhabe nicht entgegenstehen, denn darunter verstehe man „Zwei Schlüssel-Vereinbarungen“ die festlegten, dass der Kernwaffenstaat und der Staat, in dessen Hoheitsgebiet Kernwaffen stationiert sind, nur gemeinsam über deren Einsatz entscheiden könnten. Eine Weitergabe von Kernwaffen im Sinne des Art. II NVV stelle dies nicht dar. Mehr wird dazu nicht gesagt. Dabei wird verkannt, dass diese Interpretation dem eindeutigen Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Regelung widerspricht. Durch die Übergabe der Atomwaffen gelangen die Soldaten der Bundeswehr und damit die Regierung der Bundesrepublik Deutschland eben in deren unmittelbaren Besitz, selbst wenn die USA durch einen Einsatzvorbehalt einen „zweiten Schlüssel“ und damit den mittelbaren Besitz behalten sollten. Genau dies ist aber der Vorgang, der in der vertraglichen Verbotsnorm beschrieben ist. Die Argumentation stellt somit nur eine fadenscheinige Ausflucht dar.

Die zweite Argumentation der Bundesregierung stützt sich auf einen vermeintlichen Vorbehalt, den die Bundesregierung bei Unterzeichnung des Vertrages erklärt habe. Dieser sei dem „Rusk-Brief“ vom 09.07.1968 an Präsident Johnson und den US-Senat zu entnehmen. Danach sollen die Verpflichtungen aus dem NVV dann nicht mehr gelten, wenn „eine Entscheidung Krieg zu führen getroffen wird“. Dieser Vorbehalt verstößt gegen Sinn und Zweck des Vertrages und ist damit gemäß Art. 19 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge WÜV aus materiell-rechtlicher Sicht unwirksam. Die Interpretation würde darauf hinauslaufen, dass jeder Atomwaffenstaat in jedem bewaffneten Konflikt dazu berechtigt wäre, jeden seiner Verbündeten mit Atomwaffen auszurüsten. Gerade dies soll durch den Vertrag aber verhindert werden. Im Übrigen fehlt es schon an der formellen Rechtmäßigkeit gemäß Art. 23 WÜV, da die „Interpretationserklärung“ den übrigen 190 Vertragspartnern des NVV nicht bekannt gemacht wurde.

Ohne Atomwaffenverzicht keine deutsche Einheit

Ohne das Einhalten der Verpflichtungen aus dem NVV und den konsequenten Verzicht auf ABC-Waffen wäre die deutsche Wiedervereinigung mit dem 2+4 Vertrag von 1990 vor 30 Jahren nicht zustande gekommen. Nach der Darstellung des damaligen Leiters der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amts und Völkerrechtsberaters der Bundesregierung Martin Ney in seinem Aufsatz „Der 2+4 Prozess aus der Sicht des Rechtsberaters“ in der Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 75 2015, 619-633 war der 2+4 Vertrag im Obersten Sowjet heiß umstritten. Dass das Gebiet der ehemaligen DDR künftig der NATO angehören solle, war für die damalige Sowjetunion eine schwer erträgliche Vorstellung. Den Verhandlungsdurchbruch brachte erst die Rede von Außenminister Genscher anlässlich der Vierten Überprüfungskonferenz des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen am 22.08.1990, in der er diesen Verzicht bekräftigte sowie dessen ausdrückliche Aufnahme in Art. 3 Abs. 1 des 2+4 Vertrages.

Darin heißt es: „Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bekräftigen ihre Verpflichtung auf den Verzicht auf Herstellung und Besitz von und auf Verfügungsgewalt über atomare, biologische und chemische Waffen. Sie erklären, dass auch das vereinte Deutschland sich an diese Verpflichtungen halten wird. Insbesondere gelten die Rechte und Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen vom 1. Juli 1968 für das vereinte Deutschland fort.“

Die Übernahme von US-amerikanischen Atomwaffen und deren Einsatz durch das taktische Luftwaffengeschwader 33 der Bundesluftwaffe wäre daher auch ein Bruch des Vertrags, durch den Deutschland seine Einheit und uneingeschränkte Souveränität wieder gewonnen hat.

Vertrag über das Verbot von Kernwaffen (TPNW) entscheidender Schritt zur Erfüllung der Abrüstungsverpflichtung aus Art. VI NVV

Am 24. Oktober 2020 hat der fünfzigste Staat den „Vertrag über das Verbot von Kernwaffen“ (TPNW) ratifiziert. Neunzig Tage nach Hinterlegung der entsprechenden Urkunde bei der UN, am 22. Januar 2021, tritt der Vertrag in Kraft und wird dann für alle Staaten rechtsverbindlich, die dem Vertrag beigetreten sind.

Der Atomwaffenverbotsvertrag wurde unter dem Dach der UN verhandelt und am 7. Juli 2017 in New York von den Vertretern der teilnehmenden Staaten mit 122 Ja-Stimmen bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung angenommen. Die Atomwaffenstaaten haben sich daran nicht beteiligt.

Der Vertrag bekräftigt die sich aus Art. VI des NVV ergebende Verpflichtung, in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen und erfolgreich abzuschließen, die zur vollständigen atomaren Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle führen. Diese Verpflichtung hat der Internationale Gerichtshof 1996 in seinem Gutachten für die UN-Generalversammlung einstimmig hervorgehoben. Sie wird nun durch den Boykott des TPNW durch die Atomwaffenstaaten und alle NATO-Mitglieder erneut missachtet.

Der Beitritt zu dem Abkommen verpflichtet seine Vertragsstaaten schon jetzt dazu, ihr Staatsgebiet zu atomwaffenfreien Zonen zu machen. 50 Staaten sind diesen Schritt bereits gegangen und machen die Welt damit ein großes Stück sicherer.

Sehr geehrte Frau Dr. Frau Merkel,

wir rufen Sie und die Mitglieder der Bundesregierung und alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages dazu auf: Gehen Sie diesen Weg mit!

Mit freundlichen Grüßen

Otto Jäckel

Atomwaffenverbotsvertrag tritt in Kraft

Am 22.1.2021 tritt der UN-Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft.

Dann verbietet er allen beigetretenen Staaten die Herstellung, Weitergabe, Stationierung und Drohung sowie den Einsatz von Atomwaffen. 86 Staaten haben den Vertrag bereits unterzeichnet, 51 haben ihn ratifiziert. Ein großer Teil der Staatengemeinschaft sagt damit „Stopp“ zur nuklearen Aufrüstung.

Das hat tiefgreifende Auswirkungen – nicht sofort, aber in den kommenden Jahren.

Ähnlich wie bei Landminen und Streumunition werden wir beobachten, dass Atomwaffen immer mehr geächtet werden. Banken werden sich aus der Finanzierung zurückziehen, weitere Länder dem Verbotsvertrag beitreten. So wächst der Druck auf die Atommächte!

Dass dieses Ziel erreicht werden konnte, ist zu großen Teilen der weltweiten Zivilgesellschaft zu verdanken!

Die deutschen ICAN-Partner rufen rund um den 22. Januar 2021 zu verschiedenen Aktionen und Aktivitäten auf!

Am 22. Januar 2021 feiern wir das Inkrafttreten dieses historischen Vertrages,
der unsere Welt sicherer machen wird, indem er das Ende der Atomwaffen einleitet.

Und wir senden ein deutliches Zeichen an die Bundesregierung:
Deutschland muss dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten und dafür sorgen, dass die US-Atombomben aus Büchel abgezogen werden!

Geplant sind:

Flaggen- und Plakataktionen, kleinere Kundgebungen im Berliner Regierungsviertel und an weiteren zentralen Orten, Online-Veranstaltungen, Informationskampagnen in den Sozialen Medien sowie fundierte Erklärungen und Antworten für Presse und Politik.

Mehr Informationen dazu: www.nuclearban.de         

Hier kann die Einladung als PDF heruntergeladen werden >

LOCKDOWN für Rüstung, Militär und Krieg

Aufruf zu den Protesten gegen die NATO-Sicherheitskonferenz

Samstag, 20. Februar 2021
13 Uhr Odeonsplatz – München                       

Bereits seit 2019 bewegen wir uns auf eine der größten Wirtschaftskrisen zu. Das Coronavirus und seine Folgen haben diese Krise nochmals verschärft. Die Kluft zwischen der Armut Vieler und dem unermesslichen Reichtum einiger Weniger wird immer größer.
Wir erleben seit Jahren hautnah wie soziale und demokratische Rechte abgebaut werden und sich Rassismus und Nationalismus weiter ausbreiten. Zeitgleich bedroht die globale Klimakatastrophe die gesamte Menschheit. Die aktuelle Krise verschärft die dem Kapitalismus inne wohnende zerstörerische Konkurrenz um Ressourcen, Absatzmärkte und Impfstoffe. Der Versuch, Großmacht- und Vorherrschaftsinteressen gewaltsam durchzusetzen, erhöht die Kriegsgefahr. Kriege kosten unzählige Menschenleben, verwüsten ganze Regionen der Erde und die Umwelt, rauben künftigen Generationen die Lebensgrundlage und treiben die Menschen millionenfach in die Flucht.

Die weltweiten Militärausgaben erreichten 2019 die Rekordhöhe von 1.917 Milliarden Dollar. Davon entfallen allein 1.035 Mrd. Dollar auf die NATO-Staaten. Das sind 16 mal soviel wie die Ausgaben Russlands und 4 mal soviel wie die von VR China.

Militärische Aufrüstung ist aber genau die falsche Antwort auf die großen Herausforderungen unserer Zeit. Wir brauchen zivile Antworten, eine neue Friedens- und Entspannungspolitik auf der Grundlage gemeinsamer Sicherheit und Abrüstung und eine Wirtschaftsordnung, die sich nicht an Profitmaximierung orientiert.

Die „Sicherheitskonferenz“: ein Etikettenschwindel

Auf der „Münchner Sicherheitskonferenz“ (SIKO) geht es nicht – wie Konferenzleiter Ischinger behauptet – um die „friedliche Lösung von Konflikten“, nicht um die Sicherheit der Menschen hier und anderswo auf der Welt. Dort geht es vor allem um die Rechtfertigung der NATO, ihrer Milliarden Rüstungsausgaben und ihrer Kriegseinsätze, die uns als „humanitäre Interventionen“ verkauft werden. Die Kriege der NATO-Staaten dienen ausschließlich der Durchsetzung ihrer globaler Macht- und Wirtschaftsinteressen.

Rüstung und Krieg schaffen keine Sicherheit

Sicherheit bedeutet für uns vor allem soziale Sicherheit, existenzsichernde Einkommen, einen leistungsfähigen Sozialstaat, Gesundheitsversorgung und Bildung für alle, eine zukunftsfähige Infrastruktur, die Verhinderung von Hunger und Armut weltweit und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen. Sicherheit kann es nur geben, wenn die Klimakatastrophe verhindert wird und auf militärische und wirtschaftliche Gewalt verzichtet wird.

Deutschland auf Kriegskurs – Nicht mit uns

– Die NATO- und US-Basen in Deutschland dienen als zentrale Drehscheibe für die völkerrechtswidrigen Kriege im Nahen und Mittleren Osten. Mit der Relaisstation in Ramstein ist Deutschland mitverantwortlich für den illegalen Drohnenkrieg der USA, durch den bereits viele tausende Menschen hingerichtet wurden.

– Mit der „nuklearen Teilhabe“ beteiligt sich Deutschland an der Atomkriegsstrategie der USA. Im Kriegsfall sollen die in Büchel stationierten US-Atombomben von Bundeswehr-Piloten ins Ziel geflogen werden. Um die Atomkriegsfähigkeit Deutschlands weiterhin sicherzustellen, plant die Bundesregierung für 8 Milliarden Euro den Kauf von 45 Boeing F-18 Kampfflugzeugen.

– Mit der Kündigung des INF-Vertrags durch die US-Regierung droht jetzt die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen und damit die Gefahr eines Atomkrieges in Europa.

– Bei den Waffenexporten liegt Deutschland weltweit auf dem skandalösen vierten Rang. Deutsche Rüstungskonzerne beliefern unter anderem die saudische Kriegskoalition für ihren völkerrechtswidrigen Krieg im Jemen.

– Bevorzugter Kunde deutscher Waffenlieferungen ist das Erdogan-Regime der Türkei, das einen blutigen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung führt und völkerrechtswidrig in Nordsyrien einmarschiert ist, um das demokratische, emanzipatorische Projekt in Rojava zu zerschlagen.

– Die Militär- und Rüstungsausgaben Deutschlands sind seit 2010 von 32 Mrd. auf 46,8 Mrd. Euro für 2021 gestiegen und sollen, trotz Wirtschaftskrise und drohender Kürzung in der Daseinsvorsorge in den kommenden Jahren weiter drastisch erhöht werden. Die Bundeswehr wird für zig Milliarden hochgerüstet: Sie soll mit Mehrzweckkampfschiffen, U-Booten, Fregatten, neuen Eurofightern und mit bewaffneten Drohnen ausgerüstet werden.

– Gemeinsam mit Frankreich treibt die Bundesregierung die Militarisierung der EU voran. Beide Regierungen haben das bisher teuerste europäische Rüstungsprogramm aller Zeiten beschlossen. Die Entwicklung und Anschaffung bewaffneter EU-Drohnen, eines neuen Kampfpanzers und eines Kampfflugsystems mit Drohnenschwärmen werden mehrere hundert Steuermilliarden verschlingen.

Verantwortungsvolle Politik heißt für uns:

> Schluss mit dem brandgefährlichen Konfrontationskurs und dem Truppenaufmarsch gegen Russland und die VR China. Statt Säbelrasseln mit wirtschaftlicher Erpressung und militärischen Drohungen braucht es Verhandlungen und zivile Konfliktbearbeitung. Frieden kann es nur mit und nicht gegen Russland und China geben.

> den Aufrüstungswahnsinn beenden. Abrüstung ist das Gebot der Stunde. Statt Milliardensummen für die militärische Aufrüstung und Kriegsvorbereitung zu verschleudern, brauchen wir Investitionen in die Sozialsysteme, in das Gesundheits- und Bildungswesen sowie in den Umweltschutz.

> die Auslandseinsätze der Bundeswehr beenden. Sie haben mit Landesverteidigung nicht das Geringste zu tun. Keine Bundeswehreinsätze im Inneren. Im Katastrophenfall brauchen wir keine Bundeswehr, sondern das Technische Hilfswerk (THW). Bundeswehr abschaffen.

> Deutschland darf keinerlei Beihilfe zu den US-Drohnenmorden und zu völkerrechtswidrigen Angriffskriegen leisten. Die US-Airbase Ramstein, die US-Truppenstützpunkte und alle anderen Kommandozentralen der USA und NATO in Deutschland müssen geschlossen werden. Deutschland raus aus der NATO und aus allen Militärstrukturen der EU.

> Schluss mit allen Rüstungsexporten Deutschlands und der EU! Verbot der Lizenzvergabe und Verlagerung von Rüstungsproduktion ins Ausland. Die todbringenden Geschäfte der Waffenhändler und Kriegsprofiteure unterbinden. Statt Hetze gegen Menschen zu dulden, die vor den auch mit deutschen Waffen geführten Kriegen fliehen, sind wir solidarisch mit den Geflüchteten.

> Schluss mit der ausbeuterischen Wirtschaftspolitik, die Kriege, Armut und Flucht verursachen! Fluchtgründe beseitigen, statt zu erzeugen.

> Keine Beteiligung Deutschlands an der Atomkriegsstrategie der USA. Die Bundesregierung darf die Stationierung von Mittelstreckenwaffen nicht genehmigen; sie muss die Trainingsflüge der Bundeswehr für den Einsatz der US-Atombomben einstellen und die Stationierung der Atomwaffen verbieten. Und sie muss dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beitreten.

> Wir treten ein für die Einhaltung des Völkerrechts und die Stärkung der Vereinten Nationen (UNO) als Institution gemeinsamer Sicherheit.

Geht mit uns auf die Straße

gegen Krieg und militärische Aufrüstung, für weltweite soziale Gerechtigkeit, für Solidarität mit denen, die vor Krieg, Hunger und der Zerstörung ihrer Heimatländer fliehen, und für eine sozial ökologische Transformation, um die Natur und das Klima zu retten, statt die Welt zu zerstören.

AKTIONSBÜNDNIS GEGEN DIE NATO-SICHERHEITS KONFERENZ

www.sicherheitskonferenz.de oder www.antisiko.de

Hier kann der Aufruf als PDF heruntergeladen und unterzeichnet werden >

Image-Werbung der Bundeswehr auf dem Ökumenischen Kirchentag

Die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative unterstüzt den offenen Breif an die Mitglieder des Präsidiums des Ökumenischen Kirchentages 2021 und an die Presse

Wortlaut des Briefes:

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 12. Mai 2021 beginnt der Ökumenische Kirchentag in Frankfurt. Die Bundeswehr wird auch diesen Kirchentag für Kontaktpflege und Image-Werbung nutzen. Denn aus Sicht der Bundeswehr ist es nicht unwichtig, was die Mitglieder der Kirchen über Auslandseinsätze und Rüstungsausgaben denken.

Für den Ökumenischen Kirchentag 2021 ist wieder ein Gottesdienst geplant, der von Militärbischöfen, Militärgeistlichen und Militärmusikern gestaltet wird. Hohe Vertreter*innen der Bundeswehr werden teilnehmen. Militärpolizei wird die Veranstaltung sichern.

Darüber hinaus wird die Bundeswehr bzw. werden bundeswehrnahe Organisationen auf Diskussionspodien sowie durch Messestände präsent sein. Üblicherweise beteiligt sich auch ein Bundeswehr-Musikkorps am Kirchentag.

Wir leben in einer Zeit vieler Kriege und enormer Aufrüstung – auch der Bundeswehr. Kriege und Bürgerkriege haben unvorstellbar grausame Folgen. Wir meinen: Die Kirchen sollten ein Zeichen für Frieden und Abrüstung setzen, indem sie auf dem Ökumenische Kirchentag 2021 in Frankfurt keine Bundeswehr-Image-Werbung zulassen.

Deshalb fordern wir:
• Kein Bundeswehr-Gottesdienst auf dem Ökumenischen Kirchentag 2021!
• Keine Beteiligung eines Militärmusikkorps!
• Keine Image-Werbung der Bundeswehr!

Folgende Organisationen unterstützen diesen Brief:
1. Aktionsbündnis „Friedlicher Hessentag“
2. Aktiv für Frieden Bad Kreuznach
3. Arbeitsgemeinschaft Frieden Trier (AGF)
4. Augsburger Friedensinitiative (AFI)
5. AWC Deutschland e.V. – Weltbürgerinnen und Weltbürger
6. Bremer Friedensforum
7. Brot & Rosen. Diakonische Basisgemeinschaft
8. Bund für Soziale Verteidigung (BSV)
9. Bundesarbeitsgemeinschaft Linke Christ*innen
10. Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche
11. Bürgerinitiative OFFENe HEIDe
12. Deutsches Mennonitisches Friedenskomitee (DMFK)
13. DFG-VK Bundesverband
14. DFG-VK Gruppe Erlangen-Region Oberfranken
15. DFG-VK Gruppe Nordschwaben
16. DFG-VK Landesverband Baden-Württemberg
17. DFG-VK Ost
18. Essener Friedensforum
19. Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Friedensarbeit und Kriegsdienstverweigerung, EAK-Württemberg
20. Frauen wagen Frieden, Frauenfriedensgruppe in der Evang. Kirche der Pfalz
21. Frauennetzwerk für Frieden (FNF)
22. Friedensbildungswerk Köln e.V.
23. Friedensbündnis Schwerin
24. Friedensbüro Hannover
25. Friedensforum Duisburg
26. Friedensgruppe Daun
27. Friedensinitiative Bad Tölz-Wolfratshausen
28. Friedensinitiative Hersfeld-Rotenburg
29. Friedensinitiative Langen – Sicherheit neu denken
30. Friedensinitiative Main-Taunus
31. Friedensinitiative Nottuln e.V.
32. Friedensinitiative Reichenbach im Vogtland
33. Friedenskoordination Potsdam
34. FriedensNetz Saar
35. Friedenspädagogischer Runder Tisch Freiburg „Schulfrei für die Bundeswehr – Lernen für den Frieden“
36. Friedensregion Bodensee e.V.
37. Friedenszentrum Braunschweig
38. Fürther FriedensForum
39. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, GEW Hessen
40. Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung e.V.
41. Hanauer Friedensplattform
42. Heilbronner Friedensrat
43. Horber Initiative für den Frieden
44. IALANA – Deutschland, International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms (Deutsche Sektion)
45. Initiative „Welt ohne Waffen“ Weimar
46. Initiative Musiker/innen gegen die Auftritte der Militärmusikkorps
47. Initiative Ordensleute für den Frieden
48. Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges und in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW)
49. Internationale der Kriegsdienstgegner-innen e.V. IDK Berlin
50. Kampagne „Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“
51. Keine Waffen vom Bodensee (KWvB) e.V.
52. Komitee für Grundrechte und Demokratie
53. Lebenshaus Schwäbische Alb – Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V., Gammertingen
54. NaturwissenschaftlerInnen-Initiative – Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit e.V. (NatWiss)
55. Netzwerk Friedensbildung Baden-Württemberg
56. Netzwerk Friedenssteuer e.V.
57. Ohne Rüstung Leben (ORL)
58. Ökumenische Initiative zur Abschaffung bzw. Reform der Militärseelsorge
59. Ökumenisches Institut für Friedenstheologie (OekIF)
60. Ökumenisches Netz Rhein-Mosel-Saar
61. Oldies for Future Magdeburg
62. Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden (PPF)
63. pax christi Diözesanverband Aachen
64. pax christi Freiburg
65. pax christi Gruppe Offenbach
66. Rostocker Friedensbündnis
67. RüstungsInformationsBüro (RIB)
68. Sammlungsbewegung Aufstehen Schwerin
69. Sichelschmiede – Werkstatt für Friedensarbeit in der Kyritz-Ruppiner Heide
70. terre des hommes Deutschland e.V.
71. VVN-BdA Kreisvereinigung Offenbach am Main
72. Werkstatt für Gewaltfreie Aktion (WfGA)

Kontakt: Rainer Schmid, evang. Theologe, Ziegelstraße 25, 73431 Aalen, Tel. 0176 3678 5211, E-Mail: rainer.schmid@elkw.de und Peter Bürger, kath. Theologe, Düsseldorf, E-Mail: peter@friedensbilder.de

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CETA, Schiedsgerichte, Klimaschutz und unser Gemeinwohl

Im Amazonas brennen die Wälder wie noch nie, um Fleisch und Soja für den Export nach Europa zu erzeugen. In Kanada fallen Urwälder, um Teersandöl für Europa zu fördern. Warum diese Beschleunigung der Umweltzerstörung? Getrieben wird das durch die neuen Freihandelsverträge der Europäischen Union, die große Gewinne für einzelne Investoren ermöglichen. Und das soll noch gesteigert werden: Sollten diese Gewinnerwartungen durch Staatshandlungen geschmälert werden, können Investoren zukünftig ihre entgangenen Gewinne bei supranationalen Investorschiedsgerichten einklagen – so die Idee der EU – Kommission. Dies ist bereits möglich für Energiekonzerne, die nach dem Energie-Charta-Vertrag von 1998 Staaten verklagen und so jetzt den Kohleausstieg bremsen und sehr teuer für den Steuerzahler machen. Und Vattenfall hat Deutschland so wegen des Atomausstieges bereits auf über 4 Mrd. € Schadensersatz verklagt.

Angedacht ist, mittels Freihandelsverträgen eben diese Möglichkeit – entgangene Gewinne einzuklagen –  auf alle Bereiche zu erweitern, also auch auf Klimaschutz, Daseinsvorsorge, Arbeitnehmerschutz, Verbraucherschutz usw., um ‚Handelshemmnisse‘ abzubauen. Die Aushandlung dieser Verträge geschieht im Geheimen, ohne Beteiligung der Zivilgesellschaft. Mächtige Lobbyinteressen großer Firmen und Finanzkonzerne stehen dahinter und bestimmen mit. Presse und Politik schweigen weitgehend.

Das Freihandelsabkommen  CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) zwischen Kanada und der EU ist der erste Vertrag dieser Art, weshalb ich ihn einer genauen Analyse unterziehen will.

CETA beinhaltet 3 Komponenten, die weit über ein reines Freihandelsabkommen hinausreichen:

1) Regulatorische Ausschüsse, die völlig intransparent Regeln beschließen können, die ohne eine parlamentarische  Kontrolle direkt in geltendes Recht umgesetzt werden müssen. Sie bilden  auch eine Rechtsgrundlage für den Investorschiedsgerichtshof.

2)Investorschiedsgerichtshof (ICS: Investor-Court System), vor denen ausländische Investitoren Regierungen auf Schadensersatz verklagen können bei:

  • Direkter Enteignung: Das ist aber in der EU schon durch die staatliche Gerichtsbarkeit geregelt.
  • Indirekter Enteignung wie z.B. Enttäuschung einer Gewinnerwartung. Das ist ein schwammiger Begriff, juristisch auch bezeichnet als unbestimmter Rechtsbegriff. Der Fall kann schon gegeben sein durch eine Steuererhöhung, Mindestlohnerhöhung etc.
  • Verstoß gegen ‚faire und gerechte Behandlung’. Hier haben wir erneut einen unbestimmten Rechtsbegriff. Ein solcher Verstoß kann im Verfahren schon gegeben sein, wenn mündlich gegebene Zusagen nicht eingehalten werden, Verfahren sich verzögern, z.B. durch Mitsprache der Bürger etc., gemeinnützige oder staatseigene Anbieter bevorzugt werden, besserer Klimaschutz den Ausschlag für einen anderen Anbieter gegeben hat usw.

3) Klageberechtigte: Nur Investoren sind klageberechtigt, und nur falls sie einen Sitz im Ausland haben. Der Begriff Investor selbst ist sehr breit gefasst, es kann prinzipiell auch schon der Halter von ein paar Aktien oder eine Investmentfirma klagen. In aller Regel geschieht das dann mit Hilfe großer Anwaltskanzleien, spezialisiert auf Wirtschaftsrecht. Ein Kläger kann auch vor einem nationalen Gericht verloren haben und sich dann erst an das Investorschiedsgericht  wenden, oder auch versuchen, damit einer Verurteilung durch ein nationales Gericht z.B. wegen Verstoßes gegen Umweltauflagen entgegenzuwirken.  Regierungen hingegen können dort nicht  gegen Investoren klagen, wenn diese ihren Pflichten nicht nachgekommen sind.

Die Struktur des ICS ist noch nicht fertig entwickelt. Geplant ist, dass die Richter nicht dauerhaft angestellt sind, sondern sie sollen durch den gemischten CETA – Ausschuss für 4 Jahre benannt werden. Sie erhalten eine geringe Pauschalentlohnung und zusätzlich fallbezogene Vergütungen. Weiterhin dürfen sie als Richter trotzdem auch Nebentätigkeiten haben und werden nach ihrer Richtertätigkeit auch wieder an ihre vorherige Stelle zurückkehren.

Grundlage für die Urteilsfindung ist der Handelsvertrag und sind darüber hinaus die von dem Ausschuss festgelegten Regeln. Es handelt sich um einen sogenannten ‚lebenden Vertrag‘, der in dem  sogenannten ‚gemischten‘ Ausschuss nach Ratifizierung weiter entwickelt wird und ohne Mitwirkung und Kontrolle durch die Parlamente dann gegebenenfalls direkt Gesetzeskraft erlangen kann. Dieses Verfahren erlaubte, CETA schon jetzt auf EU – Ebene ohne Investorschiedsgerichte (ICS) zu ratifizieren, auch wenn noch nicht alles endgültig festgelegt ist.

CETA dient als Blaupause für jeden weiteren Handelsvertrag dieser Art, alle weiteren Verträge wurden und werden nach dem gleichen Muster erstellt.  Allerdings sind in CETA, dem ersten von der EU in dieser Serie ratifizierten Vertrag, die Schiedsgerichte noch ausdrücklich enthalten. Deshalb wird der Vertrag als ‚gemischtes‘ Abkommen bezeichnet und jeder EU Mitgliedstaat muss ihn durch sein Parlament gesondert ratifizieren lassen, bevor der Vertrag vollumfänglich in Kraft treten kann. Bislang wurde nur Punkt 1 auf EU – Ebene umgesetzt. Um dieses Problem zu umgehen, wurde seitens der EU – Kommission aus allen nachfolgenden Verträgen (z.B.  JEFTA und Mercosur) der ICS – Teil herausgenommen, um später gesondert nachgereicht zu werden. Damit sind die Verträge nach Lesart der EU-Kommission keine gemischten Verträge mehr und können allein durch EU – Kommission, EU – Parlament und EU-Rat beschlossen werden.

Als Grund, weshalb CETA und andere dieser Handelsverträge gebraucht werden, wird häufig von Politik und Wirtschaft angegeben, dass sie das Wirtschaftswachstum steigern und damit den Wohlstand für alle erhöhen. Es gibt aber keine belastbaren wissenschaftlichen Studien, die das erhärten. Für TTIP wurde seinerzeit von der Kommission eine Studie in Auftrag gegeben, die für das Wirtschaftswachstum aber lediglich kleine Effekte innerhalb der Prognosegenauigkeit ergab. Gleiches wurde ebenfalls für CETA festgestellt, auch zusätzliche Arbeitsplätze  werden nicht erwartet.

Im Folgenden möchte ich begründen, weshalb CETA und Investorschiedsgerichte abgelehnt werden müssen und was die Konsequenzen bei einer Zustimmung wären.

1) Gründe für die Ablehnung:

Gleiches Recht für alle?

Art. 3 des Grundgesetzes wird  verletzt, wenn es ein übergeordnetes Gericht gibt, vor dem einige klagen dürfen, andere aber nicht. So versteht  sich aber der ICS einerseits als dem Grundgesetz übergeordnet, lässt aber nur Klagen von ausländischen Investoren zu.  Außerdem haben Investoren nur Rechte, aber keine Pflichten, etwas, das auch gegen den Geist des Grundgesetzes verstößt. Investitionsstreitigkeiten sind eine Sache nationaler Kompetenz und sollen deshalb einer ordentlichen nationalen Gerichtsbarkeit unterliegen.

CETA – Recht absolut gesetzt über Grundgesetz, EU-Recht und Völkerrecht

Investoren sind in Deutschland vor Enteignung geschützt oder werden nach bestehenden Regeln  entschädigt. Die rechtlichen Grundlagen in Deutschland reichen aus zum Schutz des Eigentums und lassen eine Abwägung mit dem Gemeinwohlinteresse zu. ICS bringt dieses System aus dem Gleichgewicht zugunsten privater Einzelinteressen. Die Verträge erwähnen Umweltschutz, Verbraucherschutz, Arbeitnehmerschutz etc. nur in der Präambel und im Nachhaltigkeitskapitel, aber nicht in dem Teil der einklagbaren Rechte. Im Zweifelsfall wird der ICS dann Umweltschutz, Verbraucherschutz, Arbeitnehmerschutz etc. im Urteil nicht berücksichtigen. Der deutsche Richterbund lehnt den ICS als überflüssig ab zwischen Staaten mit entwickeltem Rechtssystem. Im Übrigen sieht er ihn  in der geplanten Version als nicht vereinbar mit unserer Rechtsordnung. Bekämpfung von Korruption sei immer noch der beste Investorenschutz.

Verpflichtungen aus anderen völkerrechtlich verbindlichen Verträgen wie z.B. dem Klimaschutzvertrag von Paris 2015, UNO-Menschenrechtskonvention oder aber die Normen der ILO (International Labor Organisation), WHO usw. sind weder einklagbar, noch können sie als Grund gegen eine Verurteilung  in einem  Prozess verwendet werden. Das ganze internationale Vertragssystem wird ausgehebelt – mit weitreichenden Konsequenzen für die Lösung globaler Probleme wie Frieden, Klimaschutz  oder auch nur eine Pandemiebekämpfung.

Viel Raum, um Regierungen und kommunale Verwaltungen vor Gericht zu ziehen  

Unklare Definitionen und Zwang zur Harmonisierung schaffen enorme Rechtsunsicherheit: Die einklagbaren Sachbestände  wie auch die Ausnahmen z.B. im Bereich der Daseinsfürsorge sind häufig nicht klar definiert bzw. widersprüchlich. Insbesondere werden nicht Definitionen aus anderen existierenden Verträgen wie z.B. GATS oder dem EU-Recht genommen, sondern neu definiert. Häufig ist schon die Bedeutung im englischen Original nicht entsprechend dem deutschen. Die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe wird dann nicht durch Grundgesetz oder EU – Recht erfolgen, sondern durch das neue Schiedsgericht nach CETA – Regeln. Bei Gerichtsverfahren werden diese Fälle ein hohes Risiko für die beklagten Staaten darstellen. Als Beispiel: Die europäische Regulierung basiert auf dem Vorsorgeprinzip. Dieses passt nicht zu dem kanadischen Ansatz. CETA ermöglicht, Regeln einzuführen, dass das Vorsorgeprinzip zukünftig umgangen werden kann.  In CETA wird das Bekenntnis zum Vorsorgeprinzip aus dem deutschen Grundgesetz oder den europäischen Verträgen nicht einmal erwähnt, sondern nur die juristisch schwache Formulierung aus dem WTO – Vertrag, der grundsätzlich das Gegenteil als Regel beschreibt, nämlich dass eben etwas nicht vorsorglich verboten werden sollte (z.B. wenn es im Verdacht steht, Schaden zu verursachen).

Schwächung der lokalen Demokratie und Daseinsfürsorge

Es gibt keine ausreichende Rechtssicherheit für kommunale Entscheidungen und Daseinsfürsorge, also  Gesundheit, Altersvorsorge,  Bildung, Wasser, Energie, öffentlicher  Verkehr und Straßen, etc.. Ein Beispiel: Der EU Vertrag von 2009 legt ausdrücklich die kommunale Selbstverwaltung als zu achtende, grundlegende Struktur in der Gesellschaft fest. In CETA wird sie hingegen überhaupt nicht erwähnt, aber der gesamte Ansatz forciert Privatisierung und beschneidet die Handlungsfähigkeit der Kommunen zukünftig enorm. Eine Mitsprache von Bürgern oder zivilrechtlichen Organisationen bei Entscheidungen der Kommunen ist definitiv nicht vorgesehen.

Ein absolut unfairer Vertrag für den Staat und die Gesellschaft

Das Parlament und der Bundesrat sollen jetzt eine Unterschrift unter einen halbfertigen Vertrag (‚lebenden‘ Vertrag)  setzen, wobei es keine demokratische Kontrolle über die weiteren Veränderungen mehr gibt. Der Vertrag läuft auf unbestimmte Zeit. Eine Beendigung in der EU ist nur einstimmig möglich oder durch den Austritt des betreffenden Mitgliedstaates aus der EU. Es gibt keine Klausel, die ein Aussetzen des Vertrages bei höherer Gewalt bewirkt. Maßnahmen, die eine Regierung z.B. im Fall einer Pandemie wie Corona ergreift, können vollumfänglich Gegenstand einer Klage der Investoren gegen den Staat sein.

2) Konsequenzen bei Zustimmung zu CETA

Die durch die neuen Handelsverträge eingeführten neuen Komponenten würden die Grundlage und Balance unserer Gesellschaft zerstören. Dann würde die Welt so aussehen:

Investorenschutz über Gemeinwohl

Investorenschutz als privates Einzelinteresse würde flächendeckend über Gemeinwohlinteressen gestellt wie Klimaschutz, öffentliche Daseinsfürsorge, Infrastruktur, Arbeitnehmerschutz, Verbraucherschutz, Kultur. Die Klagemöglichkeiten nutzen nur großen Firmen und Finanzinvestoren. Kleine Firmen haben nicht das Geld (schätzungsweise 8 Mio. €) eine Klage durchzuziehen bzw. riskieren ihre Existenzgrundlage. Als Inländer können sie nur vor die nationalen Gerichte ziehen und nicht von dem privilegierten Schutz der ausländischen Investoren profitieren. Damit wächst der Konzentrationsprozess und kleine regionale Anbieter haben immer weniger Chancen. Bei Klimaschutzmassnahmen wie einer CO2 – Steuer könnte die alte kohlenstoffbasierte Industrie hohe Entschädigungen für ‚entgangene Gewinne’ einfordern, die weit über den faktischen Vermögensverlust hinausgehen können. Die Erhöhung der Entlohnung für Pflegekräfte und Vorschriften zum Personalschlüssel in Klinken und Pflegeeinrichtungen könnten auch ein Grund für Investorklagen werden.

Schaffung unproduktiver Bürokratie

Jedes Handelsabkommen erzeugt ein eigenes Basisabkommen mit eigenen Regeln.  In JEFTA (Japan-EU Free Trade Agreement) ist z.B. der Bereich Wasser ganz anders geregelt als in CETA. Außerdem hat jedes Abkommen auf EU-Ebene  gesonderte regulatorische Ausschüsse, nämlich jeweils den Hauptausschuss (den sogenannten gemischten Ausschuss) und mehrere Unterausschüsse. Für jeden Vertrag  gibt es ein Mandat des Europäischen Rates, das in intransparenter Weise in jedem Ausschuss anders ausgeführt werden kann, und es gibt noch unterschiedliche Vertragspartner wie z.B. Kanada, Japan. Bei der Umsetzung dieser Regeln werden Kommunen erheblichen bürokratischen Mehraufwand leisten müssen.

Manipulationen auf allen Ebenen möglich.

Es fängt an mit der geheim gehaltenen und willkürlichen Besetzung der Ausschüsse, des nicht öffentlich gemachten Mandats durch den europäischen Rat und durch den Zwang, diese Regeln ohne eine demokratische Mitsprache und Kontrolle  am Ende in geltendes Recht bringen zu müssen. Die Rechtsgrundlage kann manipulativ geändert werden. Ganz kritisch zu sehen ist auch die Aufgabe der Ausschüsse, die Richter zu benennen, welche sich vor keinem Parlament mehr verantworten müssen.

Das Schiedsgerichtsverfahren sieht Richter vor, die neben einer geringen Pauschalentlohnung fallweise entlohnt werden. Das könnte einen Anreiz für sie schaffen, möglichst viele Prozesse zu führen. Kritisch ist die Möglichkeit, Nebentätigkeiten nachzugehen. Am Ende werden die meisten wohl an ihre alten Stellen zurückkehren, zum großen Teil in Wirtschaftsanwaltskanzleien.  Dort sind ihre besten Kunden finanzkräftige Firmen oder Investoren. Dies führt zu einem Interessenskonflikt und es besteht die Gefahr, dass der Richterspruch die Kläger bevorteilt. In laufenden Verfahren dieser Art zeigt sich bereits, dass die zugewiesenen Kompensationen sehr hoch sind, viel höher als bei staatlichen Gerichten. Anwaltskanzleien entwickeln bereits ein neues Geschäftsmodell. Wenn sie eine vielversprechende Möglichkeit zu einer Klage sehen, machen sie der Firma einen entsprechenden Vorschlag. Welche Firma kann es dann vor ihren Aktionären verantworten, nicht darauf einzugehen, um eben die Rendite zu erhöhen?

Auch die Finanzmärkte haben dieses Geschäftsmodell  bereits im Griff, indem sie den Unternehmen die Klagen durch Kredite vorfinanzieren und einen hohen Prozentsatz der Entschädigungssumme für sich einbehalten.

Aushebelung der geltenden Regeln zu Umwelt- und Verbraucherschutz

Schon jetzt wird in den CETA –Ausschüssen eine Abkehr von dem in der EU geltenden Vorsorgeprinzip diskutiert, obwohl dieses z.B. im Lissabonner Vertrag für die EU als grundlegend festgelegt wurde. In der Folge werden hier Produkte wie Hormonfleisch oder der genveränderte Riesenlachs ohne Kennzeichnung  vermarktet werden.  Die Möglichkeit, staatliche Stellen mit unkalkulierbaren teuren Gerichtsverfahren überziehen zu können, werden das sog. ‚right to regulate‘ aushebeln und notwendige Aktionen des Staates zugunsten des Gemeinwohls unterbinden. Weder effektiver Klimaschutz noch Pandemiebekämpfung sind unter diesen Umständen möglich.

Erzeugung gewaltiger Kosten für den Steuerzahler

Wenn der Staat zahlen muss, ist immer der Steuerzahler in der Pflicht.

Er zahlt  eine erhebliche Ausweitung in der Bürokratie der EU-Kommission, die vollkommen intransparent agiert. Er zahlt einen Schiedsgerichtshof, wie immer der auch aussehen mag.

Er wird mit teuren Prozessen überzogen werden. Ein guter Wirtschaftsanwalt wird mit größenordnungsmäßig dem zehnfachen Gehalt einer Erzieher*in entlohnt. Die Erfahrung zeigt, dass selbst ein gewonnener Prozess wegen der immensen Gerichtskosten und Anwaltsgebühren den Steuerzahler teuer zu stehen kommt. Und es werden oft Entschädigungen in Milliardenhöhe verlangt, siehe Vattenfall.

Ein Lockdown, wie jetzt bei der Corona-Pandemie benötigt, würde gigantische Schadensersatzforderungen nach sich ziehen und damit die Durchführung wirksamer Maßnahmen gefährden. Schon jetzt prüfen  Konzerne, wie sie Staaten für die Folgen der ergriffenen Maßnahmen verklagen können.  Da keine Klausel in CETA vorliegt, die Staaten in einer solchen Situation Handlungsfreiheit einräumt, geht ein Staat enorme Risiken ein bis hin zum Zusammenbruch der Staatsfinanzen.

CETA steht vielleicht noch diese Legislaturperiode zur Abstimmung in Bundestag und Bundesrat an. Die erste Verhandlung am Bundesverfassungsgericht begann am 13.Oktober 2020, noch weitere vier Klagen sind anhängig. Es ist der Präzedenzfall für die Einführung der neuen Handelsverträge und soll insbesondere den neuen Investorschiedsgerichtshof für Deutschland und am Ende auch für die EU etablieren.

Es ist ein Skandal, wie sehr versucht wird, das Thema CETA aus der öffentlichen Diskussion zu halten, insbesondere durch die großen Medien und die Politik; dahinter stehen mächtige Lobbyaktionen großer Firmen und Finanzinvestoren.

Jede Partei, die behauptet, für Gemeinwohl und Klimaschutz zu stehen, muss CETA und Investorschiedsgerichte ablehnen. Jetzt ist die Zeit zu reden und Erklärungen zu fordern! Nächstes Jahr ist Wahl.

Eine vollständige Fassung dieses Textes mit Referenzen kann bei der Autorin angefordert werden.

Dr. Sibylle Brosius

Mühlweg 48A

67117 Limburgerhof

Herausforderungen für Frieden und Umwelt

Wir veröffentlichen hier die Vorträge vom Online-Kongress „Herausforderungen für Frieden und Umwelt“ der vom 27.-28.11.20 stattgefunden hat.

Weitere Informationen und das Programm finden sie hier.

Hier finden Sie die gesamte Playlist der Vorträge >

Freitag 27.11.20

Verantwortung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für Frieden und Umwelt | Ulrike Beisiegel (ehem. Uni Göttingen)


Aufrüstung und Erderwärmung – die Gefahren des doppelten Selbstmordes | Michael Müller (Naturfreunde)


Herausforderung große Transformation | Ernst Ulrich von Weizsäcker (Club of Rome)


Samstag 28.11.20

Informatik zwischen Cyberpeace und Bits&Bäume | Anne Schnerrer (FIfF), Hans-Jörg Kreowski (FIfF)


Kein Frieden mit der Natur | Ulrike Kronfeld-Goharani (Uni Kiel)


Klimawandel als Kriegsgefahr oder Chance fürKooperation? | Jürgen Scheffran (NatWiss)


Gesprächsrunde: Wissenschaft zwischen Krieg und Frieden | Jürgen Altmann (TU Dortmund), Sibylle Brosius (NatWiss), Wolfgang Neef (TU Berlin), Karl-Heinz Peil (Friedens- und Zukunftswerkstatt), Moderation: Lucas Wirl (IALANA)


Schlussplenum: Ohne Friedensbewegung keinen Frieden – mehr Aktionen und Vernetzung als Voraussetzung für globalen Frieden | Reiner Braun (IPB, NatWiss), Martina Fischer (Brot für die Welt), Barbara Heller (Bremer Friedensforum), Kathrin Vogler (MdB DIE LINKE), Moderation: Malte Albrecht (NatWiss)