Der Göttinger Friedenspreis wurde am Samstag, den 9.3.2019 in einer privaten Galerie in Göttingen an den Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ verliehen. Die Preisvergabe war im Vorfeld heftig kritisiert worden. Unter anderen hatten Josef Schuster (Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland) und Felix Klein (Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung) den Verein als antisemitisch kritisiert und dies mit einer Nähe zur BDS-Kampagne (Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen) begründet.
Wegen der Vorwürfe zogen die Universität, die Stadt und die Sparkasse in Göttingen ihre Unterstützung für die Preisverleihung zurück. Die Preisverleihung konnte auch nicht wie gewohnt in der Universität stattfinden.
Andreas Zumach, der Vorsitzende der Jury des Göttinger Friedenspreises, äußerte sich ausführlich zu den Vorwürfen (https://www.juedische-stimme.de/2019/02/15/stellungnahme-des-vorsitzender-der-jury-zu-kritik-an-dem-preistraeger-die-juedische-stimme/) und bat in einer Email vom 14.02. um solidarische Stellungnahmen, die an den Oberbürgermeister Köhler, die UNI-Präsidentin Beisiegel, den Sparkassenvertreter sowie an die Vorstände der preisvergebenden Stiftung und des Kuratoriums, Hans-Jörg Röhl und Goetz Neuneck geschickt werden sollten.
Die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative verfasste darauf folgende Stellungnahme, die an die entsprechenden Personen geschickt wurde und wir hier dokumentieren:
NaturwissenschaftlerInnen-Initiative „Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit“
Stellungnahme zur Verleihung des Göttinger Friedenspreises 2019 an die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“Die Konferenz von Warschau zum Nahen und Mittleren Osten am 14./15. Februar 2019 hat noch einmal verdeutlicht, wie groß die Kriegsgefahren und Rüstungsanstrengungen in der Region sind. Für alle am Frieden interessierten und engagierten Menschen und Organisationen ist es notwendig, eine Mitwirkung an Kriegsvorbereitungen, Menschenrechtsverletzungen und Okkupationen in der Nahost-Region zu kritisieren. Gerade deutsche Organisationen haben aufgrund der historischen Rolle Deutschlands in Weltkrieg und Holocaust eine besondere Verantwortung, immer wieder Kritik an Kriegen und Kriegsvorbereitungen zu üben.
Die „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden e.V.“ hat diese grundsätzliche Kritik seit Jahren engagiert, couragiert und in Übereinstimmung mit Friedenskräften in Israel geäußert. Die Verleihung des Göttinger Friedenspreises 2019 ist deshalb eine berechtigte Anerkennung und Auszeichnung der Jüdischen Stimme für ihren Beitrag zum Frieden in Nahost.
Immer wieder wird aktive Friedensarbeit in der Region mit dem Vorwurf des „Antisemitismus“ diskreditiert, selbst wenn es sich um jüdische Organisationen und ihre Unterstützer handelt. Dies widerspricht einer offenen Debatte und beeinträchtigt das aktive Engagement für Menschenrechte und Frieden. Historische Ereignisse werden aus historischen Kontexten gerissen und zur Durchsetzung aktueller Interessen eingesetzt.
Eine gesellschaftliche Auseinandersetzung darüber ist notwendig und wird auch in der jüdischen Gemeinschaft geführt. Während der Zentralrat der Juden in Deutschland dazu auffordert, sich von der Preisverleihung zu distanzieren und die Entscheidung zu revidieren, kritisieren mehr als 90 jüdische Intellektuelle in einem offenen Brief die Vorwürfe gegen die Jüdische Stimme und rufen die deutsche Zivilgesellschaft auf, die freie Meinungsäußerung jener zu gewährleisten, die sich gegen die Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung wenden.
Der Vorsitzende der Jury des Göttinger Friedenspreises, Andreas Zumach setzt sich in einer Stellungnahme mit den Vorwürfen gegen die Preisverleihung an die Jüdische Stimme detailliert und sachlich auseinander. Wir halten diese Ausführungen für überzeugend und bitten den Oberbürgermeister und die Präsidentin der Universität, dem Druck gegen die Preisverleihung nicht nachzugeben. Wir sind überzeugt, dass damit den Zielen von Frieden, Versöhnung, Abrüstung und gemeinsamer Sicherheit nicht gedient ist. Zugleich unterstützen wir eine umfassende Debatte, die die gesellschaftlichen Wurzeln des Antisemitismus bekämpft und dafür sorgt, dass die zum deutschen Faschismus führenden Entwicklungen sich nie wiederholen.
Weitere Stimmen, Stellungnahmen sowie die Reden der Preisvergabe sind auf der Webseite des Vereins „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ dokumentiert: www.juedische-stimme.de