Keine Mittelstreckenraketen! Eskalationsspirale jetzt beenden und abrüsten!

Bei ihrem 75. Geburtstag in Washington unter Leitung des noch älteren US-Präsidenten Joe Biden beschwor die NATO den Geist des Kalten Krieges. Um ihre Existenz zu rechtfertigen und die westliche Hegemonie unter Führung der USA gewaltsam aufrecht zu erhalten, riskieren sie einen Aufrüstungskurs, der die Welt an den Rand des Atomkriegs bringt.

Dazu passt die beim Gipfel von Bundeskanzler Olaf Scholz unterstützte Erklärung vom 10. Juli 2024, ab 2026 in Deutschland Mittelstrecken der USA zu stationieren, die Ziele in Russland treffen können. Dabei geht es um Flugkörper auf beweglichen Abschussrampen:

  • Tomahawk-Marschflugkörper mit einer Reichweite von über 2.000 Kilometern;
  • Ballistische Raketen vom Typ SM-6 mit einer Reichweite von weniger als tausend Kilometern, die von der Flugabwehr gegen Bodenziele umgerüstet werden;
  • Hyperschallraketen im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium, mit hoher Geschwindigkeit, Präzision und Reichweite (mehr als 2000 Kilometer).

Der Einsatz dieser Waffensysteme wird seit 2021 als Teil der „Multi-Domain Task Force“ (MDTF) der US-Armee in Wiesbaden anvisiert, die bis 1991 über die Pershing-Raketen verfügte. Damit entsteht nach der Kubakrise 1962 und der Stationierung von Pershing 2 und Cruise Missiles 1983 wieder die Situation, dass eine nukleare Großmacht die Zentren der anderen von externem Territorium auf kurze Distanz treffen kann. In beiden historischen Fällen entging die Welt nur knapp einem Atomkrieg. Hinzu kommt heute, dass Europa einen heißen Krieg in der Ukraine erlebt, in dem der Einsatz von Atomwaffen durch Vladimir Putin immer wieder thematisiert wird.

Auch wenn die geplanten Flugkörper mit konventionellen Sprengköpfen ausgerüstet werden, was ihren Einsatz wahrscheinlicher macht, sind sie nuklearfähig, können also mit Atomwaffen bestückt werden. Dies öffnet Missverständnissen Tür und Tor, so dass Russland im Ernstfall davon ausgehen könnte, von deutschem Boden mit kurzer Vorwarnzeit angegriffen zu werden, mit oder ohne Atomwaffen. Je gefährlicher diese Waffen der russischen Regierung erscheinen, umso eher könnten sie versuchen, diese präventiv auszuschalten oder Deutschland nach deren Einsatz zur Zielscheibe zu machen. Entsprechend haben russische Politiker nach Bekanntwerden der Erklärung bekannt gegeben, Deutschland in die nukleare Zielplanung aufzunehmen, darunter auch Städte. Eine Abschreckung durch diese Raketen ließe sich auf kurze Distanzen allenfalls durch eine automatische Reaktion sichern, mit dem Risiko eines versehentlichen Krieges.

So wird Deutschland wie schon im Kalten Krieg mögliche Abschussrampe, Zielscheibe und Schlachtfeld eines Atomkriegs. Dafür trägt der Bundeskanzler die volle Verantwortung, Seine Zustimmung ist eine nachträgliche Rechtfertigung militärischer Planungen der USA, um eine vermeintliche „Fähigkeitslücke“ zu schließen, erfolgte jedoch ohne öffentliche Debatte oder demokratische Legitimation, was Fragen der nationalen Souveränität gegenüber der früheren Besatzungsmacht USA aufwirft. Scholz scheint wenig daraus gelernt zu haben, dass der frühere SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt 1982 über die Raketenfrage gestürzt ist. Um die Tragweite dieser Entscheidung kleinzureden und die Öffentlichkeit zu beschwichtigen, wird so getan, als seien die Planungen der USA in Sicherheitskreisen bekannt, was die gravierende Tragweite nicht abschwächen kann. Die Eskalationsgefahren werden auch von einigen militärischen Fachleuten kritisch gesehen.

Dies muss in dem Kontext gesehen werden, dass der INF-Vertrag von 1987, der Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 km und Abschussvorrichtungen in Europa verbot, 2019 durch den früheren US-Präsidenten Donald Trump aufgekündigt wurde. Die Vorwürfe über russische Vertragsverstöße ließen sich somit im Rahmen des Vertrages nicht mehr klären, der für die US-Regierung ohnehin ein Hindernis für die Entwicklung und Stationierung eigener Mittelstreckenraketen in verschiedenen Regionen war, insbesondere in der Pazifikregion gegen China und in Europa gegen Russland.

Da die US-Pläne lange Vorlaufzeiten haben und für Europa 2021 unter der Biden-Regierung fixiert wurden, können sie keine Reaktion auf den Angriff Russlands auf die Ukraine sein, auch wenn dieser nun nachträglich zur Rechtfertigung benutzt wird. Umgekehrt kann Russland aus den überlegenen offensiven und defensiven Rüstungsanstrengungen von USA und NATO eigene militärische Maßnahmen und entsprechende Raketenentwicklungen ableiten. So dreht sich die Rüstungsspirale wieder wie im Ost-West-Konflikt. Hier zeigt sich die Eigendynamik des Militärisch-Industriellen Komplexes, der alles versucht, seine Existenz durch Schaffung von Feindbildern zu rechtfertigen. Vorgeblich sind die Falken auf beiden Seiten Feinde, in Wirklichkeit sind sie Verbündete, um ihre parasitären und staatlich finanzierten Strukturen auf Kosten der Bevölkerung zu erhalten.

So wird ein wahlweise kalter oder heißer Krieg mit Russland, China und anderen Mächten dauerhaft perpetuiert, die nicht dem westlich-liberalen Demokratiemuster genügen, während dieses selbst durch rechtsgerichtete, nationalistische und autokratische Strömungen auf dem Spiel steht. Der Aufrüstungskurs ist ein weiterer Sargnagel für diese Demokratien, in denen die bürgerliche Mitte außer Krisenmanagement, Repression und Gewalt keine Lösungen für die selbst erzeugten Krisen zu bieten hat, was die Empörung nur verstärkt.

Zudem ist die deutsch-amerikanische Stellungnahme scheinbar nicht mit den anderen NATO-Staaten abgestimmt, was entgegen früherer Absichtserklärungen der Bundesregierung das eigene Land singularisiert und zum vorrangigen Vorposten und Frontstaat der USA gegenüber Russland aufrüstet. Eröffnete der NATO-Doppelbeschluss von 1979 immerhin noch die Möglichkeit von Verhandlungen über die Beseitigung dieser Waffen, was dann im INF-Vertrag vollzogen wurde, so ist diese Möglichkeit heute gar nicht mehr vorgesehen. Es ist verantwortungslos, wie große Teile der Politik in Deutschland die Eskalationsspirale anheizen und einen Dritten Weltkrieg mit Atomwaffeneinsatz riskieren. Dies muss durch den Widerstand einer wachen und aufgeklärten Öffentlichkeit verhindert werden, die dem Verhandlungen für Frieden und Abrüstung entgegen setzt.

  • Wir fordern die Bundesregierung auf, keine Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden zuzulassen und sich aktiv für Verhandlungen und Vereinbarungen einzusetzen, die eine dauerhafte Friedensordnung in Europa schaffen.
  • Wir fordern die Wiederaufnahme der nuklearen Rüstungskontroll- und Abrüstungsverhandlungen, besonders zwischen USA und Russland.
  • In dieser kritischen Situation ist es jetzt dringlich, die Friedenskräfte zu stärken. Es ist auch eine Chance für die Friedensbewegung, breitere Kreise zu mobilisieren, um den Gefahren des Wettrüstens neue Impulse für Abrüstung entgegen setzen, wie schon in den 1980er Jahren.
  • Gelegenheiten dazu sind die Jahrestage von Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August und die zentrale Friedensdemonstration am 3. Oktober in Berlin (Organisation: https://nie-wieder-krieg.org/). Es gibt bereits an vielen Orten Aktionen, einsehbar in https://www.friedenskooperative.de/termine.