Klima und Corona

von Götz-Dietrich Opitz ©, 24. März 2020

Es sind ganz besondere Zeiten, das Virus hat uns fest im Griff. Die Corona-Krise ist das beherrschende Thema, der Staat greift hart durch. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnet die „einschneidenden Maßnahmen“, die sie am 16. März ankündigte, als etwas, „was wir bisher in über 70 Jahren Bundesrepublik nicht tun mussten, aber jetzt tun müssen“.

Im engen Schulterschluss mit der Wissenschaft werden sie und Bundes-gesundheitsminister Jens Spahn nicht müde, ihren Appell zum notwendigen Verzicht zu wiederholen. Man müsse verstehen, dass alle „auf ein Stück Alltag verzichten“ müssten. „Der Mann, auf den Merkel hört“, ist dieser Tage Christian Drosten, Leiter des Instituts für Virologie an der Charité Berlin. Nicht nur Politiker, „ganz Deutschland verlässt sich auf“ ihn, so beobachtet BILD.

Andere Virologen wie Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg stimmen ein: „Die Bevölkerung muss sich auf einen langen Zeitraum der Entbehrungen und des Kampfes einstellen.“ Die drastischsten Schlagwörter des staatlich angeordneten Verzichts sind „Katastrophenfall“, „Alarmzustand“, „Ausgangssperre“ – mit allen rechtstaatlich bedenklichen Konsequenzen. Der französische Präsident Emmanuel Macron stellt fest: „Wir sind im Krieg“.

Die deutsche Politik übt nicht nur mit der Medizin, sondern auch mit den führenden Wirtschaftswissenschaftlern Einigkeit, die die behördlichen Verbote für angemessen halten: „Besser ein temporärer ökonomischer Schock heute als noch höhere Kosten in der Zukunft“, weiß Jens Südekum von der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität. Und fordert mit seinen Kollegen angesichts der drohenden „Corona-Rezession“ (FAZ) mehr staatliche Hilfe.

Aber was ist eigentlich mit der anderen Krise, die noch in jüngster Vergangenheit für viele Schlagzeilen sorgte? Zu befürchten ist, dass die für den ganzen Planeten existentielle Klimakrise durch den aktuellen Ausnahmezustand in Vergessenheit gerät. So warnte bereits Dirk Messner, Chef des Umweltbundes-amts: Auf den „Corona-Krisenmodus“ könnte der nächste Krisenmodus folgen, wenn der Klimaschutz nicht massiv vorangetrieben werde – in Deutschland, Europa und der Welt. Und der Journalist Martin Bialecki befürchtet, dass nach einem Corona-bedingten Wirtschaftsabschwung das Thema Klima auf Jahre hinaus zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet werden könnte.

Wie lassen sich die beiden Krisen – Corona und Klima – miteinander vergleichen? Wo liegen die Unterschiede?

Der erste Unterschied ist sicherlich der unterschiedlich ausgeprägte Aktivismus, mit dem beide Krisen als Bedrohung wahrgenommen und bekämpft werden. In der Tat konnte man in Deutschland selbst seit dem Erscheinen einer Greta Thunberg auf der Weltbühne bislang keine Bundespressekonferenz erleben, auf der die Kanzlerin gemeinsam mit der Bundesumweltministerin Svenja Schulze öffentlich zu Verzicht und Solidarität aufgerufen hätte, um das Klima zu retten. Zu diesem Zweck wurde auf Bundesebene bisher auch kein „Krisenstab“ eingerichtet. Das Klimapaket der Bundesregierung vom vergangenen Herbst wurde vielfach als viel zu lasch bewertet. Greta kritisierte mit anderen Umweltaktivisten den „Green Deal“ der EU als „Kapitulation“.

Dabei ist die globale Öko-Krise – die nicht nur den Klimawandel, sondern auch das Artensterben und die Umweltzerstörung wie die Plastikverschmutzung der Erde umfasst – eine Bedrohung, die nicht nur für die Zukunft zu erwarten ist, sondern schon längst im Gange ist. So richte nach Schätzungen des 2019 veröffentlichten 6. Welt-Umweltberichts (GEO-6) des UN-Umweltprogramms Unep allein die Luftverschmutzung 2015 volkswirtschaftliche Schäden in Höhe von etwa 5 Billionen Dollar an. Damals starben weltweit etwa 9 Mio. Menschen vorzeitig durch Umweltverschmutzung. Seit dem ersten GEO 1997 habe sich „der Zustand der Umwelt weiterhin verschlechtert“, so der Bericht. Das Corona-Virus wird im schlimmsten Fall viele Opfer fordern – eine sich weiter entwickelnde Klimakatastrophe wird wahrscheinlich noch ganz andere Dimensionen von Opferzahlen bereithalten, wenn auch über einen längeren Zeitraum hinweg.

Die Letalität ist durchaus eine Gemeinsamkeit zwischen beiden Krisen, wenn auch die Raten unterschiedlich hoch sind. So kann man mit und frei nach Papst Franziskus feststellen, dass nicht nur „diese Wirtschaft tötet“, sondern auch das Virus und die Öko-Krise – letzterer werden darüber hinaus schätzungsweise eine von acht Mio. Arten zum Opfer fallen. Spahn möchte in der Corona-Krise die Situation vermeiden, dass man 80-jährigen Infizierten die Beatmungsgeräte wieder abnehmen muss, damit 60-Jährigen geholfen werden kann. In der Öko-Krise indes ist man schon lange dabei, den von ihr besonders betroffenen Menschen die Geräte abzunehmen.

Ein großer Unterschied zwischen beiden Krisen ist der aktuell bei Corona enge Schulterschluss zwischen Politik und Wissenschaft. Man muss der deutschen Politik nach einer von der Süddeutschen Zeitung durchgeführten Big-Data-Analyse von Bundestagsdebatten zum Thema Klima in den vergangenen Jahrzehnten „parlamentarisches Versagen“ attestieren. Und auch in jüngster Vergangenheit konnte man keine Krisensitzungen auf Bundesebene mit Hans Joachim Schellnhuber erleben, dem Gründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und langjährigen Mitglied des Weltklimarats, der bis 2016 als Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen auch Kanzlerin Merkel beriet.

Der BUND kommentierte auf seiner Internetseite die Information, dass der für den 13. März 2020 geplante globale Klimastreik von Fridays for Future wegen des Virus abgesagt werden musste, mit dem Hinweis, dass die Politik in der aktuellen Corona-Krise endlich auf die Wissenschaft höre – was sie auch in der Klimakrise tun solle.

Als weiterer Unterschied ist somit die unterschiedlich gelagerte Solidarität zwischen den Generationen zu konstatieren. Denn so hörten auch Greta und mit ihr Mio. von Schülern in Deutschland auf die öffentlichen Appelle der Politiker zum notwendigen Schutz älterer und gesundheitlich vorbelasteter Menschen ab 70, die anfälliger für das Virus sind. Sie fügten sich bereitwillig den Verboten, einschließlich der Schulschließungen – beschlossen in Bayern durch eine Regierungspartei, die in der Klimadebatte den politischen Gegner gerne als „Verbotspartei“ verunglimpft. Breiter Widerstand gegen diese Verbote von Jugendlichen ist bisher jedenfalls nicht zu beobachten.

Kann man im Vergleich der beiden Krisen schlussfolgern, dass sich die Politik mehr für die Belange der älteren Generation einsetzt als für die Interessen der Jungen? Feststeht, dass bei der Europa-Wahl 2019 von den etwa 60,8 Mio. wahlberechtigten Deutschen die Wählergruppe der 18-20-Jährigen nur 2,2 Mio. (3,6%) ausmachte. Die deutschen Wählerinnen und Wähler der über 60-Jährigen bildeten hingegen mit 22,3 Mio. (36,7%) die größte Bevölkerungsgruppe. Deren altersabhängige Wahlmacht, die 10 Mal größer ist, mag erklären, warum die Bundespolitik auf beide Krisen unterschiedlich stark reagiert.

Noch entscheidender ist aber ein weiterer Unterschied: Das Corona-Virus ist ein Feind, der von außen kommt! Auch wenn das Virus, der in China seinen Ausgang nahm, noch so unsichtbar und abstrakt ist, er ist nicht menschen-gemacht. Die Öko-Krise aber schon. Sie ist Ausdruck des Anthropozäns, in der die Menschenlast der Technosphäre mit etwa 30 Billionen Tonnen bereits mehr wiegt als Flora und Fauna in der Biosphäre zusammen: 50 Kilogramm pro Quadratmeter Erdoberfläche. Die vom Menschen emittierten Treibhausgase etc. sind das gefährlichere „Virus“ – die „Pandemie“ von acht Milliarden Menschen und vor allem die „Pandemie“ des sich stetig steigernden Konsums ist die größere Gefahr.

Das einzusehen und infolge dieser Selbsterkenntnis Verzicht zu üben, damit das Anthropo-zän nicht zum Anthropo-zid wird, fällt offenbar schwerer als in der akuten Corona-Krise. Vielleicht hilft es, beide Krisen zusammenzudenken. Forscher warnen seit langem vor dem „tödlichen Dutzend“ – gefährliche Krankheitskeime, die sich aufgrund des Klimawandels verstärkt ausbreiten können. Nochmals wies darauf Anfang Januar 2020 kein geringerer hin als Lothar H. Wieler, der durch die Corona-Krise einem breiten Fernsehpublikum bekannt gewordene Präsident des Robert-Koch-Instituts in Berlin. Er veröffentlichte mit Blick auf China einen Gastkommentar mit dem Titel „Klimawandel bringt auch neue Seuchen“ (DIE WELT, 10.01.2020)

Kollaps und Transformation – Die Corona-Krise und die Grenzen des Anthropozäns

von Jürgen Scheffran, in Wissenschaft & Frieden 2020-2: Frieden begreifen

Wie ein Brennglas bündelt die ­Corona-Krise die Verwundbarkeiten, Unsicherheiten und Instabilitäten der vernetzten Welt. Hier zeigen sich die Macht der Natur und die Ohnmacht der Menschen, ungeachtet der Erfolge von Wissenschaft und Technik. Auch wenn die disruptive Krise Kettenreaktionen und Konflikte mit sich bringt, ist Sicherheitspolitik keine geeignete Antwort. Wichtiger als nachträgliches Katastrophenmanagement sind vorbeugende Maßnahmen, die das Gesundheitswesen stärken und ein friedliches, solidarisches und nachhaltiges Verhältnis zwischen Menschheit und Natur schaffen, das in gesellschaftliche und ökolo­gische Kreisläufe eingebettet ist. […]

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Frieden, Corona und Klima

von Sibylle Brosius

Wir erleben eine akute Krise (Corona-Pandemie), die sich vor eine sich entfaltende Krise (Klimawandel) schiebt. Und das Ganze geschieht vor dem Hintergrund einer immer drastischeren Ungleichheit von Einkommen und Besitz, sowohl zwischen den Staaten als auch innerstaatlich. Bei auftretenden Konflikten werden zunehmend kooperative, gewaltarme Bewältigungsstrategien durch konfrontative, militärische ersetzt. Zunehmend werden auch Konflikte bewusst vom Zaum gebrochen (USA in Irak 2003, USA Iran 2018, Türkei Nordirak 2019), wo von vorneherein jede Kooperation ausgeschlossen ist.

Die Pandemie hat nun einiges durchgeschüttelt und stellt Althergebrachtes in Frage.

Man staunt und wundert sich:

  • Warum stellen Regierungen auf einmal riesige Summen zur Bewältigung der Pandemie zur Verfügung, die es hingegen für die Bewältigung der Klimakrise (eine für die Menschheit existentielle Krise) nie gegeben hätte?
  • Die Bundesregierung redet auf einmal viel von Solidarität. Das ist erst einmal sehr positiv. Dieser Appell richtet sich an die Zivilgesellschaft, die sich auch sofort fügt, alles absagt, zuhause bleibt, Masken näht, Netzwerke zur Hilfe aufbaut und vieles mehr. Erfreulich und wichtig ist auch, dass auch viele Betriebe schnell und uneigennützig Hilfe zur Verfügung stellen. (Andere hingegen verfolgen jetzt neue Geschäftsmodelle, um extra Profit zu machen, z.B. Schadensersatzklagen gegen Regierungen vor Schiedsgerichten wegen der verordneten Massnahmen.)
  • Aber ist die Zivilgesellschaft auch eingebunden in die Entscheidung über die Verteilung der gigantischen Hilfsgelder (die Bazooka), oder später gar in der Frage, wie das Ganze finanziert werden soll? Nein, hier bleiben wie gehabt Politik und Wirtschaft unter sich (siehe Autogipfel, Lufthansahilfe, Expertenkreis um Ministerpräsident Laschet u.v.m.)
  • Demokratische Rechte verschwinden sofort – aber kommen sie wieder, wenn der Spuk vorbei ist? Und bleibt die Tracking – App, das Versammlungsverbot, die virtuellen Hauptversammlungen? Viele Dinge werden auch als Pandemievorsorge deklariert, folgen aber einer schon vorher geplanten Agenda, wie bargeldloses Bezahlen. Die Hintergründe sind nicht immer klar, beispielsweise: Warum wird eine Tracking APP gehypet, während eine Maskenpflicht, die tatsächlich von Anfang an etwas gebracht hätte, nur sehr spät beschlossen wurde? Warum sollten die Daten der App zum Anfang unbedingt zentral gespeichert werden?
  • Das Parlament und die politischen Institutionen arbeiten einfach weiter, während das öffentliche Leben sehr eingeschränkt ist. Sie treffen in großer Stille weitreichende Entscheidungen über atomwaffenfähige Flugzeuge und bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr. Die großen Printmedien und das Fernsehen berichten – nur über Corona.

Was aber gar nicht verwundert im Neoliberalismus:

  • Lobbyisten versuchen sofort, massiv Einfluss zu nehmen, sowohl auf nationaler Ebene als auch in Brüssel – einmal um möglichst viel von den großzügig verteilten Hilfsgeldern zu bekommen, zum anderen um alle störenden Regularien zurückzudrehen oder zu verzögern, die die Wirtschaft schon immer gestört haben. Dabei handelt es insbesondere um Klima- und Umweltschutz, Arbeitnehmerschutz, aber auch Tierschutz und Datenschutz.
  • International wurden sofort die Schotten dichtgemacht, es gab keine wirkliche Solidarität mehr und nur wenig gemeinsame Aktionen. Zu hoffen bleibt, dass die Pandemie klarmacht, dass man sie am Ende nur mit gemeinsamem Handeln gut und schnell bewältigen kann. Gute Ansätze gibt es inzwischen in der gemeinsamen Entwicklung eines Impfstoffes, Schuldenerlass für die ärmsten Länder u.a.m.
  • Militärisch geht alles weiter wie bisher. Der Abbruch von Defender war nicht einmal eine Zäsur, bezeichnend, aber nicht verwunderlich. Das Manöver wird später weitergeführt werden.

Da die Weltgemeinschaft von 2 Krisen gleichzeitig geschüttelt wird, der Coronapandemie und der Klimakrise, habe ich die beiden einmal gegenüber gestellt, auch um herauszufinden, warum die Reaktion von Politik und Gesellschaft auf die beiden Krisen so unterschiedlich ist. Gleichzeitig haben die Krisen auch Gemeinsamkeiten, die ganz wichtig für unsere Friedensarbeit sind.

Unterschied und Gemeinsamkeiten Corona und menschengemachter Klimawandel

Unterschiede

Corona Klimawandel
Akut Schleichend
Es gibt einen Anfang und ein Ende, mit der Möglichkeit, prinzipiell zum alten Zustand zurückzukehren. Es gibt kein Ende.
Wirtschaftlicher Aufbau danach ist möglich. Es gibt kein Danach, nur eine neue Realität.
Krankheit betrifft einige Individuen existentiell. Effekte auf Individuen sind schwer abzusehen.
Folgen sind immer negativ oder neutral für das Individuum. Folgen des Klimawandels können für manche auch positiv sein (z.B. Weinbauern in der Pfalz)
Schutz ist prinzipiell ursächlich möglich (Impfung). Klimawandel ist bereits Realität, es geht nur noch um die Möglichkeit, ihn zu bremsen und seinen Folgen zu begegnen.
Zerstört Menschen unmittelbar Zerstört Umwelt unmittelbar, den Menschen nur mittelbar
Wissenschaftliche Lösungen werden gesucht. Wissenschaftliche Lösungen liegen vor.
Wissenschaftler sind in politische Entscheidungen eingebunden. Wissenschaftler sind selten und nach unklaren Kriterien in politische Lösungen eingebunden
(Deutsche) Politik handelt, bringt Lösungen. (Deutsche) Politik verschleppt und verzögert Problemlösung.
Handlungsfehler (Politik, Wirtschaft, Gesellschaft)

– werden unmittelbar bestraft

– betreffen Verursacher (Kommunen)direkt

Handlungsfehler (Politik, Wirtschaft, Gesellschaft)

– werden später bestraft

– betreffen andere (Kommunen, Nationen, Erdteile)

Rechtsnationale können das Volk schützen wollen (wenn es ihrem Machterhalt dient und/oder  wenn sie nicht komplett neoliberal ausgerichtet sind). Rechtsnationale sehen überhaupt keinen Grund zur Aktion, im Gegenteil.
Abbau demokratischer Rechte, um die Pandemie bekämpfen zu können. Diese Rechte können danach wieder gelten wie vor der Pandemie. Abbau demokratischer Rechte wird betrieben, damit Regierende nichts gegen Klimakrise machen  müssen.
Solidarität mit Menschen gefordert, denen man begegnen könnte. Solidarität mit Menschen gefordert, denen man wahrscheinlich nie begegnet.
Der Einzelne kann etwas dagegen tun in seinem Umfeld. Der Einzelne muss darauf vertrauen, dass Millionen auch etwas gegen Klimawandel tun.
Pandemie greift direkt in soziales Verhalten ein, fordert Vereinzelung der Menschen. Menschen müssen gemeinsam agieren.
business as usual ist nicht möglich, Massnahmen zur Eindämmung greifen stark in das alltägliche Leben aller ein . Business as usual ist (noch) möglich.
Bekämpfung erfordert Umstellung des Gesundheitssystems. Bekämpfung erfordert Umbau des Wirtschaftssystems.
Katastrophe (ausgelöst durch Nichtstun) wird von der Mehrheit unbeschadet überstanden. Katastrophe (ausgelöst durch Nichtstun) wird hässlich für alle, ausgenommen möglicherweise wenige Superreiche.
Kein existentielles Problem für die Menschheit Existentielles Problem für die Menschheit

Gemeinsamkeiten

Krise fordert zum gemeinsamen Handeln, Solidarität ist gefragt.
Frieden ist die Voraussetzung für eine Lösung, Kriege verhindern  die Bekämpfung absolut.
Schrankenlose, ungebremste  Globalisierung befeuert das Problem.
Internationale Regeln und Institutionen sind erforderlich und müssen von allen anerkannt werden.
Um  Umsetzung auf kommunaler Ebene wird gebraucht, dort gibt es viele Möglichkeiten zur Problemlösung.
Verständnis und Mitarbeit aller ist gefordert, die Zivilgesellschaft ist dabei ein wichtiger Mittler.
Die erforderliche Solidarität erreicht man durch Priorisierung des Gemeinwohls vor dem Profitstreben Einzelner.
Erkenntnis: Die neoliberale Wirtschaft (die freie Hand  des Marktes) richtet es nicht.

Weg vorwärts: Es wird eine starke Zivilgesellschaft gebraucht und eine Politik, fähig zur wirklichen Lösung von Problemen. Die rechtlichen Organe müssen weiterhin unabhängig von Politik und Wirtschaft funktionieren. Eine freie Presse wird gebraucht. Der starke Lobbydruck der mächtigen wirtschaftlichen Akteure macht die Politik handlungsunfähig und muss beendet werden.

Erhöhung der Resilienz der Gesellschaft durch Abkehr vom Neoliberalismus

Was tun?

Frieden ist die Voraussetzung zur  Lösung der Coronakrise und der Klimakrise.

‚Wir sind im Krieg gegen das Corona-Virus‘ hat es Präsident Macron medienwirksam formuliert. Damit hat er Recht und Unrecht zugleich.

Recht hat er in dem Sinne, dass die Gesellschaft alle ihre Kräfte mobilisiert, um diese Krise zu bewältigen. Alles wird dem untergeordnet, sogar die Profitinteressen der Wirtschaft. Auch die finanziellen Kosten zur Bewältigung sind gigantisch und in dieser Größenordnung eigentlich nur mit Kriegsführungskosten von Staaten zu vergleichen. Ich würde mir wünschen, dass hier die Analogie weitergeht und die Finanzierung der ‚Kriegskosten‘ geschieht wie nach dem 2. Weltkrieg: Sie wurden im Wesentlichen durch eine stark progressive Besteuerung der hohen und höchsten Einkommen und Vermögen bestritten. Nur so konnte eine stabile und demokratische Nachkriegsordnung entstehen[1] . Alternativen wie Inflation oder aber dauerhafte Fortschreibung der Staatsschulden und die damit einhergehende Abhängigkeit der Staaten von Finanzmärkten würden letztendlich zu einem Zerfall der Gesellschaften und Staaten führen.

Macron hat noch in einem ganz anderen Sinne Recht. Rechtspopulistische Regierungschefs versuchen, mit der ‚Kriegserklärung‘ alle Macht an sich zu reißen. Präsident Orban hat es in Ungarn bereits weitgehend durchgesetzt, Präsident Trump versucht es in den USA mit allen, ihm zur Verfügung stehenden Mitteln.

In einem anderen Sinne hat Macron nicht recht: Wäre Frankreich in einem echten Krieg, d.h. in einer militärischen Auseinandersetzung, dann wäre die Corona-Pandemie nur eine Randnotiz wie die spanische Grippe am Ende des ersten Weltkrieges. Dem militärischen Kampf würde sich dann alles andere unterordnen. So geschieht es derzeit in Nordsyrien, Jemen und allen weiteren Konfliktgebieten.

Jeder Krieg, auch ein innerstaatlicher Gewaltausbruch wie ein Bürgerkrieg, schafft eine Situation, in der alles diesem Konflikt untergeordnet wird. Will man erfolgreich der Pandemie und dem Klimawandel begegnen, müssen alle Kriege und Kriegsdrohungen und -planungen sofort beendet werden. Eine Politik, die das nicht tut, beweist, dass sie weder ernsthaft gegen die Pandemie noch gegen den Klimawandel etwas tun will.

Die Politik ist gefordert. Deutschland kann sofort beginnen.

Unverzüglich alle Kampfhandlungen zu beenden! hat UNO-Generalsekretär Guterres gefordert und die Staatengemeinschaft muss sich hinter ihn stellen. Die UNO ist die richtige Stelle, das zu organisieren.

Dies gilt aber auch schon für Aufrüstung und Kriegsspiele, die per Definition dazu dienen, einen Krieg vorzubereiten. Die USA gibt Europa auch die Ziele vor: Iran, Russland, China. Ganz in Vergessenheit gerät, dass die USA mit Abstand den höchsten Militäretat  (732 Mrd. $, 38% der weltweiten Rüstungsausgabe) der Welt ausweisen, also etwa das 11-fache des russischen Militäretats und das 3-fache des chinesischen. Die übrigen Nato-Länder folgen mit zusammen 303 Mrd. $*[2]. Es geht also nicht darum, das ‚wir‘ uns gegen diese Mächte verteidigen müssen – es geht darum, sie anzugreifen. Zu einer Verteidigung würden USA und EU ein Bruchteil der Rüstung und des Militärapparates reichen, der bereits existiert.

Deshalb Schluss mit der Aufrüstung!

Keine Bewaffnung der Bundeswehr mit waffenfähigen Drohnen, die Deutschland in eine weitere Aufrüstungsspirale ziehen würde, keine Bewaffnung mit atomwaffenfähigen Flugzeugen. Stattdessen sollte Deutschland den UN-Vertrag zur Abschaffung aller Atomwaffen endlich unterschreiben und sich mit einer Koalition der Willigen zusammentun, um ein Abrüstungsabkommen zu bewaffneten Drohnen zu erarbeiten. Dann würde das deutsche Streben nach einem Sitz im Sicherheitsrat auch tatsächlich Sinn machen. Mit Sicherheit wären diese Positionen aber bereits in Deutschland mehrheitsfähig.

Dazu gehört, dass das Geld dringend gebraucht wird, um die Gesellschaft resilienter und zukunftsfähiger zu machen, sowohl im Hinblick auf Gesundheit wie auch gegen den Klimawandel, um ihn zu bremsen und gleichzeitig die Folgen abzufedern. Deutschland kann Verantwortung übernehmen, wie der ehemalige Bundespräsident Gauck und die damalige Verteidigungsministerin von der Leyen gefordert haben – ja – aber indem wir unsere Möglichkeit nutzen, eine zukunftsfähige Gesellschaft aufzubauen und andere mitzunehmen. In Europa liegt auch die Zukunft Deutschlands. Es wird aber überhaupt nur eine Zukunft  geben, wenn wir Partner sind beim Bewältigen der Pandemie und der Bedrohungen durch den Klimawandel. Wenn wir fortfahren, uns gegenseitig zu plündern (nennt sich freie Marktwirtschaft oder auch Neoliberalismus)  und nur die alten Zustände erhalten wollen, gehen wir alle zugrunde – die Ärmeren früher, die Reicheren später.

Solidarität

Zurzeit wird die Solidarität der jungen Menschen in der Coronakrise gefordert. Wo bleibt aber die Solidarität der Älteren, wenn es um Klimawandel geht? Um eine Welt, die versucht, Konflikte kooperativ und nicht militärisch zu lösen? Um eine Welt, in der die Gesellschaft bestimmt und nicht die Investoren Regierungen und Kommunen zwingen können, gegen das Gemeinwohl (Klima- und Umweltschutz, Daseinsfürsorge, Arbeitnehmerschutz, Verbraucherschutz) zu handeln? Um eine Welt mit verlässlicher Rechtsordnung, die auf Menschenwürde und gleichen Rechten beruht, anstatt auf Willkür und Recht des Stärkeren?

Nehmen wir die Politiker beim Wort, die Solidarität, Verantwortung und gesellschaftliche Werte, die sie jetzt von der Zivilgesellschaft fordern, dann selbst auch in ihren Handlungen umzusetzen, anstatt wie gehabt vor allem Partikularinteressen der Eliten zu bedienen. Ein Weiter So kann es nicht mehr geben.

Fangen wir mit dem Frieden an und arbeiten an Wegen, Konflikte kooperativ und zusammen mit den Betroffenen zu lösen.

[1] nachzulesen in T. Piketti, Kapitalismus im 21. Jahrhundert (2013) und Kapitalismus und Ideologie (2019).

[2] Alle Zahlen aus SIPRI, Trends in World Military Expenditure, 2019 (April 2020)

NatWiss unterstützt ICAN-Städteappell

Natwiss unterstützt das Schreiben an alle (Ober)bürgermeister*innen und Landräte der Städte, Gemeinden, Landkreise und Regionen, die den ICAN-Städteappell unterzeichnet haben.

Ziel ist es, eine Debatte über die Nukleare Teilhabe und den Kauf atomwaffenfähiger US-Kampfflugzeuge anzuregen und die atomare Aufrüstung in Deutschland sowie die Verschwendung von Milliarden Euro zu verhindern.

Der Brief kann hier heruntergeladen werden >

 

 

Attac wird Gemeinnützigkeit bis zum Verfassungsgericht verteidigen

Prozess am Hessischen Finanzgericht: Restriktive Vorgaben des Bundesfinanzhofs lassen keinen Spielraum

Nach dem Urteil heute vor dem hessischen Finanzgericht: Attac wird die Gemeinnützigkeit seines politischen Engagements für eine sozial gerechte und ökologisch verträgliche Globalisierung durch alle Instanzen verteidigen und notfalls Verfassungsbeschwerde einlegen.

Die engen Vorgaben des Bundesfinanzhofs (BFH) ließen den Richtern in Kassel keinen Spielraum: Bei ihrer erneuten Entscheidung über die Gemeinnützigkeit von Attac mussten sie der restriktiven Rechtsauslegung des BFH vom Februar 2019 folgen und die Attac-Klage gegen das Frankfurter Finanzamt abweisen.

Noch im November 2016 hatten dieselben Richter in Kassel Attac in vollem Umfang Recht gegeben und dem Netzwerk die Gemeinnützigkeit bestätigt.

Auch in der heutigen Verhandlung machten die Richter deutlich, dass sie mit der restriktiven Auslegung des BFH nicht einverstanden sind. „Alles in allem scheint das Urteil des Bundesfinanzhofs mit heißer Nadel gestrickt, was bedenklich erscheint, insbesondere wegen der enormen gesellschaftlichen Auswirkungen“, sagte Helmut Lotzgeselle, Vorsitzender Richter des 4. Senats am Hessischen Finanzgericht. Er kritisierte vor allem die enge Auslegung des gemeinnützigen Zwecks der politischen Bildung: „Der BFH hat hier eine eher klassische, keine aufklärerische Auslegung des Bildungsbegriffs vorgenommen.“

„Dass die Richter am Hessischen Finanzgericht heute gegen ihre offenkundige Überzeugung bürgerschaftliches Engagement schwächen mussten, ist ein beängstigendes Signal“, sagte Maria Wahle vom Vorstand des Attac-Trägervereins nach der Verhandlung. „Die heutige Entscheidung zeigt erneut, wie bedrohlich das Urteil des Bundesfinanzhofs für die gesamte demokratische Zivilgesellschaft ist. Dabei hat nicht erst der Tabubruch in Erfurt deutlich gemacht, wie dringend eine wehrhafte Demokratie auf wache Bürgerinnen und Bürger und kritische Nichtregierungsorganisationen angewiesen ist, die politische Entscheidungsprozesse begleiten und sich einmischen.“

Scholz muss endlich Rechtssicherheit schaffen für politisches Engagement gemeinnütziger Vereine

Dirk Friedrichs, ebenfalls im Vorstand des Attac-Trägervereins, forderte: „Die Handlungsspielräume für die Zivilgesellschaft dürfen nicht weiter beschnitten werden. Wir fordern Bundesfinanzminister Olaf Scholz dringend auf, schnellstmöglich klare gesetzliche Regelungen zu schaffen, die es gemeinnützigen Organisationen ermöglichen, sich politisch zu äußern. Es kann nicht sein, dass ein Verein, der sich beispielsweise gegen Rassismus einsetzt, seine Gemeinnützigkeit riskiert. Wir brauchen Rechtssicherheit für gemeinnützige Organisationen, die sich selbstlos demokratisch engagieren.“

Die Auseinandersetzung um die Gemeinnützigkeit von Attac hat Bedeutung für die gesamte Zivilgesellschaft. Bereits wenige Wochen nach dem BFH-Urteil im Februar 2019 entzogen Finanzämter weiteren Organisationen die Gemeinnützigkeit.

Das heutige Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Um den Rechtsweg auszuschöpfen und notfalls Verfassungsbeschwerde einlegen zu können, wird Attac Revision beim Bundesfinanzhof beantragen.

Protestwoche der Kampagne Stopp Air Base Ramstein 2020: mit viel Schwung gegen Drohnen, Krieg und den größten Klimakiller

Aktionswoche 5.7. – 12.7.2020 in Ramstein

Aufgrund der Globalisierung wachsen alle Probleme zusammen: Kriege und Aufrüstung, Militarisierung der politischen Institutionen (z.B. EU), Klimawandel und Umweltverschmutzung. Militär ist der größte Klimakiller! Da das US-Militär aus dem Klimavertrag von Kyoto ausgenommen ist, werden die Zahlen nicht berichtet, aber alleine das US–Militär als weltweit größter institutioneller CO2-Emittent stößt schätzungsweise so viel CO2 aus wie die Schweiz – weiter steigerungsfähig mit der Zahl der Einsätze. Auch die Umweltverschmutzung am Ort der Militärstützpunkte selbst ist gravierend.

Ramstein ist ein Brennpunkt dieser Entwicklung: Es ist der größte Militärstützpunkt der USA außerhalb der USA und zentral für die Kriegsführung in Europa, Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten. Es ist Relaisstation für den Drohnenkrieg der US – Administration dort, Hauptquartier der US Air Forces in Europa und Afrika, US Air and Space Operations Center und Sitz des NATO Allied Air Command. Die Aufrüstung auch mit Atomwaffen gehört wieder zur offiziellen Doktrin der US-Administration (inzwischen auch gemeinsam mit der NATO) und Ramstein wird dabei eine Hauptrolle spielen.

Dagegen wehren wir uns! Die Kampagne „Stopp Air Base Ramstein“ soll ihren ersten Höhepunkt mit der Protestwoche vom 5. bis 12.07.2020 erreichen und wird die Probleme breit aufgreifen. Im Mittelpunkt dieser Proteste stehen:

  • ein internationales Friedenscamp mit einer Vielzahl von politischen und kulturellen Veranstaltungen (z.B. in der Friedenswerkstatt, Kunst- und Musik – Workshops, Konzerte im Camp)
  • eine internationaler Anti-Militärbasen-Kongress in Kaiserslautern
  • eine öffentliche Abendveranstaltung mit prominenten Redner*innen in Kaiserslautern, zugesagt hat bereits Eugen Drewermann
  • eine Demonstration und Menschenkette mit abschließendem Friedensfest am 11.07. in Ramstein

Die Veranstaltungen sind noch in der Planung. Die aktuelle Information ist unter www.ramstein-kampagne.eu/ abrufbar, im Friedenscamp kann jede*r auch eigene Aktionen anmelden. Generell kann man Anfragen auch direkt an info@ramstein-kampagne.eu richten.

Die Kooperation mit anderen Bewegungen ist die Grundlage für jeden Erfolg. Eng mit der friedenspolitischen Frage verbunden sind Klimagerechtigkeitsbewegungen wie Fridays for Future, soziale Bewegungen für Gerechtigkeit, Solidarität mit Whistleblowern (ganz aktuell Julian Assange, Edward Snowden und Chelsea Manning), Verteidigung von Freiheit in Presse, Wissenschaft und Bildung.

Weitere Aktionen

Die Kampagne Stopp Air Base Ramstein unterstützt aktiv die Proteste gegen das NATO-Manöver Defender 2020 (Manöver ab Februar 2020 mit dem Höhepunkt im April/Mai), das von der Air Base Ramstein aus mit koordiniert wird sowie einer geplanten Menschenkette am Atomwaffenlager Büchel. Die Kampagne „Stopp Air Base Ramstein“ wird sich aktiv an der Mobilisierung beteiligen und bei den Aktionen präsent sein.

Erstmals wurde für die Kampagne ein zweiter Aktionshöhepunkt vereinbart: Am 26.09.2020 soll eine zentrale Protestaktion initiiert von der Kampagne Stopp Air Base Ramstein  gegen Drohnen und Krieg in Berlin stattfinden.

Schließt Euch/Schließen Sie sich den Protesten an! Wir müssen mehr werden! Massenhafter Protest gegen diese Pläne der Militarisierung und Atombewaffnung und für eine Schließung der Airbase Ramstein zwingt die Regierung etwas zu ändern.

Erklärung zur Absage der Friedenskonferenz in München

Der Vorstand der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative nimmt mit großem Unverständnis die Absage der Friedenskonferenz 2020 zur Kenntnis. Als langjähriger Mitveranstalter der Konferenz ist der Vorstand leider vor der Absage nicht kontaktiert worden. Dies wäre aber angesichts der friedenspolitischen Bedeutung und Tragweite dieser Entscheidung unbedingt notwendig gewesen.

Es ist für uns absolut unverständlich, dass in der jetzigen politischen Situation und bei der Bedeutung der sog. Sicherheitskonferenz (SIKO) für Militarismus und Krieg die Alternativkonferenz auf Grund von Schwierigkeiten mit einem Grußwort der Stadt – die in jüngster Zeit durch zweifelhafte, undemokratische Entscheidungen aufgefallen ist – ausfallen soll. Es ist doch politisch „fast normal“, dass diese friedenspolitische Anti-Kriegsveranstaltung politisch angegriffen und diffamiert wird. Gerade die Ergebnisse der letzten Zeit haben doch erneut dokumentiert, dass nur eine offensive gemeinsame Zurückweisung der unbegründeten Angriffe die richtige und einzige Antwort der Friedensbewegung sein kann. Wir sind sicher, dass ein gemeinsamer Diskussionsprozess aller Beteiligten, angesichts der hohen politischen und moralischen Bedeutung, zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.

Die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative wird weiter die Proteste gegen die sog. Sicherheitskonferenz in München – besonders die Demonstration – aktiv unterstützen.

In Gedenken an Dietrich Schulze

„Auf die Idee, Zivilklauseln für das Bankwesen zu fordern, ist noch niemand gekommen. Mir würde schon genügen, die Großbanken unter öffentliche Kontrolle zu stellen, so wie das nach der Befreiung 1945 Allgemeingut war. Etwas der Zivilklausel Ähnliches wird für Industriefirmen mit Rüstungsproduktion gefordert. Das nennt sich Rüstungskonversion, d.h. Umstieg von militärischer auf zivile Produktion unter Einsatz der Fachkenntnisse der Beschäftigten bei Sicherung der Arbeitsplätze. […] Wer von den friedensbewegten EU-Parlamentariern packt dieses konkrete und ambitionierte EU-Friedensprogramm an? “

Dietrich Schulze

 

Dietrich verstarb mit 79 Jahren in seiner Heimatstadt Karlsruhe.

Einer der aufrechtesten Friedenskämpfer und Naturwissenschaftler ist nicht mehr unter uns. Er hasste den Krieg und die Kriegstreiber. Unermüdlich sein Engagement gegen Aufrüstung und Atomwaffen – sei es in den 80 Jahren gegen Pershing 2 und Cruise-Missiles, sei es gegen die völkerrechtswidrigen Kriege Deutschlands oder der NATO. Er war mit uns in Bonn und Berlin, als Hundertausende, ja Millionen, aufgestanden sind gegen Kriege.

Frieden war für ihn die ultimo Ratio. Da war der Physiker Dietrich ganz Wissenschaftler und Ingenieur, der auf seine eigene Profession immer einen kritischen Blick hatte. Nie hat er die Verquickung der Wissenschaft in die Unterstützung des Faschismus und Militarismus vergessen. Antifaschismus war seine Herzensangelegenheit.

Leere Worte und Bekenntnisse waren dabei nicht seine Sache. Organisationen, Posten und Kampagnen waren ihm nur Mittel, niemals Selbstzweck. Ohne ihn hätte es die Zivilklausel-Bewegung nach 2009 nicht gegeben. Er war zu ihrer Geburtsstunde an der Universität Karlsruhe ebenso dabei wie bei den vielfältigen Veranstaltungen und Treffen in den 10 Jahren seither. Seine Bereitschaft, Debatten und Beschlüsse zu dokumentieren, gaben der Kampagne eine Geschichte und ein Gesicht. Sein Widerspruch und seine Beharrlichkeit haben die Institution Wissenschaft herausgefordert und den Menschen näher gebracht. Seine Analysen und Vorschläge belebten jede Diskussion.

Dietrich war ein Naturwissenschaftler, der seine Wissenschaft geliebt hat. Er war sich ihrer Grenzen, ihrer Verquickungen in Krieg und Unterdrückung immer bewusst. Er hat diese Tatsachen immer wieder nachgewiesen und angeprangert. Er wusste, dass das spezialisierte Expertentum der Nährboden für Untertanengeist und Anpassung war. Daher vertrat er mit Mut auch außerhalb seines Faches eine Sache, wenn es die Richtige war. Unvergessen ist sein Zwischenruf, als die Demontage des Sozialstaats vorangetrieben wurde: Auf dem Gewerkschaftstag der ÖTV im November 2000 unterbrach Dietrich den damaligen Bundeskanzler Schröder bei dessen Vorstellung des neuen Rentenkonzepts mit den Worten: „Das ist nicht notwendig“, und provozierte damit den berühmten Kanzler-Ausspruch: „Das ist notwendig und wir werden es machen. Basta!“. Es ist diese Courage, die nicht nur mancher Debatte eine produktive Wendung gab, sondern auch Beispiel ist, dass erst der Widerspruch zu Erkenntnis führt.

Es wäre kein Dietrich, wäre da nicht auch der Querkopf, ja manchmal Sturkopf und ein Mensch mit Streitlust und Streitfähigkeit. Streit und Auseinandersetzung produktiv werden zu lassen, war sein Ziel, nicht immer hat er es erreicht.

Seit 1983 sind wir mit Dietrich und der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative gemeinsame Wege gegangen. Zahlreiche Veranstaltungen, Kongresse und Aktionen der Initiative, der er sich am meisten verbunden fühlte, hat er besucht, viele mit organisiert und geprägt. Er war bei den großen Ereignissen aber auch immer wieder da „wenn die Mühen der Ebene“ es erforderten. So manches Mal hat er den Vorstand und Verein ermuntert, und manches Mal getrieben, Entscheidungen zu fällen und Position zu beziehen. Wir haben ihn gebraucht und brauchen ihn noch.

Wir haben mit Dietrich einen Menschen verloren, dessen soziales Engagement für die Ärmsten und sozial Bedrängten in dieser Gesellschaft und weltweit sprichwörtlich ist und dies nicht nur als Betriebsratsvorsitzender. In der Ablehnung von Ungerechtigkeit war er unerbittlich.

 

Lieber Dietrich, Du wirst uns fehlen, in Deiner Unermüdlichkeit, in Deiner Vielfalt und Deinem Engagement, aber auch in der Lust, sich mit uns anzulegen.

Dein Weg hinterlässt tiefe Spuren, nicht nur in Karlsruhe und am KIT. Sie sind uns Aufruf und Ermutigung zugleich, in Deinem Sinne für Frieden und Gerechtigkeit weiter zu wirken. Ade Dietrich, Du fehlst schon jetzt.

 

Der Vorstand der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative

 

Foto: Michael Schulze von Glaßer

Antifaschismus ist gemeinnützig

Erklärung der Mitgliederversammlung der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative

Mit großer Besorgnis um die demokratische Kultur, die Aufklärung und den antifaschistischen Konsens des Grundgesetzes hat die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Bundesvereinigung der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) zur Kenntnis genommen.

Das Internationale Auschwitz Komitee hat diesen Vorgang zu Recht als Skandal bezeichnet, der das europäische Engagement gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus erheblich schwächt. Wir protestieren entschieden gegen diese Aberkennung. Die wichtige aufklärerische Bildungsarbeit der VVN-BdA leistet angesichts wachsender rechtsradikaler und faschistischer Gefahren einen unverzichtbaren Beitrag zur Stärkung der Demokratie.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist es beunruhigend, dass einzelne Finanzämter bestimmten Organisationen wie Attac oder VVN-BdA die Gemeinnützigkeit absprechen, deren Beitrag zu einem demokratischen, friedlichen Umgang miteinander außer Frage steht. Diese Werte sind die Grundlage wissenschaftlicher Arbeit.

Die Berufung des Finanzamtes Berlin auf den Bayerischen Verfassungsschutz ist äußerst fraglich. Dessen Glaubwürdigkeit steht seit den bis heute nicht aufgeklärten Verbindungen von Verfassungsschutzämtern mit den rassistischen Gewalttaten des NSU in Frage. Die Gründe der Aberkennung erscheinen uns fadenscheinig und, wenn gleichberechtigt angewandt, müssten sie ebenso für Institutionen wie die Bertelsmann Stiftung oder der BDI (Bundesverband der deutschen Industrie) gelten, deren Gemeinnützigkeit bis heute von keinem Finanzamt in Frage gestellt wurde.

Demokratie, die Freiheit und Unversehrtheit der Menschen, leben von demokratischem Engagement. Organisationen wie der VVN-BdA stehen für dieses Engagement. Deshalb fordern wir die uneingeschränkte Anerkennung der Gemeinnützigkeit.