NatWiss veröffentlicht hier den Brandbrief von Hans-Ulrich Oberländer und Dr. Christoph Körner, der bereits vor 2,5 Jahren entstanden war und nun anlässlich des Ukraine-Krieges „nachgeschärft“ wurde.
Es reicht für den Triumphzug des Bösen, wenn die Guten nichts tun.
Edmund Burke (1729 – 1797)
Der wohl einzige denkbare Vorgang zur menschengemachten totalen Vernichtung des Lebens auf unserem Planeten ist das Nukleare Ereignis. Es tritt nach der Zündung von eintausend, möglicherweise bereits zweihundert nuklearen Sprengköpfen bei angenommen durchschnittlicher vierfacher Sprengwirkung der Hiroshima-Bombe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein. Am Tag nach „dem nuklearen Schlagabtausch“ – er könnte sich nach verselbständigter Eskalation eines militärischen Konflikts urplötzlich ausgelöst, innerhalb eines Tages vollziehen. Dann lässt sich die Menschheit in drei Kategorien einteilen: Erstens diejenigen, die verdampft oder verglüht sind, zweitens diejenigen, die innerhalb eines Monats einen qualvollen Strahlentod erleiden, drittens diejenigen, die innerhalb eines Jahres verdursten, verhungern oder erfrieren. Niemand entgeht diesem Schicksal. Es ist das Ende der Menschheitsgeschichte. Es gibt keine Nachgeborenen und keine Zukunft.[1]
Mit Ende des Kalten Krieges in 1991 atmete die Menschheit auf und hoffte auf eine Ächtung sämtlicher Nuklearwaffen auf Basis abgeschlossener oder abzuschließender Vereinbarungen. Doch die Realität entwickelte sich anders: In 2016 betrug die geschätzte Zahl einsetzbarer Nuklearwaffen 15.400, verteilt auf neun Staaten und weiterer im Status „nuklearer Teilhabe“, zu denen auch Deutschland zählt.[2] Nach aktueller Einschätzung droht nicht nur ein neues nukleares Wettrüsten. Think Tanks wie The Atlantic Council entwickelten sogar Erstschlagoptionen.[3] Nicht zu vergessen, dass Kernkraftwerke durch konventionelles Bombardement, Lenkrakete oder Cyberangriff problemlos zur Kernschmelze gebracht werden können. Damit lassen sie sich zur weithin tödlich strahlenden Supermine umfunktionieren, was Hacker ermuntern könnte, hiermit Staaten zu erpressen. Auch besteht die Gefahr, dass durch ein oder mehrere so in die Kernschmelze geratene KKW ein schwelender Konflikt in angespannter Atmosphäre einen mit Nuklearwaffen geführten Krieg auslöst.
Das „nukleare Böse“ verfolgt seinen skrupellosen Weg atomarer Hochrüstung, gepaart mit auch von Medien gestütztem Erzeugen von Feindbildern – ungeachtet von Protesten, Demonstrationen oder zivilem Ungehorsam. Bedauert wird, dass der in 2017 vor der UNO von 122 Staaten unterzeichnete Vertrag zum Verbot von Nuklearwaffen quasi ohne Auswirkungen auf die Weltpolitik blieb. Es entzieht sich jeglicher auf Vernunft gegründeten Logik, warum das gegenwärtig etablierte gewaltbasierte Sicherheitsdenken nicht als pervertiertes Gegenteil von Sicherheit entlarvt wird. Denn es provoziert die atomare Apokalypse, statt sie abzuwenden.
Was kann getan werden?
Als einziger Ausweg wird die gewaltfreie – Annektionsduldung[4] als ultima ratio einschließende – Konfliktbearbeitung gesehen, die militärische Entrüstung und Paktfreiheit ermöglicht. Diesen Weg anerkennende Staaten schließen sich zu einer Allianz zusammen. Bis auf mit leichten Waffen ausgestattete Polizeieinheiten entrüsten sie sich vollständig und lösen ihr Militär auf. Der Sanftmacht von Gewaltfreiheit dürfte das militärisch-industriell-politische Böse nichts entgegensetzen können, glauben wir. Es muss eine Kultur des Friedens gewagt werden – bevor es zu spät ist. Wichtig zu wissen: Jegliche als Verteidigungsmaßnahme verbrämte militärische Strategie würde die der Gewaltfreiheit innewohnende Kraft schwächen.
Zur Umsetzung wird eine klug organisierte internationale Bewegung mit EU-Staaten als Impulsgeber mit dem Ziel einer Allianz entmilitarisierter Staaten gebraucht. Deutschland sollte dazugehören beziehungsweise diese initiieren.
Wir protestieren gegen die gegenwärtige auf Gewalt oder Androhung von Gewalt gegründete Sicherheitspolitik. Wir fordern die Auflösung der NATO[5], die durch den Austritt und Entschluss von Mitgliedsländern zur Paktfreiheit (Neutralität) eingeleitet werden könnte. Wir fordern die Umgestaltung der Bundeswehr in eine Institution für Peacemaker und Katastrophenschutz sowie Beendigung der Rüstungsproduktion.[6] Teilnehmerstaaten mit Kernkraftwerken auf ihrem Territorium müssen ein akzeptables Ausstiegskonzept aus der Atomstromerzeugung vorweisen.
Wir hoffen und erwarten, dass sich weitere Personen und Institutionen unserem Protest anschließen und sich zwecks geeigneter Maßnahmen vernetzen.
Hans-Ulrich Oberländer, Kulturbürgernetz e.V., h-u.oberlaender@gmx.de
Dr. Christoph Körner, Christen für gerechte Wirtschaftsordnung, christoph.koerner@web.de
Jena, Erlau, im August 2019, März
2022 anlässlich Ukraine-Überfall „nachgeschärft“
[1] Beim NE/Nuklearen Ereignis ist es unerheblich, ob auf einen Erstschlag noch ein Gegenschlag folgt. Keine Zukunft belegen eindrücklich die amerikanischen Spielfilme „Das letzte Ufer“ (1959), „Der Tag danach“ (1983), antiquarisch über Amazon beziehbar oder im mp4-Format bei den Briefautoren ausleihbar. Das angestrebte Filmprojekt einer „aktuell angepassten“ Version ist leider an mangelnder Sensibilisierung & ehrenamtlichem Engagement dazu Angesprochener (Drehbuch, Regie) gescheitert.
[2] Die Überlegungen/Einsichten von Günther Anders in „Die atomare Drohung“, München 1981, Hoimar v. Ditfurth „So laßt uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen. Es ist so weit“, Hamburg 1985, Wolfgang Sternstein „Endzeit. Hoffnung und Widerstand im Atomzeitalter“, Pliezhausen 2017, Michail Gorbatschow „Kommt endlich zur Vernunft – nie wieder Krieg!“, Benevento Publishing 2017, sollten zur Pflichtlektüre jedes ernsthaft Friedensbewegten zählen.
[3] Zu finden u.a. in „Das Atomwaffenkartell – Ende der Abrüstung?“, ARD 5.8.19, abrufbar in Mediathek unter „Atomwaffenkartell“. Friedensbesorgte können sich selbst eine Meinung zur lebensverach-tenden Skrupellosigkeit von dort Interviewten bilden. Unseres Erachtens bleibt in der Dokumentation neben dem militärisch-industriellen Komplex als verstärkende Gefahrenkomponente die hegemoniale Machtsucht politischer Entscheidungsträger weitgehend ausgeblendet.
[4] Als organisierter gewaltfreier Widerstand, wie von Mohandas K. Gandhi, Theodor Ebert entwickelt, praktiziert
[5] In „Illegale Kriege. Wie die Nato-Länder die UNO sabotieren“; orell füssli 2018 enthüllt der Schweizer Historiker Daniele Ganser, dass es sich bei der NATO um kein Verteidigungsbündnis handelt, sondern um einen von den USA dominierten Militärpakt, der sowohl die Eskalation von Konflikten als auch Kriege zu verantworten hat.
[6] Streng kontrollierte Ausnahme: leichte Waffen für Polizei, Jagd, Sport