Nach dem Urteil heute vor dem hessischen Finanzgericht: Attac wird die Gemeinnützigkeit seines politischen Engagements für eine sozial gerechte und ökologisch verträgliche Globalisierung durch alle Instanzen verteidigen und notfalls Verfassungsbeschwerde einlegen.
Die engen Vorgaben des Bundesfinanzhofs (BFH) ließen den Richtern in Kassel keinen Spielraum: Bei ihrer erneuten Entscheidung über die Gemeinnützigkeit von Attac mussten sie der restriktiven Rechtsauslegung des BFH vom Februar 2019 folgen und die Attac-Klage gegen das Frankfurter Finanzamt abweisen.
Noch im November 2016 hatten dieselben Richter in Kassel Attac in vollem Umfang Recht gegeben und dem Netzwerk die Gemeinnützigkeit bestätigt.
Auch in der heutigen Verhandlung machten die Richter deutlich, dass sie mit der restriktiven Auslegung des BFH nicht einverstanden sind. „Alles in allem scheint das Urteil des Bundesfinanzhofs mit heißer Nadel gestrickt, was bedenklich erscheint, insbesondere wegen der enormen gesellschaftlichen Auswirkungen“, sagte Helmut Lotzgeselle, Vorsitzender Richter des 4. Senats am Hessischen Finanzgericht. Er kritisierte vor allem die enge Auslegung des gemeinnützigen Zwecks der politischen Bildung: „Der BFH hat hier eine eher klassische, keine aufklärerische Auslegung des Bildungsbegriffs vorgenommen.“
„Dass die Richter am Hessischen Finanzgericht heute gegen ihre offenkundige Überzeugung bürgerschaftliches Engagement schwächen mussten, ist ein beängstigendes Signal“, sagte Maria Wahle vom Vorstand des Attac-Trägervereins nach der Verhandlung. „Die heutige Entscheidung zeigt erneut, wie bedrohlich das Urteil des Bundesfinanzhofs für die gesamte demokratische Zivilgesellschaft ist. Dabei hat nicht erst der Tabubruch in Erfurt deutlich gemacht, wie dringend eine wehrhafte Demokratie auf wache Bürgerinnen und Bürger und kritische Nichtregierungsorganisationen angewiesen ist, die politische Entscheidungsprozesse begleiten und sich einmischen.“
Scholz muss endlich Rechtssicherheit schaffen für politisches Engagement gemeinnütziger Vereine
Dirk Friedrichs, ebenfalls im Vorstand des Attac-Trägervereins, forderte: „Die Handlungsspielräume für die Zivilgesellschaft dürfen nicht weiter beschnitten werden. Wir fordern Bundesfinanzminister Olaf Scholz dringend auf, schnellstmöglich klare gesetzliche Regelungen zu schaffen, die es gemeinnützigen Organisationen ermöglichen, sich politisch zu äußern. Es kann nicht sein, dass ein Verein, der sich beispielsweise gegen Rassismus einsetzt, seine Gemeinnützigkeit riskiert. Wir brauchen Rechtssicherheit für gemeinnützige Organisationen, die sich selbstlos demokratisch engagieren.“
Die Auseinandersetzung um die Gemeinnützigkeit von Attac hat Bedeutung für die gesamte Zivilgesellschaft. Bereits wenige Wochen nach dem BFH-Urteil im Februar 2019 entzogen Finanzämter weiteren Organisationen die Gemeinnützigkeit.
Das heutige Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Um den Rechtsweg auszuschöpfen und notfalls Verfassungsbeschwerde einlegen zu können, wird Attac Revision beim Bundesfinanzhof beantragen.