Alles über Bord werfen? Friedenswissenschaft und Friedensbewegung im Kontext des Ukrainekrieges

von Melanie Hussak und Jürgen Scheffran

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg von Russland in der Ukraine hat die Koordinaten der internationalen Ordnung durcheinandergewirbelt. Glaubt man der Darstellung in Massenmedien und Regierungspolitik, herrscht zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg wieder Krieg in Europa, ungeachtet der Kriege in Jugoslawien und der ehemaligen Sowjetunion nach 1990. Es wird der Eindruck erweckt, die liberale Weltordnung habe über drei Jahrzehnte den Frieden in der Welt gesichert und wurde nun plötzlich durch einen skrupellosen Diktator aus dem Dornröschenschlaf gerissen. Unter dem Diktat der ausgerufenen »Zeitenwende«, in der alles von der Kriegslogik beherrscht wird, seien frühere Gewissheiten über Krieg und Frieden obsolet oder naiv geworden. Gehört die Friedenspolitik insgesamt auf den Prüfstand?