Rheinmetall entrüsten! Stoppt das Geschäft mit dem Krieg! Rüstungsexporte stoppen!

NatWiss unterstützt die Proteste von „Rheinmetall entrüsten!“ am 09.05.2023 in Düsseldorf .

Aufruf

Die Geschäfte der Waffenschmiede Rheinmetall laufen bestens. Die Aktionäre sollen statt 3,30 pro Aktie in 2022 dieses Jahr eine Rendite je 4,30 Euro erhalten. Der Wert der Aktie hat sich seit der „Zeitenwende“-Rede von Olaf Scholz fast verdreifacht! Massive Zunahmen bei der Rüstungs- und Munitionsproduktion machen dies möglich. Rheinmetall rechnet mit dem Erhalt von 38 Milliarden Euro aus der 100-Milliarden-Sonderverschuldung des Bundes in den nächsten Jahren. Nach dem Kampfpanzer „Leopard“ soll jetzt der „Panther“ vom Band laufen. Panzer für mehr Krieg und mehr Tote.

In der Ukraine will Rheinmetall eine neue Panzerfabrik für das neueste Modell „Panther“ aufbauen. Auch in Ungarn soll demnächst eine Fabrik für den Panzertyp „Lynx“ die Produktion aufnehmen.

Jüngst wurde außerdem bekannt, dass sich Rheinmetall an der Herstellung von Teilen für die USamerikanischen F 35-Tarnkappen- Mehrzweckkampfflugzeuge beteiligen will, von denen die Bundesregierung bereits 35 Exemplare bestellt hat. Die F-35 sind die neuen Trägersysteme für die modernisierten US-amerikanischen Atombomben-B61-12, die am Atomwaffenstandort Büchel stationiert werden. Rheinmetall soll laut Medienberichten mit den US-Unternehmen Lockheed Martin und Northrop Grumman eine Kooperation vereinbart haben und die Rumpfteile der F-35 herstellen. Als Produktionsstandort dafür sei Bremen im Gespräch.

Zudem sieht sich Rheinmetall erneut mit einer Strafanzeige der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ konfrontiert – wegen möglicher Beihilfe zu Kriegsverbrechen im Jemen. Der dringliche Verdacht: Rheinmetall Defence soll Kriegsschiffe der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) mit Marinegeschützen nachgerüstet haben, die bei der Seeblockade des Jemen eingesetzt wurden. Dabei sollen auch zivile Versorgungsschiffe aufgehalten worden sein. Die dadurch mitverursachte humanitäre Krise gilt als eine der größten der Gegenwart. Es besteht der Verdacht, dass die Kriegsparteien Hunger bewusst als Kriegswaffe eingesetzt haben. Der Generalbundesanwalt hat mittlerweile ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet.

Die Aktionär*innen von Rheinmetall profitieren also nach wie vor von Rüstungsexporten in Kriegs- und Krisengebiete. Auch wenn die Bundesregierung diese genehmigt, trägt das Unternehmen die Verantwortung für diese Exporte und die tödlichen Folgen.

Wir fordern:

  • von den Aktionär*innen, ihre Blutaktien abzugeben, den Gewinn für humanitäre Zwecke zur Verfügung zu stellen und den Vorstand nicht zu entlasten;
  • vom Rheinmetall-Vorstand, auf alle Rüstungsexporte zu verzichten, die Beteiligung am neuen Atombomber F-35 einzustellen und die Produktion auf zivile Güter umzustellen;
  • von Bundesregierung und Bundestag, ein striktes Rüstungsexportkontrollgesetz zu beschließen, das die Ausfuhr von Rüstungsgütern in Kriegs- und Krisenregionen verbietet und Lücken schließt, die es zum Beispiel Rheinmetall gegenwärtig noch ermöglichen, deutsche Exportregelungen zu umgehen.

Für diese Forderungen setzen wir uns mit unserer Demonstration am 9. 5. ein. Kommt nach Düsseldorf und demonstriert gemeinsam mit uns!

Rüstungsatlas Hessen

In Artikel 69 der Hessischen Verfassung heißt es unmissverständlich:
„Hessen bekennt sich zu Frieden, Freiheit und Völkerverständigung.
Der Krieg ist geächtet. Jede Handlung, die mit der Absicht
vorgenommen wird, einen Krieg vorzubereiten, ist verfassungswidrig.“

Die Realität in Hessen sieht anders aus. Hier ansässige Rüstungskonzerne
schmieden Waffen, die in Kriegs- und Krisengebieten
zum Einsatz kommen, Auslandseinsätze der Bundeswehr
werden vorbereitet und an Hochschulen militärische Forschungen
betrieben.

Quo vadis, Friedensforschung?

herausgegeben von Malte Albrecht, Sabine Jaberg, Christiane Lammers, Werner Ruf und Jürgen Scheffran

2022 war ein Jahr, in dem Friedensund Konfliktforschung in besonderer Weise gefordert war. Kein Krieg in der jüngeren Vergangenheit hat die bundesdeutsche Öffentlichkeit so anhaltend und folgenreich geprägt und gespalten, wie der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Neben die einhellige Verurteilung des Krieges tritt die Kontroverse um Ursachen und politischen Umgang mit dem Krieg: Hat die NATO wesentlich dazu beigetragen, dass der Konflikt eskaliert ist? Muss die Ukraine militärisch unterstützt werden? Soll Russland „ruiniert“ (Baerbock) werden? Soll der Krieg schnellstmöglich durch Verhandlungen beendet werden?

Das jährliche Friedensgutachten, eine Gemeinschaftsproduktion der großen Forschungsinstitute in Deutschland, sorgte sowohl in der friedensbewegten als auch der friedenswissenschaftlichen Community für Irritationen. Medial wurden vor allem dessen Legitimierung von Waffenlieferungen und die Warnung vor einem Atomkrieg kolportiert. Das Friedensgutachten hat damit die Möglichkeit weitgehend verpasst, das öffentliche Wissen um die Ursachen und die zivile Beendigung von Kriegen in der Debatte zu stärken.

Das nun vorliegende Dossier ist ein Ergebnis dieser Irritation und anschließender Diskussionen über die Frage nach Möglichkeiten, Limitierungen und Abhängigkeiten heutiger Friedensforschung. Die versammelten Beiträge sollen eine Inspiration für wissenschaftlich und politisch engagierte Menschen gleichermaßen sein, die engen Grenzen des Bestehenden für friedenslogische Argumentationen zu öffnen.

Die Energiewende als Beitrag zur Resilienzstärkung und Friedenssicherung in Europa

Der Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine droht die menschengemachte Erderhitzung und die Gestaltung einer klimagerechten Zukunft aus dem Blick geraten zu lassen. Wir führen in diesem Diskussionsbeitrag aus, welche Probleme sich aus der aktuell verfolgten Energiepolitik ergeben haben und welche sich daraus zukünftig ergeben können. Weiterhin argumentieren wir, dass eine konsequente Wende der Europäischen Union zu einer dezentralen, regenerativen Energieversorgung ein entscheidender Baustein zur europäischen Sicherheit und ein wichtiger Beitrag zu einer nachhaltigen und resilienten Friedenssicherung ist. Vor diesem Hintergrund empfehlen wir: 1. die soziale Gerechtigkeit in den Fokus zu rücken; 2. die Verfügbarkeit kritischer Rohstoffe für erneuerbare Energiesysteme sicherzustellen; 3. europäische Produktionskapazitäten für regenerative Energiesysteme (wieder-)aufzubauen; 4. Resilienz nicht durch vermeidbare Energieimporte zu gefährden; 5. Resilienz durch Dezentralisierung und Regionalisierung der Energieinfrastruktur zu stärken; 6. Sicherheitsprobleme zu vermeiden, die mit Smart Grids verbunden sind; 7. eine breite wirtschaftliche Teilhabe an erneuerbaren Energiesystemen zu fördern.

Brendel, H., Bohn, F.J., Crombach, A., Lukas, S., Scheffran, J., Baumann, F., Elverfeldt, K. von, Finckh-Krämer, U., Hagedorn, G., Hardt, J., Kroll, S., Linow, S., Stelzer, V. (2023). Die Energiewende als Beitrag zur Resilienzstärkung und Friedenssicherung in Europa. Diskussionsbeiträge der Scientists for Future 14 (27.02.2023), 15 Seiten. doi: 10.5281/zenodo.765795

Offener Brief: Ein Moratorium für die Räumung von Lützerath

Eine Gruppe von WissenschaftlerInnen der Scientists for Future (S4F) hat in einem Offenen Brief an den Ministerpräsidenten von NRW, die Stellvertretende Ministerpräsidentin und den verantwortlichen Ressort-Minister dazu aufgerufen, die Räumung von Lützerath mit einem Moratorium zu stoppen. Innerhalb von weniger als 24 Stunden unterzeichneten über 500 WissenschaftlerInnen das Schreiben.

Text des Offenen Briefs:

An
Herrn Hendrik Wüst, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen,
Frau Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie und stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen,
Herrn Herbert Reul, Minister des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen

Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen wir es als unsere Pflicht an, auf die Konsequenzen einer Räumung von Lützerath hinzuweisen.

Wir stellen die Frage nach den gesellschaftlichen Kosten einer erzwungenen Räumung. Welche Wirkung hat die Räumung im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit der deutschen Klimapolitik? Lützerath ist ein Symbol geworden. Es geht um ein aussagekräftiges Zeichen für die notwendige Abkehr vom fossilen Zeitalter. 

Es gibt substanzielle wissenschaftliche Zweifel an der akuten Notwendigkeit einer Räumung. Mehrere wissenschaftliche Gutachten [1,2, 3, 4, 7] kommen zu dem Schluss, dass ein Abbau der Braunkohle unter Lützerath für eine technische Versorgungssicherheit und Netzstabilität nicht nötig, sondern politisch bestimmt ist. Vielmehr steht die Förderung und Verstromung dieser Kohle einer am Pariser Klimaabkommen und dem europäischen Klimagesetz ausgerichteten Energiepolitik entgegen. Die Verschärfung des europäischen Emissionshandels vom 18.12.2022 auf minus 62 Prozent THG-Emissionen im Stromsektor bis 2030 (bezogen auf 1990) lässt mindestens fraglich erscheinen, ob Kohleverstromung in Deutschland bis 2030 noch wirtschaftlich sein wird [5].

Der Umstiegspfad auf erneuerbare Energien sollte sich somit insbesondere an einem deutschen und europäischen CO₂-Budget ausrichten, das mit den Klimazielen von Paris im Einklang steht und ethisch vertretbar ist [6].

Wir empfehlen ein Moratorium der Räumung.

Dieses bietet die Chance für einen transparenten Dialogprozess mit allen Betroffenen zur Entwicklung von zukunftsfähigen Pfaden der gesellschaftlichen Transformation und Zeit für die Überprüfung der zugrunde liegenden Entscheidungsprämissen. Die Glaubwürdigkeit der deutschen Klimapolitik würde wesentlich gestärkt werden – international und besonders bei der jungen Generation.

Literatur

[1] Nicolas Leicht & Philipp Hesel 2022. https://www.bund-nrw.de/fileadmin/nrw/dokumente/braunkohle/221128_EBC_Aurora_Kohleausstiegspfad_und_Emissionen_as_sent.pdf

[2] Catharina Rieve, Philipp Herpich, Luna Brandes, Pao-Yu Oei, Claudia Kemfert und Christian von Hirschhausen 2021, https://www.diw.de/de/diw_01.c.819607.de/publikationen/politikberatung_kompakt/2021_0169/kein_grad_weiter_-_anpassung_der_tagebauplanung_im_rheinisch___-grad-grenze__im_auftrag_von_alle_doerfer_bleiben__kib_e.v..html 

[3] Philipp Herpich, … Pao-Yu Oei. 2022: https://coaltransitions.org/publications/das-rheinische-braunkohlerevier/

[4] Philipp Herpich, Catharina Rieve, Pao-Yu Oei, Claudia Kemfert 2022: https://vpro0190.proserver.punkt.de/s/K43yiKR4Yz3Xxeg

[5] Europäische Kommission. „Fit für 55“: Rat und Parlament erzielen vorläufige Einigung zum Emissionshandelssystem der EU und zum Klima-Sozialfonds. Pressemitteilung vom 18. Dezember 2022 https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2022/12/18/fit-for-55-council-and-parliament-reach-provisional-deal-on-eu-emissions-trading-system-and-the-social-climate-fund/ 

[6] Sachverständigenrat für Umweltfragen 2022. https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2020_2024/2022_06_fragen_und_antworten_zum_co2_budget.pdf, siehe zur Übersicht Abbildung 2 und 4, Tabelle 1.

[7] Aurora Energy Research 2022. https://kohlecountdown.de/wp-content/uploads/2022/12/Aurora-Kohleausstiegspfad-und-Emissionen_01122022.pdf 

Friedenslogik statt Kriegslogik – Handlungsoptionen hin zu einer sozial-ökologischen Transformation

Online-Veranstaltung

Freitag, den 25. November | 18:00-20:00 Uhr | online via Zoom

Von der Irrealisierung über die Moralisierung zur strukturellen Faschisierung der Diskurse: Die Debatte um den Ukraine-Konflikt und ihre Vorläufer

Rainer Fischbach (Arbeitet als Softwareexperte in der Industrie, lehrte Informatik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und forschte zur militärischen Technologiefolgen-abschätzung als Mitglied der Working Group Peace Research and European Security)

Von der Kriegslogik zur Friedenslogik: Zeitenwende zum nachhaltigen Frieden

Prof. Dr. Jürgen Scheffran (NatWiss, Universität Hamburg)

CETA: Sargnagel für Demokratie und Klima

Dr. Sibylle Brosius (NatWiss)

Nato-Osterweiterung, Aufrüstung der Ukraine durch Nato-Mitgliedsstaaten, Ignoranz gegenüber russischen und gemeinsamen europäischen Sicherheitsinteressen, Zerstörung der Rüstungskontrolle, vornehmlich durch die USA; Mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine (wie jeder Angriffskrieg völkerrechtswidrig) ist der vorläufige Höhepunkt einer kriegerischen Eskalationsspirale erreicht. Nun stehen wir vor der Drohkulisse eines Atomkrieges, die wiederholte Erwähnung der Möglichkeit des Einsatzes von Nuklearwaffen rückt die menschliche Zivilisation wie wir sie kennen an den Rand der Auslöschung. Die Doomsday Clock des Bulletins of Atomic Scientists steht 100 Sekunden vor Mitternacht. Die Konfrontation zwischen Russland und dem Westen ist in eine neue Phase getreten. In dieser Phase wird Realität, wovor bisher nur gewarnt wurde:

In der Transformation von einer unipolaren zu einer multipolaren Welt werden militärische Mittel zur Sicherung von Eigeninteressen, Ressourcenzugängen und Einflusssphären angewandt. Der Frieden der „kannibalischen Weltordnung“ (Jean Ziegler) folgt der anti-politischen Logik des Krieges: eine Dynamik von Konkurrenz, Aufrüstung, Sanktionen und diplomatischer Eskalation. Es gibt nur noch Gut und Böse, Freund und Feind. Der Feind muss besiegt werden, es darf zu keinem anderen Ergebnis dieser Konfrontation kommen. Dem wird alles untergeordnet, auch wirtschaftliche Interessen, Welternährung und Menschenrechte. Eine „Zeitenwende“ soll die Kriegslogik rechtfertigen, die an die Stelle von Politik tritt: Vergangenheit, Zukunft, Kooperation, Kompromiss und das Verhandeln berechtigter Interessen werden bedeutungslos.

In krassem Gegensatz dazu befinden wir uns in einer noch nie dagewesen, multiplen Krise: rasantes Artensterben, frühere Kipppunkte des Klimas als angenommen, Entdemokratisierung. Im Anthropozän steht die Zukunft des menschlichen Lebens auf dem Spiel. Wichtige Schritte hin zum Schutz unseres Planeten vor den Auswirkungen der Wachstumsgesellschaft werden rückgängig gemacht, um kurzfristige Interessen durchzusetzen. Um diesen „Krieg gegen unseren Planeten“ (Altvater/Mahnkopf) zu beenden, braucht es eine Wende hin zu globalen, politischen Lösungen auf Grundlage der Friedenslogik.

In dieser Veranstaltung sollen die Prämissen der Kriegslogik anhand aktueller Beispiele analysiert und dargestellt sowie ihre Entstehung entlang von Einzelinteressen einer wachstumsabhängigen Minderheit nachvollzogen werden. Es werden Handlungsalternativen hin zu einer Friedenslogik und einer sozial-ökologischen Transformation der Demokratisierung vorgestellt und diskutiert. Die Ergebnisse werden Ausgangspunkt weiterer Veranstaltungen sein.

Programm:

18:00 Uhr | Technische Hinweise

18:05 Uhr| Einleitung Malte Albrecht (NatWiss)

18:15 Uhr | Einleitende Beiträge
Moderation: Malte Albrecht (NatWiss)

Von der Irrealisierung über die Moralisierung zur strukturellen Faschisierung der Diskurse: Die Debatte um den Ukraine-Konflikt und ihre Vorläufer
Rainer Fischbach (Arbeitet als Softwareexperte in der Industrie, lehrte Informatik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und forschte zur militärischen Technologiefolgen-abschätzung als Mitglied der Working Group Peace Research and European Security)

Von der Kriegslogik zur Friedenslogik: Zeitenwende zum nachhaltigen Frieden
Prof. Dr. Jürgen Scheffran (NatWiss, Universität Hamburg)

CETA: Sargnagel für Demokratie und Klima
Dr. Sibylle Brosius (NatWiss)

19:15 Uhr | Diskussion

20:00 | Schluss

Die NatWiss Online-Veranstaltung fand am 25.11.22 ab 18 Uhr online via Zoom statt.

Offener Brief an Abgeordnete: CETA-Abkommen stoppen

Ratifizierung des CETA-Abkommens stoppen, echte Kooperation jetzt – Kooperation der Friedenslogik, statt kriegslogischer Konkurrenz

Sehr geehrte Frau Bundestagsabgeordnete, sehr geehrter Herr Bundestagsabgeordneter,

anlässlich der anstehenden Abstimmung im Bundestag über die Ratifizierung des CETA-Freihandelsabkommens schreiben wir Ihnen als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der NaturwissenschaftlerInneninitiative e.V. mit der Empfehlung: Stimmen Sie dem nicht zu.

Am 23. Juni gab es einen Koalitionskompromiss, der den Klagebestand der indirekten Enteignung streichen sollte und Klagen aufgrund von Klimaschutzmaßnahmen nicht mehr zulassen wollte. In der danach diskutierten verbindlichen Auslegungserklärung ist das nicht mehr gewährleistet.

Vor 6 Jahren haben Hunderttausende, darunter auch viele der jetzigen Abgeordneten, gegen TTIP und CETA demonstriert, Millionen haben europaweit und in Amerika Petitionen gegen die Abkommen unterzeichnet. Nach über 2 Jahren Pandemie, wachsender sozialer Spaltung und existenzieller Nöte eines rasant steigenden Anteils der Bevölkerung sind die Stimmen verstummt. Wir sollten jedoch nicht dem Eindruck erliegen, damit sei eine stumme Zustimmung entstanden. Heute wie damals gilt: wer für diese Freihandelsabkommen stimmt, stimmt gegen den Willen der Bevölkerung.

Neben der Zivilbevölkerung haben sich auch zentrale Institutionen und Organisationen der Zivilgesellschaft gegen die Ratifizierung ausgesprochen. Auch hat beispielsweise der Deutsche Richterbund (auf Anfrage der EU-Kommission) schon 2017 vor der Einführung des geplanten Investorschiedsgerichtshofes gewarnt. Diese Schiedsgerichte sind zentraler Bestandteil der Ratifizierung, andere Bestandteile der Verträge sind bereits in Kraft und können daher auch ohne die Schiedsgerichte umgesetzt werden. Die Schiedsgerichte hingegen schreiben einen Demokratieabbau in Form praktisch unkündbarer Verträge über Jahrzehnte hinweg fest. Schiedsgerichte sind antidemokratisch.

Nach eingehender Prüfung aller verfügbaren Daten, nach Jahren der Erfahrung mit Freihandelsabkommen, kommen wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu dem Schluss: CETA darf in der Form nicht ratifiziert werden. Die Ratifizierung wäre ein Dammbruch, dessen Folgen für Demokratie und Frieden katastrophale Folgen hätte.

Es ist eine Illusion zu glauben, dass nach einer Ratifizierung fairere Bedingungen für CETA und andere Verträge erreicht werden können. Die Verträge sind so gestaltet, dass alle rechtlich bindenden Inhalte vor der Ratifizierung festgeschrieben werden. Die Schiedsgerichte können nicht nachverhandelt werden, sie können nur im Vorhinein ausgeschlossen werden. Kanada wäre dazu sicher bereit und hat es schon bei den Neuverhandlungen des nordamerikanischen Freihandelsvertrag USMCA bewiesen: Zwischen USA und Kanada werden Investorschiedsgerichte nicht mehr angewendet. Für die Wirtschaft entsteht kein Nachteil: Während der Verhandlungen besteht die vorläufige Anwendung fort. Sollten Sachfragen zu klären sein, muss die Abstimmung verschoben werden. Gute Entscheidungen brauchen mehr Zeit, als ihnen in diesem Verfahren eingeräumt wird. Auch die endgültige Fassung der verbindlichen Auslegungserklärung liegt noch nicht vor.

Mit der Zustimmung zur Ratifizierung von CETA stimmen Sie für die Entmachtung des Bundestags und der übrigen beteiligten Parlamente. Damit werden die Grundlagen unseres Rechtsstaates weiter unterminiert. Recht wird nicht mehr allein durch Parlamente gesetzt, sondern daneben noch durch intransparente, nicht demokratisch gewählte Gremien. Gerade in Hinblick auf kontroverse Entscheidungen im Umgang mit den Folgen der Klimakrise brauchen wir aber starke Parlamente, transparente Debatten und vertrauenswürdige Abgeordnete.

Vertrauen ist ein hohes Gut und sollte nicht durch ein schnell durchgepeitschtes Gesetz verspielt werden.

Unsere Empfehlung lautet daher:

Stimmen Sie bei der anstehenden Abstimmung der Ratifizierung von CETA nicht zu. Im Folgenden finden Sie unsere Zusammenfassung der wichtigen Argumente und Zusammenhänge.

Für Rückfragen und Zusammenarbeit stehen wir und unsere Expertinnen und Experten gerne zu Ihrer Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

für den Vorstand

Malte Albrecht                                                        Dr. Sibylle Brosius

Vorsitzender                                                            Vorstand

No First Use, Never Any Use of  Nuclear Weapons

In the war against Ukraine, which we condemn in the strongest terms, many people have been killed, many war crimes committed, and hate and fear has been created and amplified. We urge an immediate ceasefire and humanitarian aid for those who are suffering from the war.

The escalation in words and military actions has brought Europe much closer to the danger of the use of nuclear weapons. In the face of the potential for vast and hardly imaginable global destruction or a regional catastrophe with planetary consequences, we as scientists cannot stay silent: Any nuclear attack from any side will create responses and retaliations from other nuclear powers, and in a short time millions of people could be killed, huge areas of land and sea destroyed and contaminated. The atmosphere would carry radioactive elements and soot, which could lead to nuclear winter and a global famine. Scientific studies demonstrate clearly that, once nuclear weapons are fired, there is very little time left for clear thinking and there is no way back from decisions made in haste.

While preoccupied by war in Europe and the nuclear threat, we continue to face serious and dangerous crises which need to be resolved – especially the climate crisis – with storms, floods or droughts in many countries, threatening millions.  Global food, ecosystem, social and energy crises are already seriously affecting low-income countries. 

Instead of engaging in wars, we need to put all our efforts and resources to resolve these issues. As scientists we are committed to research for the benefit of humanity and to press for a peaceful world in which every living being has a future.

We demand from all politicians and political leaders:

  • Stop the verbal escalation, stop making any statements and decisions that could destroy everyone’s future;
  • Take scientific advice as a guideline for your decisions, and make decisions that allow a future for all of us;
  • Remember the inferno of Hiroshima and Nagasaki, listen to the Hibakusha survivors, and take history and their personal testimony into account.

We demand from all governments, especially those with nuclear weapons and those in military alliances with them: 

  • Urgently declare publicly that you subscribe to the no-first-use policy for nuclear weapons or other weapons of mass destruction, and refrain from any use of these weapons;
  • Join the Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons launched by the United Nations.

This call is initiated by: 

Science4Peace Forum, International Physicians for the Prevention of Nuclear War (IPPNW), Naturwissenschaftler*innen Initiative „Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit“, Ukrainian Pacifist Movement