Ratifizierung des CETA-Abkommens stoppen, echte Kooperation jetzt! – Kooperation der Friedenslogik, statt kriegslogische Konkurrenz

Am 1. Dezember legt die Bundesregierung voraussichtlich dem Bundestag den Vertrag über das CETA-Abkommen zur Ratifizierung vor. Dieses Abkommen ist auch die Blaupause für das transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP). Es gab massive Proteste aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft, die deutlich machen: Wer diese Abkommen ratifiziert, handelt gegen den Willen der Bevölkerung, handelt gegen allgemein anerkannte Erkenntnisse wissenschaftlicher Forschung.

Die Ratifizierung von CETA ist:

unnötig

Auch ohne Ratifizierung ist die Senkung von Zöllen, Handelshemmnissen und globale Kooperation möglich und wird bereits praktiziert.

antidemokratisch

Mit der Einführung von exklusiven Konzernklagerechten werden demokratische Selbstbestimmungsrechte durch praktisch unkündbare Verträge ausgehebelt.

ungewollt

Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen TTIP, CETA und Co. Kanada hatte 2018 noch begrüßt, dass im USMCA, dem Nachfolgevertrag von NAFTA, jetzt keine Investorschiedsgericht mehr enthalten sind.

zukunftslos

Sie bremst Klimaschutz und die demokratische Gestaltung der notwendigen sozialökologischen Transformation, fördert Privatisierung von öffentlicher Daseinsvorsorge und öffentlichen Gütern und beschränkt die Handlungsfähigkeit von Staat und Behörden im Notfall, beispielsweise einer Pandemie.

Dazu sagt Dr. Sibylle Brosius, Vorstand der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative e.V.:

„Mit der Ratifizierung von CETA  entmachtet sich der Bundestag selbst. Damit werden die Grundlagen unseres Rechtsstaates weiter unterminiert. Recht wird nicht mehr allein durch Parlamente gesetzt, sondern daneben noch durch intransparente, nicht demokratisch gewählte Gremien. Konsequenterweise hat der Deutsche Richterbund (auf Anfrage der EU-Kommission) schon 2017 vor der Einführung des geplanten Investorschiedsgerichtshofes gewarnt. Ein Wirtschaftswachstum wird nicht erreicht, wie auch eine von der  EU-Kommission selbst beauftragte Studie zeigt. Große Konzerne und Finanzinvestoren gewinnen, während kleine regionale Betriebe leiden. Dem Steuerzahler drohen hohe Gerichtskosten, Staat und Behörden lähmende Gerichtsverfahren. Die öffentliche Daseinsvorsorge wird weiter privatisiert werden und die Mitsprache der Bevölkerung wird weiter in den Hintergrund gedrängt, anstatt sie auszubauen.“

Gegen diese Ungerechtigkeit in den Verträgen, die auch durch die Anhänge bei CETA nicht geändert werden, haben 2014 – 2016 in Deutschland Hundertausende auf den Straßen protestiert. Alle Parteien haben daraufhin fünf Jahre lang jeden Dialog abgelehnt. Jetzt im Nachgang von Corona und im Schatten des Ukrainekrieges soll das Abkommen plötzlich ratifiziert werden, ohne dass die Zivilgesellschaft mitreden kann. Demokratie und verantwortungsvolle Entscheidungen brauchen Zeit und transparente Diskussionen. Der Krieg soll nun dafür herhalten, dass wir mit unseren Freunden rasch den Vertrag abschließen müssen – wollen wir uns jetzt gegenseitig verklagen können? Das ist keine Freundschaft, sondern zeugt von tiefstem Misstrauen und Konkurrenz – Kriegslogik eben.

Jetzt also wollen diese Parteien unumkehrbar einem Vertrag zustimmen, der unser Gemeinwohl den Regeln privater Profitinteressen unterordnet. Eine Ratifizierung des CETA-Abkommens würde einen Dammbruch bedeuten und eine Entdemokratisierung auf Jahrzehnte festschreiben. International würden Blockbildung und Konfrontation befeuert werden. Wir brauchen aber eine globale Kooperation, um der Klimakrise zu begegnen. Ohne globale Kooperation gibt es keinen Frieden.

Wir appellieren an die Mitglieder des Bundestags: Verweigern Sie sich der Kriegslogik von CETA. Schaffen sie stattdessen die Grundlagen für eine friedliche, globale, für eine echte Kooperation jetzt!“

NatWiss wird im Anschluss an diese Pressemitteilung ein Schreiben an alle Mitglieder des Bundestags mit der Aufforderung versenden, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu respektieren und der Ratifizierung von CETA die Stimme zu verweigern.

Science groups launch petition urging journal publisher to share plan for halting anti-climate practices

SGR and UCS call on scientists to support our campaign on Elsevier’s fossil fuel industry links.

The Union of Concerned Scientists (UCS) and Scientists for Global Responsibility (SGR) today launched a petition requesting a formal response from Elsevier and its parent company RELX that outlines how they intend to meet their commitments as a member of the UN Race to Zero campaign. As a signatory of this campaign, Elsevier—which publishes nearly 3,000 journals accounting for about 15% of all academic publishing—pledged to halt the facilitation of new fossil fuel assets and ensure their external activities are aligned with the goal of reaching net-zero heat-trapping emissions by 2050.

“The scientific realities of the climate crisis are undeniable in the peer-reviewed literature,” said Dr Kristina Dahl, a principal climate scientist with UCS and a signatory to the petition. “It’s time for the companies publishing these journals to walk the talk and align their actions with what is outlined in the global Paris climate agreement as that’s what the science demands. Elsevier has already taken the first step by signing onto the U.N.’s Race to Zero pledge, now they need to publicly declare the actions they will take to meet that commitment.” A related blogpost by Dr Dahl can be found here.

The petition emphasized activities Elsevier and RELX currently undertake that should be halted for the betterment of the climate, including:

  • Providing fossil fuel industry-oriented research and development, as well as data services, used by most top oil, gas, and coal companies
  • Lobbying and financially supporting U.S. politicians who block climate action
  • Disseminating content, informing practices and techniques, and providing information and resources related to expansion of fossil fuel exploration
  • Hosting coal, offshore drilling, and other industry exhibitions that enable participants to grow their businesses and boost fossil fuel production

Petition: Demand that Elsevier Cut Ties with the Fossil Fuel Industry

Elsevier is one of the biggest names in academic publishing, operating more than 2,700 scientific, technical, and medical journals in which scientific research is peer-reviewed and published. While Elsevier and its parent company tout the important research they publish on climate science and publicly claim to be committed to a clean energy future, their practices tell a very different story.

Earlier this year, The Guardian ran a powerful article exposing the ties of Elsevier to the fossil fuel industry and other business activities that are antithetical to meeting the kind of climate goals science tells us we need in order to reduce the worst impacts of climate change.

We think Elsevier can do better. As a member of the scientific community, your voice carries weight.

Add your name to the letter: Demand that Elsevier better align its business practices with its publicly stated values and pledges.

Petition: Die Waffen nieder! Friedenslogik statt Kriegslogik!

Als deutsche Reaktion auf den Krieg in der Ukraine hat die Bundesregierung eine kriegsorientierte Umkehr vorgeschlagen. Das Rüstungsforschungsinstitut SIPRI hält dazu fest: „Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (…) beendete innerhalb einer halben Stunde die jahrzehntelange politische Zurückhaltung und leitete eine neue Ära der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik ein. (…) Sollte Scholz‘ Vorschlag umgesetzt werden, würde dies den größten absoluten Anstieg der deutschen Militärausgaben seit mindestens dem Zweiten Weltkrieg bedeuten.“[1]

Im Raum stehen Milliarden für die internationale und deutsche Waffenindustrie. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler liefern das Wissen und die Technik. Wir brauchen jetzt eine Festlegung der Selbstverwaltung von Wissenschaft und Forschung auf Friedensförderung. Denn unsere Forschung zeigt auch, dass Aufrüstung jedes Ringen um die Minderung der Folgen der Vielfachkrise, insbesondere des Klimas konterkariert: Waffenproduktion verschwendet wertvolle Ressourcen, die für die globale Energiewende benötigt werden; das Militär ist einer der größten Schadstoffemittenten; Waffeneinsätze verseuchen die Umwelt unwiederbringlich, auch in Friedenszeiten; Aufrüstung und Krieg verschärfen den Hunger in der Welt.

  • Wir brauchen jetzt eine gesellschaftliche Debatte, wie wir in Deutschland zum Ende des Krieges in der Ukraine beitragen können, statt ihn zu verlängern.
  • Wir brauchen eine Debatte und konkrete Entscheidungen, wie ein friedliches Europa nach dem Krieg aussehen kann – mit den Menschen aus der Ukraine, aus Russland und dem Rest der Welt.
  • Wir brauchen eine Debatte, wie wir aus der militaristischen Spirale von Konfrontation und Konkurrenz herauskommen.
  • Wir brauchen konkrete Entscheidungen und politisches Handeln, um Kooperation und gerechte Ressourcenverteilung für alle zu erreichen.

Diese Überlegungen spielen bisher keine Rolle für das Regierungshandeln. Grund genug für uns als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unser aller Recht auf öffentliche Debatte und Mitbestimmung einzufordern. Generationen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern haben an Lösungen für diese Probleme gearbeitet. Lösungen sind da. Es wird Zeit, sie umzusetzen. Diese Petition ist ein erster Schritt. Wir bauen auf Ihre Unterstützung und Ihre Stimme.

Wir bitten den Bundestag zu beschließen:

1)     Die Kürzung des Rüstungsetats und die Verwendung dieser Ressourcen für die Energiewende hin zu den erneuerbaren Energien und für nachhaltige Entwicklung auch im sozialen Bereich.

2)     Keine Grundgesetzänderung, weder zur Schaffung des Sondervermögens von 100 Mrd. Euro für Aufrüstung noch zu einer Verpflichtung dazu.

3)     Direkte Beteiligung der Zivilgesellschaft bei Fragen der Friedens- und Sicherheitspolitik.

Begründung

Die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative „Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit“ (NatWiss) verurteilt den Angriff Russlands gegen die Ukraine, der nicht zu rechtfertigen ist und die Regeln des Völkerrechts verletzt, mit unabsehbaren Opfern und Schäden. Gleichzeitig vergessen wir nicht, dass im Vorfeld des Krieges Warnungen und Vorschläge ignoriert, Prinzipien von Kriegsvermeidung und Friedenssicherung missachtet wurden. Das Wissen über Kriegsursachen und Friedenslösungen muss genutzt werden, um die Kriegshandlungen zu beenden und weitere Eskalationsspiralen zu vermeiden. Daher setzen wir uns für Frieden ein und gegen jeden Militarismus!

In diesem Krieg drohen alle zu verlieren, egal wer sich auf den Trümmern und Gräbern zum „Sieger“ erklärt. Hauptopfer sind die Menschen in der Ukraine, die Toten, Verwundeten und Flüchtenden. Die Folgen treffen auch die Bevölkerung Russlands und Menschen in der ganzen Welt. Es verliert das Völkerrecht, die europäische Friedensordnung und die Zivilgesellschaft. Die Schäden und Kosten des Krieges zerstören die Bedingungen für nachhaltigen Frieden und die Lösung globaler Probleme: Armut und Hunger, Vertreibung und Flucht, Umweltzerstörung und Klimawandel. Ein Atomkrieg wäre das Ende der Menschheit: No Future!

Opfer ist auch die Wahrheit. Kriegspropaganda dominiert auf allen Seiten. Die überhitzte Echokammer der Kriegsempörung löscht früheres Wissen, das für die Zukunft gebraucht wird. Kaum gefragt wird, wie es zur Katastrophe kam, wer über Jahrzehnte die Eskalationsspirale angetrieben hat. Ist es bloß der zum Dämon erklärte Putin oder auch die NATO, die nach dem Sieg im Kalten Krieg über alle Grenzen expandierte, bis zur Schwelle des Krieges? Wer Frieden mit Aufrüstung und Militärinterventionen untergraben und selbst das Völkerrecht gebrochen hat, ist ein schlechter Ratgeber für friedliche Lösungen. Getrieben durch die am Krieg verdienende Rüstungsindustrie drängen diese Kräfte schon lange auf eine „Zeitenwende“ geopolitischer Machtkämpfe und eine weitere Aufrüstung der NATO, wodurch die Welt unsicherer wird. Mit Kriegsbeginn verdoppelte die Bundesregierung die in den letzten Jahren stark gestiegenen Militärausgaben und übertrifft nun alleine schon die Russlands vor dem Krieg. Rüstung mit noch mehr Rüstung zu bekämpfen ist so wenig zukunftsfähig wie dem Klimawandel mit Klimaanlagen zu begegnen.

Gegen das Vergessen ist es die Pflicht der Wissenschaft, das Wissen über Krieg und Frieden für die Beendigung des Ukraine-Krieges und die Verhinderung weiterer Kriege zu aktivieren:

1. Wir sagen Nein zu Wirtschaftskriegen, Waffenlieferungen oder Militäraktionen, die die Eskalationsspirale vor und in diesem Krieg angeheizt haben, und lehnen Sanktionen ab, die die Bevölkerung weltweit treffen.

2. Wir unterstützen humanitäre Hilfe für Flüchtlinge und Opfer von Gewalt, ebenso den Ausbau der Verbindungen zur Zivilgesellschaft und Friedensbewegung in Russland und der Ukraine, um Bewegungen zur Beendigung des Krieges zu mobilisieren.

3. Den Versuchen, einen totalen Krieg in allen Bereichen der Gesellschaft zu forcieren und autoritäre Strukturen von Militarismus, Kriegsgehorsam und Denkverboten zu unterstützen, stellen wir die Zivilgesellschaft und ihre zivilen Prinzipien für menschliches Zusammenleben und Konfliktlösung entgegen.

4. Auf die Anklagebank gehören die zum Krieg drängenden Kräfte, nicht die Friedenskräfte, die seit Bertha von Suttner „Die Waffen nieder!“ rufen und vor Krieg warnen, dringlicher denn je.

5. Die Kriegslogik gegeneinander muss ersetzt werden durch die Friedenslogik miteinander: Deeskalation, Diplomatie, sofortige Einstellung der Kriegshandlungen, Rückzug der Waffen, Verhandlung und Vermittlung zwischen den Konfliktparteien, Schutz und Stärkung des Völkerrechts, Schaffung einer europäischen und globalen Friedensarchitektur unter Einschluss Russlands und Chinas.

6. Statt einer Zeitenwende für Aufrüstung und Krieg braucht die Welt eine Zeitenwende für Abrüstung und Frieden, für gemeinsame Sicherheit im Haus Europa, für Nachhaltigkeit und die Lösung der globalen Probleme auf unserem Planeten.


[1] https://www.sipri.org/commentary/blog/2022/explainer-proposed-hike-german-military-spending?utm_source=phpList&utm_medium=email&utm_campaign=SIPRI+Update+April+2022%3A+New+military+expenditure+data%2C+Stockholm+Forum+registration%2C+impact+of+war+in+Ukraine+on+food+security%2C+and+more&utm_content=HTML

Petition: Eskalationsspirale stoppen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben eine Petition gestartet, um die Eskalationsspirale zu stoppen.

Scientists have launched a petition to stop the escalation spiral.

An english verison of the petition text is here.

Petition: Eskalationsspirale stoppen

Wir sind PhysikerInnen, MitarbeiterInnen in nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen. Wir sind stolz auf unsere internationalen Kontakte und Kooperationen und wir sind stolz darauf, die wissenschaftliche Zusammenarbeit auf der ganzen Welt als Initiative zum Frieden zu fördern.

Wir verurteilen den Krieg gegen die Ukraine auf das Schärfste und fordern, dass dieser Krieg sofort beendet wird. Wir sind angewidert von Kriegsverbrechen und fordern einen sofortigen Waffenstillstand. Wir sind schockiert über Gedankenspiele eines Dritten Weltkriegs, und wir verurteilen alle nuklearen Bedrohungen nachdrücklich.

Diese Eskalationsspirale muss jetzt gestoppt werden!

Die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit russischen und belorussischen Institutionen wurde in vielen westlichen Ländern ausgesetzt. Dazu gehört der Ausschluss von WissenschaftlerInnen mit russischer und belorussischer Zugehörigkeit von Experimenten, die über Jahrzehnte zusammen aufgebaut wurden, und aus anderen gemeinsamen wissenschaftlichen Projekten sowie die Aussetzung gemeinsamer Publikationen. Offene internationale Konferenzen und Workshops können nicht mehr zusammen durchgeführt werden.  Diese Beschränkungen werden gemeinnützigen, nichtmilitärischen und non-dual-use Bereichen auferlegt, die in der Vergangenheit als Brücken zwischen Nationen errichtet wurden. Die Beschränkungen betreffen die friedliche Forschung im Allgemeinen und werden Menschen auferlegt, die nicht für diesen Krieg verantwortlich sind, was außerdem auch gegen die gute wissenschaftliche und moralische Praxis verstößt.

Die Sanktionen, die gegen WissenschaftlerInnen verhängt werden, sind kontraproduktiv, sie üben keinen Druck auf die russische Regierung aus, sondern machen die Kommunikation zwischen WissenschaftlerInnen schwierig und in einigen Fällen unmöglich. Sie betreffen oft KollegInnen, die unsere Verurteilung des Krieges teilen und ihr eigenes Wohlergehen gefährdet haben, indem sie ihre Meinung öffentlich geäußert haben. Diese Sanktionen werden nicht dazu beitragen, einen Waffenstillstand zu erreichen oder den Konflikt zu lösen. Im Gegenteil, diese Maßnahmen werden russische und belorussische WissenschaftlerInnen isolieren und von internationalen Diskussionen, in der Wissenschaft und anderswo entkoppeln.

Unsere wissenschaftliche Forschung konzentriert sich auf grundlegende Fragen von allgemeinem Interesse. Die wissenschaftliche Zusammenarbeit sollte über politische Grenzen hinweg offen bleiben und nicht politischen Zielen untergeordnet werden.

Wir fordern die Direktorien von Forschungseinrichtungen, RektorInnen von Universitäten, wissenschaftlichen Akademien, LeiterInnen experimenteller Kooperationen, OrganisatorInnen wissenschaftlicher Treffen und Mitglieder wissenschaftlicher Ausschüsse auf:

  • Die Sanktionen gegen WissenschaftlerInnen aufzuheben, da die Wissenschaft unabhängig von politischen Interessen sein muss und solche Sanktionen den Kommunikationskanälen schaden, die dazu beitragen können, eine friedliche Welt zu erreichen;
  • Weiterhin nichtmilitärische und friedliche wissenschaftliche Projekte zu fördern, die den ethischen Grundsätzen der Wissenschaft entsprechen und der guten wissenschaftlichen Praxis folgen;
  • Weiterhin gemeinsame wissenschaftliche Veröffentlichungen und die Teilnahme an offenen Konferenzen zu ermöglichen;
  • Aufrechterhaltung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit, um die Entstehung von zusätzlichen Spannungsquellen zu vermeiden, die den Konflikt eskalieren, und ihn auf die wissenschaftlichen und persönlichen Beziehungen innerhalb der Physikgemeinschaft auszudehnen.

Wir wissen um die Komplexität der Situation und den Druck, der auf die wissenschaftlichen Institutionen wirkt, aber wir glauben, dass durch die Umsetzung der oben genannten Punkte angemessene, ausgewogene und vernünftige Ansätze verfolgt werden können, wie sich in der von vielen Organisationen angenommenen Politik widerspiegelt.

Fehlgeleitete Debatte – Klimakrise als Steigbügelhalter der Atomenergie?

von Franz Fujara und Ernst Rößler

Die Klimakrise ist und wird ein zukünftiger Konflikttreiber sein; die Gefahren, die von ihr ausgehen, sind außerordentlich. Bei den Debatten um Anpassung, Technologietransfer und Treibhausgasreduktionen wird jedoch überraschenderweise immer wieder die Atomenergie als mögliche (temporäre) Lösung genannt. Der Beitrag thematisiert die damit einhergehenden Fehlschlüsse und regt dazu an, grundlegender zu denken – gerade auch angesichts des Ukrainekrieges.

Ein Sommer von außerordentlicher Hitze, bisher unbekannter Dürre und europaweiter Waldbrände steckt uns noch in den Knochen. Waren das weitere Boten des Klimawandels infolge der Erwärmung der Erdatmosphäre? Was werden wir erst sagen, wenn wir in Brandenburg kein Getreide mehr anbauen können oder der Rhein nicht mehr schiffbar ist? Sind das die prophezeiten Kipppunkte, nach denen nichts mehr so sein wird wie früher?

UmweltexpertInnen sind nicht überrascht, sie haben es erwartet. Klar ist ihnen auch, dass die notwendige Dekarbonisierung unseres gesellschaftlichen Lebens so schnell wie eben möglich in Angriff genommen werden muss. Denkfabriken haben die Marschrouten bis hin zu den zu erwartenden Kosten festgelegt. Der Nobelpreisträger für Ökonomie, Joseph Stiglitz, verkündete gar: „Der Klimawandel ist unser Dritter Weltkrieg“ (Stiglitz 2019). So war die Hoffnung groß, dass nach 16 Jahren umweltpolitischer Versäumnisse die neue rot-gelb-grüne Regierung die heißen Eisen der Umweltpolitik endlich anpacken würde – und sie hat es im Koalitionsvertrag versprochen.

CO2-Reduktion im Mittelpunkt

Im Mittelpunkt steht die Menge an Kohlendioxid (CO2), dem wichtigsten Treibhausgas, die noch emittiert werden darf. Das seit ca. 250 Jahren[i] durch verstärkte Verbrennung von Kohle, Öl und Erdgas entstandene CO2 sammelt sich in der Atmosphäre an, was den Temperaturanstieg auf der Erde verursacht. Es gibt deshalb nur einen Ausweg, der globalen Überhitzung zu entkommen: Wir müssen die Verbrennung fossiler Energieträger praktisch auf Null zurückfahren. Es wird uns im Wesentlichen nur die Energie der Sonneneinstrahlung (und ihrer sekundären Effekte) bleiben[ii], so wie vor dem Einsatz der Dampfmaschine.

Um den Temperaturanstieg auf noch verträgliche 1,5 bis 2 Grad zu begrenzen, hat der Weltklimarat die für Emissionen noch zur Verfügung stehende Menge an CO2 global ermittelt. Für Deutschland gibt es dazu seitens des Sachverständigenrates für Umweltfragen mehrere Stellungnahmen in den letzten Jahren und auch das Bundesverfassungsgericht zog das CO2-Budget als Maßstab für die Bewertung der Klimapolitik des Bundes heran. Danach bleiben uns noch ca. zwei Milliarden Tonnen CO2, die bis 2027 ausgestoßen werden dürfen. Anders formuliert: Von einem derzeitigen jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von ca. zehn Tonnen CO2 müssen wir auf unter eine Tonne kommen und das bis 2027. Dieses Datum ist verdammt nah und erlaubt keinen Umweg, keine »Übergangstechnologien« und insbesondere kein Weiter-so. Ohne Zweifel eine Herkulesaufgabe!

Veränderte Situation, falsche Reaktionen

Der Ukrainekrieg stellt alle diese Vorhaben und Vorsätze auf den Kopf. Wenn man vor Putins Angriff von einer Notstandssituation sprach, dachte man an den Klimanotstand – eine beträchtliche Zahl von Kommunen riefen ihn übrigens sogar formell aus. Jetzt erfährt dieser Begriff eine völlige Umdeutung: alles dreht sich um die Verteidigung des Status Quo. Trotz drohender Kipppunkte im Erdsystem, trotz Hitze und Dürre wird damit die Abkehr vom bisherigen Wohlstandsmodell und insbesondere von fossilen Energien vertagt. Statt Alternativen voranzubringen wird auf wiederhergestellte Importe über die Pipeline » Nord Stream 1« gehofft, werden Terminals für Flüssiggas ausgebaut und Kohlekraftwerke wieder hochgefahren. Auch ohne den Krieg wäre die Dringlichkeit der Transformation nicht kleiner gewesen und ihre Umsetzung würde der Ukraine sogar eher (unmilitärisch) helfen.

Von der in Deutschland insgesamt aus der Gasverbrennung bereitgestellten Energie geht etwa ein Drittel in die Industrie. Aber es kann doch kein Staatsziel sein, die industriellen Hauptabnehmer von Gas, die Chemie-, die Papier- und die Glasbranche, in ihrer derzeitigen Form unbesehen zu erhalten. Denn wenn mit Hilfe von Gas zu einem großen Teil ökologisch schädliche oder verzichtbare Produkte hergestellt werden, dann muss eine Produktionsumstellung oder gar ein Rückbau dieser Bereiche vorgenommen werden (Meier und Hofmann 2022).

Der größte industrielle Gasverbraucher ist die Chemische Industrie. Ein Teil des Gases wird zur Herstellung von Stickstoffdünger genutzt. Aber war nicht geplant, das Ausbringen von Dünger deutlich zu reduzieren? Von den neun wissenschaftlich etablierten »planetarischen Grenzen« – u.a. Temperatur der Erdoberfläche, Frischwasserversorgung, Ozongehalt der Atmosphäre – überschreiten der jetzt schon eingebrachte Phosphor und Stickstoff die entsprechende Grenze deutlich (siehe Abbildung).

Ein weiterer Teil des Gases wird für die Kunststoffproduktion eingesetzt. Doch brauchen wir die bisherigen Mengen? Die toten Zonen in den Ozeanen werden immer größer, Mikroplastik ist überall. Dabei wäre es beispielsweise ein Leichtes, recyclebare Verpackungen per Gesetz einzuführen.

Entsprechendes gilt für die Glasindustrie. Ein Großteil der Produktion besteht aus Getränkeflaschen und Gläsern für Nahrungsmittel. Eine konsequente Pfandpflicht würde schnell den Gasverbrauch reduzieren.

Noch grundsätzlicher: Wenn unsere Autos, Kühlschränke, Wachmaschinen und Handys langlebiger wären, dann könnte ihre Produktion entsprechend zurückgefahren werden. Hinzukommen könnten kurzfristig umsetzbare Maßnahmen wie eine Beschränkung der Ladenöffnungszeiten, ein begrenzter Gebrauch von Klimaanlagen, Reduzierung der städtischen Beleuchtung usw. – und ein Tempolimit. Allen an der politischen Umsetzung Beteiligten war ohnehin klar, dass der ökologische Umbau strukturelle wie persönliche Kosten verursachen wird, also Sparen angesagt ist.

CO2-Reduktion durch Atomkraft?

Doch jetzt gerät stattdessen sogar der Atomausstieg ins Wanken. Einige sprechen von Streckbetrieb, andere von einer mehrjährigen Laufzeitverlängerung der noch nicht abgeschalteten AKW. Verwegene fordern gar AKW-Neubauten. Solche Forderungen kommen vor allem von denjenigen, die den Ausstiegsbeschluss im Grunde nie wirklich akzeptiert hatten, die den Ausbau der Erneuerbaren Energieträger am wenigsten forciert haben und die jetzt angesichts der Gaskrise die Chance einer »Renaissance der Kernenergienutzung« wittern. Ob die unter Wirtschaftsminister Habeck geplante Streckung des Betriebs zweier AKW das letzte Wort in Sachen Atomenergie ist, bleibt daher fraglich.

Lassen wir im Lichte dieser Debatte die Probleme bzw. vermeintlichen Vorzüge der Atomenergie noch einmal Revue passieren. Die grundsätzlichen BefürworterInnen der Kernenergie bringen dafür im Wesentlichen drei Argumente vor: Atomenergie ist CO2-frei, sicher und lässt auf neue vielversprechende Reaktortypen hoffen.

Beginnen wir von hinten:

Neue Reaktortypen werden seit Jahrzehnten diskutiert, Versuchstypen verschlangen enorme Geldsummen, ihre erfolgreiche Erprobung ist bislang nie gezeigt worden und sie kämen für die Bewältigung der Klimakrise zu spät. Auch die sogenannten »Small Modular«-Reaktoren[iii] werfen mehr neue Probleme auf als sie alte lösen, und die Fusionsenergie käme, wenn überhaupt jemals, viel zu spät.

Die Gefahr einer großen Havarie (GAU) und ihrer Folgen ist weiterhin das größte Problem der Atomenergienutzung, wenngleich sich BefürworterInnen und GegnerInnen in ihrer Beurteilung stark unterscheiden. Festzustellen bleibt aber, dass ein intrinsisch sicherer Reaktortyp nicht existiert und dass die bisherigen Unglücke neben den großen Opfern an menschlichem Leben, Natur und Umwelt exorbitante finanzielle Kosten verursachen. So werden Kosten aller Hinterlassenschaften für die Entsorgung der verstrahlten Abfälle und Gebäude von Fukushima auf mehrere hundert Milliarden US$ geschätzt (Vettese und Pendergras 2022). Unabhängig davon bleiben die gewaltigen Probleme des Uranbergbaus, der zivil-militärischen Ambivalenz und der Endlagerung. Hinzu kommt, dass sich Planung und Bau neuer Atommeiler über Jahrzehnte hinzieht und zu extrem teuren Anlagen führt.

Damit kommen wir zur Frage, wie hoch die tatsächliche CO2-Emission eines AKW ist, und zwar der gesamten technischen Prozesskette, beginnend mit dem bergmännischen Uran-Abbau bis hin zum Endlager und Rückbau. Diese Frage wird in der Öffentlichkeit in der Regel schnell beantwortet: AKW sind CO2-frei, heißt es – dies sei ihr entscheidender Vorteil, um mit der Klimakrise zurechtzukommen! Aber ist das wirklich so?

Die von der IPCC ermittelten Rahmenbedingungen kann man auf die noch zulässige CO2-Menge (in g) pro erzeugter elektrischer Energiemenge (in kWh) herunterrechnen. Klimamodelle kommen für die Einhaltung des 2-Grad-Ziels auf einen nicht zu überschreitenden Emissionswert von ca. 15 gCO2/kWh (Vettese und Pendergras 2022). Um diesen Wert einschätzen zu können, ein Beispiel eines Berliner Wohnblocks mit ca. 20 Wohneinheiten: Der Betrieb der Ölheizung verursacht einen jährlichen Verbrauch von 320.000 kWh, die mit einer Emission von ca. 100 Tonnen CO2 verbunden ist. Das entspricht etwa 300 gCO2/kWh, also einem um den Faktor 20 zu hohen Wert. Zurzeit bietet der Anschluss an die Berliner Fernheizung einen erstaunlich niedrigen Wert von 42 gCO2/kWh an; deutlicher besser, aber noch immer zu hoch.

Den CO2-Wert für den Betrieb eines Atomkraftwerkes über alle Unwägbarkeiten der Prozesskette hinweg abzuschätzen, führt zu einer großen Bandbreite der emittierten CO2-Menge. Ein Literaturüberblick kommt zu einem Mittelwert von 66 gCO2/kWh (Sovacool 2008), das World Information Service on Energy gibt sogar 88-146 gCO2/kWh an (WISE International 2017). Zum Vergleich: Sonnen- und Windenergie kommen auf Werte bis hinunter zu 1 gCO2/kWh (Nugent and Sovacool 2014), das Umweltbundesamt veranschlagt bei Wind 8-11 gCO2/kWh (UBA 2021). Wichtig ist hier, dass bei einem breiten Einsatz von Kernenergie zunehmend auf minderwertige Uranlagerstätten zurückgegriffen werden muss. Entsprechend steigt aber der gCO2/kWh-Wert weiter. Obwohl beim Normalbetrieb der Atommeiler wenig CO2 produziert wird, fällt die Gesamtbilanz im Vergleich zu den nicht-fossilen Energieträgern deutlich negativ aus. Das ist übrigens beim Elektroauto sehr ähnlich. Die reine Produktion des Autos führt zurzeit zu einer CO2-Emission von mehr als zehn Tonnen. Unser persönliches CO2-Guthaben wäre für die nächsten zehn Jahre verbraucht.

Es bleibt die Frage, warum uns nach Ansicht der BefürworterInnen nicht ein »kleines Strecken« der Laufzeit, bis die zurzeit installierten Brennstäbe endgültig abgebrannt sind, weiterhilft. Dies würde ja die Endlager praktisch nicht mehr belasten, und der weitgehend sichere etwas längere Betrieb könnte wahrscheinlich gewährleistet werden. Das wären durchaus nachvollziehbare Argumente, wenn tatsächlich der endgültige Ausstieg nicht infrage gestellt würde – woran, wie gesagt, aber Zweifel aufkommen. Schon der Streckbetrieb – wie übrigens sogar die Notfallvorhaltung – bedürfen einer Gesetzesänderung, die dazu genutzt werden könnte, den Wiedereinstieg in die Atomkraft zu erreichen.

Ernsthafte Antworten suchen

Es sollte klar geworden sein, dass es genügend schnell wirkendes Spar- bzw. ökologisch sogar notwendiges Reduktionspotential gibt, dessen Umsetzung gerade nicht durch Einsatz von Atomenergie verzögert werden darf. Nochmal: Der Um- bzw. Rückbau der Wirtschaft war von der neuen Regierung versprochen, der Krieg in der Ukraine ändert daran nichts. Die jetzt vorgenommenen Investitionen in fossile Infrastruktur sind fehl am Platz. Letztendlich zeigen sie, dass man die Klimakrise noch immer nicht ernst nimmt.

All dies verdeutlicht, wie schwer es der Demokratie fällt, die von der Wissenschaft aufgezeigten planetarischen Grenzen umzusetzen. Wir wissen zwar um ihre Notwendigkeit für unser Überleben, sind aber nicht in der Lage, zugunsten unserer langfristigen Überlebensinteressen auf kurzfristige Vorteile zu verzichten. Kognitive Dissonanzen werden verdrängt; man greift zur scheinbar einfachsten Lösung, jetzt der Atomenergie, damit sich nichts ändert. Zu welchen Ausflüchten werden wir greifen, wenn große Teile Deutschlands im Sommer nicht mehr bewohnbar sind, wenn der Meeresspiegel steigt und wenn schließlich die Lebensmittel knapp werden? Werden wir dann dem modernistischen Reflex folgen und uns auf das irrsinnige Abenteuer des »geo-engineering« einlassen, d.h. die Erdatmosphäre durch Eintrag von reflektierenden Partikeln zu managen – und für immer in das Grau des aerosolgetrübten Himmels blicken?

Angesichts der Widersprüchlichkeit, ja Irrationalität unserer Lebensführung stellt sich die grundsätzliche Frage, wie eine demokratisch verfasste Gesellschaft dem Klimawandel begegnen kann. Denn sie ist zu tiefst verwurzelt in einem System, das durch billige Energie und den materiellen Überfluss stabilisiert wird. Unser Wirtschaftssystem kennt nur Wachstum, und Wachstum bedeutet erhöhten Ressourcennachschub, insbesondere vom Globalen Süden in den Norden. »Überfluss und Freiheit« (Charbonnier 2022) – Freiheit im Sinne der Unabhängigkeit von Naturzwängen hängen in der Neuzeit zusammen und dafür gibt es im Anthropozän, im Zeitalter der Kollision der menschlichen mit den planetarischen Geschichte, keine einfache Grundlage mehr.

Literatur

Charbonnier, P. (2022): Überfluss und Freiheit: Eine ökologische Geschichte der politischen Ideen. S. Fischer.

Gabrielli, P., et al. (2020): Early atmospheric contamination on the top of the Himalayas since the onset of the European Industrial Revolution. PNAS 117, S. 3967-3973.

Meier, K. und Hofmann, C. (2022): Ist ohne Gas unser Wohlstand in Gefahr? Oder nur der schlechte Status Quo? Der Freitag 30/2022.

Nugent, D. und Sovacool, B.K. (2014): Assessing the life cycle green house gas emissions from solar PV and wind energy: Acritical meta-survey. Energy Policy 65, S. 229–244.

Pistner C. et al. (2021): Sicherheitstechnische Analyse und Risikobewertung einer Anwendung von SMR-Konzepten (Small Modular Reactors). BASE-Forschungsbericht, 17. März 2021.

Sovacool, B.K. (2008): Valuing the greenhouse gas emissions from nuclear power: A critical survey. Energy Policy 36, S. 2950-2963.

Steffen, W., et al. (2015): Planetary boundaries: Guiding human development on a changing planet. Science 347, 1259855.

Stiglitz, J. (2019): The climate crisis is our third world war. It needs a bold response. The Guardian, 4.6.2019.

UBA (2021): Aktualisierung und Bewertung der Ökobilanzen von Windenergie- und Photovoltaikanlagen unter Berücksichtigung aktueller Technologieentwicklungen. Umweltbundesamt , Climate Change 35/2021.

Vettese, T. und Pendergras, D. (2022): Half-earth socialism: A plan to save the future from extinction, climate change and pandemics. Verso.

WISE International (2017): Climate change and nuclear power. An analysis of nuclear greenhouse gas emissions. Studie im Auftrag des WISE.

Franz Fujara ist pensionierter Experimentalphysiker der TU Darmstadt (fujara@physik.tu-darmstadt.de). Seine Forschungsthemen liegen in der Neutronenforschung, der Kernspinresonanz und im Bereich der zivil-militärischen Ambivalenz nuklearer Technologien.

Ernst Rößler ist pensionierter Experimentalphysiker der Universität Bayreuth (ernst.roessler@uni-bayreuth.de). Seine Forschung untersuchte molekulare Gläser mit Hilfe der dielektrischen und kernmagnetischen Spektroskopie.


[i]      Analysen mehrerer Eisbohrkerne aus Himalaya-Gletschern erlauben die Luftverschmutzung in einem Zeitraum von 1499-1992 zu dokumentieren. Danach ist der Gehalt von Schwermetallen im Eis ab ca. 1780 deutlich angestiegen. Weil diese Schwermetalle bei der Verbrennung von Kohle entstehen und diese fossilen Brennstoffe damals in Asien noch nicht genutzt wurden, ist Europa dafür verantwortlich (Gabrielli et al. 2020).

[ii]    Neben der direkten Sonnenenergienutzung (Photovoltaik, Solarthermie) zählt dazu auch die Wind- und Wasserenergie sowie die Energie aus Biorohstoffen. Von anderer Natur sind die Geothermie und die Gezeitenenergie.

[iii]   »Small Modular Reactors« (SMR) werden seit den 1950er Jahren vor allem als U-Boot-Reaktoren gebaut. Sie werden wegen ihrer Kleinheit als zukünftige Alternative zu den heutigen großen Kernkraftwerken propagiert. Ein BASE-Forschungsbericht setzt sich kritisch mit der zivilen Anwendung von SMR-Konzepten auseinander (Pistner 2021).

Abbildung:

Planetarische Grenzen, „P“ und „N“ stehen für Phosphor bzw. Stickstoff (nach Wikipedia: J. Lokrantz/Azote, basierend auf Steffen et al. 2015).


Vorabdruck. Dieser Text erscheint hier mit freundlicher Genehmigung durch die Redaktion der Zeitschrift Wissenschaft und Frieden (W&F) vorab. Der Text erscheint in der kommenden Ausgabe 4/22

Stoppen wir die Ratifizierung von CETA!

Eine gemeinsame Erklärung der deutschen und kanadischen Zivilgesellschaft

Anlässlich der Kanadareise von Bundeskanzler Olaf Scholz und im Vorfeld der angekündigten Ratifizierung des Handels- und Investitionsschutzabkommens zwischen der EU und Kanada (CETA) durch den deutschen Bundestag bringen wir – Gewerkschaften, Menschenrechts-, Umwelt- und weitere gesellschaftliche Organisationen – unsere anhaltende Ablehnung gegenüber CETA zum Ausdruck; denn CETA schützt einseitig Konzerninteressen, indem es demokratische Willensbildung untergräbt und wirksame Politik zum Schutz von Klima, Umwelt und dem Sozialen verhindert. 

Während die meisten Vertragsbestandteile von CETA in Europa und Kanada seit fast fünf Jahren vorläufig angewendet werden, gilt dies nicht für die umstrittenen Bestimmungen zum Investitionsschutz. Diese Bestimmungen sowie die geplante Schaffung einer Sondergerichtsbarkeit (Investment Court System, ICS) würden ausländischen Investoren exklusiv das Privileg einräumen, Staaten vor einem privaten Schiedsgericht statt vor nationalen Gerichten zu verklagen sobald sie erwartete Profite durch Gesetzgebung beeinträchtigt sehen. Diese Sondergerichtsbarkeit für private Investoren würde nur dann geschaffen, wenn die Parlamente aller EU-Mitgliedstaaten CETA ratifizieren.

Die geplante Sondergerichtsbarkeit ICS stellt, wie jedes andere Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren (investor–state dispute settlement, ISDS) eine immense Bedrohung für die souveräne Politikgestaltung durch Parlamente dar, beispielsweise bei der Bekämpfung der Klimakrise, der Anhebung von Sozial- oder Umweltstandards. ISDS-Mechanismen wurden auch von kanadischen Unternehmen bereits mehrfach eingesetzt, um demokratisch beschlossene Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen zu untergraben. So drohte das kanadische Unternehmen Vermilion Energy mit einer milliardenschweren ISDS-Klage, um ein französisches Gesetz aus dem Jahr 2017 zu blockieren, das die Förderung fossiler Brennstoffe bis 2040 beenden sollte. Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie ISDS-Mechanismen wirksame Klimaschutzmaßnahmen und den Ausstieg aus fossiler Energie verhindert haben und weiterhin verhindern werden.

Deutsche Regierungsparteien haben kürzlich angekündigt, CETA mit einer Interpretationserklärung zum Investitionsschutzkapitel ratifizieren zu wollen.

Die unterzeichnenden Organisationen aus Deutschland und Kanada verurteilen dieses Vorgehen und weisen erneut darauf hin, dass es keine Rechtfertigung für die Schaffung einer Sondergerichtsbarkeit für Investorenrechte gibt – mit oder ohne Auslegungserklärung, welche sowieso keine oder nur geringe Auswirkungen auf zukünftige ISDS-Schiedsverfahren hätte.

Die geplante vollständige Ratifizierung von CETA würde zudem die gefährlichen und einseitigen Sonderrechte für Investoren massiv ausweiten. Nicht nur kanadische und europäische Investoren wären klageberechtigt, sondern z.B. auch US-Konzerne mit Tochtergesellschaften in Kanada und in Europa. 

Im krassen Gegensatz zu diesen einklagbaren Rechten sieht CETA keinerlei Verpflichtungen für Investoren vor. Ebenso wenig ermöglicht das Abkommen Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden oder Gewerkschaften, Klage zu erheben, wenn ein Unternehmen gegen Umwelt-, Arbeits-, Gesundheits-, Verbraucherschutz oder andere Vorschriften verstößt.

In einem Abkommen zwischen der EU und Kanada sind Sondergerichte für Konzerne völlig überflüssig, denn Investoren in beiden Ländern können ihre Rechte ja vor nationalen Gerichten geltend machen, so wie jeder andere auch. Es gibt keinen Grund, warum Investoren ein spezielles und exklusives Gericht für sich bräuchten – eines, das in der Vergangenheit häufig zugunsten von Konzernen und gegen Staaten entschieden hat. Dieses Schiedssystem ist in einem Abkommen unter Freunden nicht nur unnötig, sondern brandgefährlich!

Angesichts der Klima- und Energiekrise würde die vollständige Ratifizierung von CETA einer Transformation unserer Volkswirtschaften und dem Ausstieg aus fossilen Energien nur Steine in den Weg legen. Denn die Einführung von Sonderrechten für Konzerne käme vor allem den Öl-, Gas- und Rohstoffunternehmen zugute. Wenn wir unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen schnell beenden wollen, darf die CETA- Sondergerichtsbarkeit für Investoren auf keinen Fall eingeführt werden.

Sonderrechte für Konzerne sind ein Relikt des 20. Jahrhunderts, das der Lösung der drängendsten Probleme des 21. Jahrhunderts im Wege steht. Stattdessen brauchen wir einen Paradigmenwechsel hin zu einer Handelspolitik, die die Interessen der Menschen und des Planeten in den Vordergrund stellt. Mit der Ratifizierung von CETA würden wir uns von dieser dringend notwendigen Entwicklung weit entfernen. 
 
Wir fordern daher die Verantwortlichen auf, den CETA-Ratifizierungsprozess zu stoppen! Keine Sonderrechte für Investoren! Schützen wir Menschen und das Klima, nicht die Profite von Konzernen.

Picture by M0tty

Alles über Bord werfen? Friedenswissenschaft und Friedensbewegung im Kontext des Ukrainekrieges

von Melanie Hussak und Jürgen Scheffran

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg von Russland in der Ukraine hat die Koordinaten der internationalen Ordnung durcheinandergewirbelt. Glaubt man der Darstellung in Massenmedien und Regierungspolitik, herrscht zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg wieder Krieg in Europa, ungeachtet der Kriege in Jugoslawien und der ehemaligen Sowjetunion nach 1990. Es wird der Eindruck erweckt, die liberale Weltordnung habe über drei Jahrzehnte den Frieden in der Welt gesichert und wurde nun plötzlich durch einen skrupellosen Diktator aus dem Dornröschenschlaf gerissen. Unter dem Diktat der ausgerufenen »Zeitenwende«, in der alles von der Kriegslogik beherrscht wird, seien frühere Gewissheiten über Krieg und Frieden obsolet oder naiv geworden. Gehört die Friedenspolitik insgesamt auf den Prüfstand?