In Erinnerung an den Wissenschaftler, Visionär und Friedenskämpfer Hans-Peter Dürr fand anlässlich des 10.-jährigen Todestages in München eine eindrucksvolle und mitnehmende Erinnerungsveranstaltung statt, organisiert von der Naturwissenschaftlerinitiative „Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit“.
Am 18. Mai 2014 verstarb nach langer Krankheit Hans-Peter Dürr im Alter von 84 Jahren. Alle Mitwirkenden an der Veranstaltung erinnerten sich an den engagierten Menschen für Frieden und Umwelt, an den Physiker und Visionär. Aus den Erinnerungen wurden in den verschiedenen Beiträgen Überlegungen für die aktuellen Friedensherausforderungen angesichts von Kriegen und Konfrontationen entwickelt. Besonders betont wurde immer wieder die umfassenden Beiträge von Hans Peter Dürr für die Verantwortung des Wissenschaftlers
Frieden und ein Nein zum Krieg – das war das Lebenselixier von Hans-Peter Dürr, seit er als junger Mensch die Bombennächte in Stuttgart überlebte. Dem Schutz und dem Erhalt der Umwelt war er seit seiner Kritik (zu einer Zeit, als diese nicht populär war) an der Atomkraft zutiefst verbunden. Nachhaltigkeit war für ihn eine Herausforderung und kein grün getünchtes
Modewort. Er kritisierte den Kapitalismus in den 90 Jahren des letzten Jahrhunderts, als fast alle über diesen schwiegen. Er war ein Grenzgänger nicht nur in der Wissenschaft. Die Institution, der er ein Leben eng verbunden war, die Max Plank Gesellschaft hat sein gesellschaftliches Engagement eher kritisch gesehen.
Für viele – Generationen von Studierenden und besonders jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern war er ein Vorbild auch durch seine plastischen Beispiele (das instabile Tripelpendel), seine bildhafte Sprache, seine Überzeugungskraft, seine Ausdauer, sein nimmermüdes Friedensengagement bei den „Großen“ der Welt aber auch bei den „vielen kleinen“ Initiativen.
Nach der Begrüßung durch Elfi Padovan vom Münchner Friedensbündnis umriss Reiner Braun von der Naturwissenschaftlerinitiative sein friedenspolitisches Wirken. Er betonte besonders seine Aktivitäten gegen die Weltraummilitarisierung (Hans Peter Dürr prägte den Satz „lasst uns SDI zu dirty words machen) und sein enges freundschaftliches Zusammenwirken mit Michael Gorbatschow bei der Entwicklung und Realisierung von dessen friedenspolitischen Strategien. Er erinnerte daran, dass Hans-Peter Dürr seine Bereitschaft zum Friedensengagement in der Wissenschaft in seinem Buch „Das Netz des Physikers“ mit den Worten „Dieser Entschluss war für mein zukünftiges friedenspolitisches Engagement von entscheidender Bedeutung“ beschrieb.
Die ehemalige Präsidentin der Universität Göttingen Ulrike Beisiegel unterstrich in ihrem Vortrag die Bedeutung der Verantwortung der Wissenschaft („verantwortliche Wissenschaft“) in der Tradition des wissenschaftlichen Vaters von Hans Peter Dürr Werner Heisenberg, einer der „Göttinger 18“. Die Herausforderungen, die sich aus „Naturwissenschaftliche Erkenntnisse in der Verantwortung“ ergeben, prägten sein Handeln. Sie unterstrich – gerade angesichts aktuellen Verhaltens der Wissenschaftlichen Institutionen – die Bedeutung der „Science Diplomacy“ über Grenzen hinweg. „Müssen wir nicht genau jetzt die Kommunikation über Grenzen (nach China und Russland) weiterführen?“ so Ulrike Beisiegel, die noch einmal die Bedeutung von ethischen und moralischen Werten im Verantwortungsdiskurs betonte und auf die dramatischen positiven oder negativen gesellschaftlichen Auswirkungen wissenschaftlichen Forschens und Handelns hinwies. Sie setzte sich für ein vorrausschauendes Handeln in der Wissenschaft und der Politik ein. „Verantwortliche Wissenschaft ist ein dauerhafter Kampf“ unterstrich Ulrike Beisiegel mit Blick auf heute.
In einer historisch umfassenden Darstellung unterstrich Jürgen Scheffran, Hochschullehrer an der Universität Hamburg, die Vielfalt dieses Engagement. Er verwies u.a. auf Dürrs Engagement bei dem Mainzer Kongress 1983 gegen die neuen Atomwaffen und die Folgekongresse bis zum internationalen Kongress 1986 „ways out of the arms race“. Er betonte die Bedeutung dieser Kongresse der Naturwissenschaftler für die Friedensbewegung. „Die stabilitätsorientierte Sicherheitspolitik war Dürr ein besonderes Anliegen“ so Jürgen Scheffran. Er führte aus, dass „Hans-Peter Dürr sich nicht nur mit Fragen von Krieg und Frieden beschäftigt hat sondern die anderen globalen Probleme der Menschheit im Blick hatte.“ Diese Gedanken hat er u.a. u.a. bei dem großen Friedensforum in Moskau 1987 vorgestellt. Jürgen Scheffran zierte dann Hans Peter Dürr (aus den Blättern 8/87)“wir haben wirklich besseres und vernünftigeres zu tun, als immer wieder gegen diese verrückten und gefährlichen Projekte anzudiskutieren und zu demonstrieren. Wir alle würden lieber unsere kostbare Zeit und unsere schöpferische Energie, für einen konstruktiven Zweck einsetzen, für etwas, was dazu beitragen könnte, die lebensspendende Funktion unserer Erde und ihre Schönheit zu erhalten und die Zusammenarbeit, das Zusammenhalts Gefühl und die Freundschaft unter den Menschen zu fördern.“ Diese Gedanken prägte sein Engagement bei Global Challenge Network, bei der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW), bei Pugwash und sein Mitwirken bei der Potsdamer Erklärung, die an Aktualität nichts verloren haben.
39 Jahre arbeite Hans-Peter Dürr an Instituten der Max-Plank-Gesellschaft. Carola Sachse, emeritierte Hochschullehrerein der Universität Wien und tätig am Max-Plank-Institut für Wissenschaftsgeschichte ging unter dem Titel „eine unfreundliche Freundschaft“ auf das Verhältnis von Hans Peter Dürr zur MPG ein.
Carola Sachse nannte die Beziehung der MPG zu Hans- Peter Dürr „eine gespannte Beziehung“.
Sie verwies auf die wissenschaftlichen Qualitäten des jungen Physikers Dürr, die ihm seine wissenschaftliche Karriere eröffnete und ihn zum Direktor des Heisenberg Instituts werden ließen.
Wissenschaftliche Entwicklungen und Schwerpunkte waren wahrscheinlich eine der Differenzen mit der Politik der MPG, Kern waren aber das gesellschaftlich zunehmend kritische Engagement von Hans-Peter Dürr. Waren es Differenzen über die Bewertung der und nach und endgültig 1958 erfolgten Absage von Hans Peter Dürr an die Kernenergie, war es seine Wachstumskritik und das Einfordern eines anderen Wirtschaftens den Kritiken des Club of Roms. Dürr wurde zum kritischen Redner Ende der 70er Anfang 80erJahre und blieb es bis zu seinem Tode. „Das Problem war die Position des Öffentlichen Intellektuellen in der MPG war schon lange besetzt – nämlich von Carl-Friedrich von Weizsäcker“. Man wollte weniger aber nicht mehr „Öffentliche Intellektuelle“ wollte wegen „der Politik“ öffentliche Äußerungen (außer zu dem ausgesprochenen Fachgebiet) reduzieren oder besser verhindern. Dürr war die lebendige Opposition zu diesem Verhalten, Distanzierungen des MPG-Präsidenten konnten Dürr (durchaus betroffen von der Kritik) nicht von seinem Engagement abhalten eher im Gegenteil. „Wissenschaftskonzepte kollidierten“ so Carola Sachse, denn die der MPG beinhalte „strikte politische Abstinenz“. Dürrs Grundgedanken dagegen war „die Welt als Ganzen zu durchdenken und in naturwissenschaftlicher Rationalität basierte Lösungen für existentielle weltgesellschaftlich Probleme zu entwickeln.“ Einstein war sein Vorbild. Dürr war dabei nicht isoliert, besonders in Ablehnung des Nachrüstungsbeschusses gab es in der wissenschaftlichen Community und der MPG, genannt seien nur prominnte Wissenschaftler und Nobelpreisträger wie Peter Starlinger, Paul Crutzen oder Georg Köhler aber auch Adolf Butenand vielfältige Unterstützung. Die Ablehnung von Hans Peter Dürr durch den MPG-Präsidenten ging bis hin zur Abmahnung. Die nationale und internationale Anerkennung für Hans Peter Dürr wuchs: als Teil der Nobelpreisträgerorganisation Pugwash und als Alternativer Nobelpreisträger.
In seinen Beitrag am Ende der Tagung fasste Ernst Ulrich von Weizsäcker, der mit Hans Peter Dürr in der VDW und dem Club of Rome eng verbunden war, zusammen:
Ich fand es sehr gut, dass „Naturwissenschaftler für den Frieden“ etwas besonders Wertvolles sind – mit diesen Worten unterstrich Ernst-Ulrich von Weizsäcker das besondere Engagement von Hans-Peter Dürr für den Frieden. Er betonte die Interdisziplinarität als“ Alternative zu engstirniger mathematisierter Wissenschaft“ auch und gerade für den Frieden und kritisierte deutlich die Politik der Peer Review Praxis in der Wissenschaft. Friedenswissenschaft und friedenswissenschaftliche Beratung war für die Politik ungeheuer wichtig. Kooperation eine unabdingbare Notwendigkeit. Er unterstrich die Bedeutung des Sonnenergiepfades und seine Entwicklung sowie die damit verbundenen Ablehnung der Atomenergie – „Hans-Peter Dürr wäre begeistert von dieser Entwicklung“ gewesen hin zu erneuerbaren Energien.
Ernst Ulrich von Weizsäcker endete mit dem Satz „ich halte gerade jetzt die Friedenspolitik für ungeheuer wichtig – besonders für zukünftige Generationen“
Die Veranstaltung gab sicher allen der knapp 100 Beteiligten neue Kraft für ihr Friedensengagement, weiter für die Vision einer gerechten und friedlichen Welt und die Verantwortung des Wissenschaftlers zu wirken.
Ein Überraschungsgast am Ende unterstrich diesen Eindruck: von seiner Tournee meldet sich Konstantin Wecker, ein Freund von Hans Peter Dürr, dem er das Lied „Gefrorenes Licht“ gewidmet hatte, das er an die Veranstaltung als Video sandte.
Eingerahmt wurde die Veranstaltung durch interessante und prägende Filmsequenzen von Claus Biegert und Bertram Verhaag.
Die Gesamtveranstaltung und die einzelnen Beiträge können auf www.natwiss.de nachverfolgt werden.
Reiner Braun ist Mitglied des Vorstandes der Naturwissenschaftlerinitiative Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit