Solidaritätsbekundung mit dem Protest Tübinger Studierenden gegen die Militarisierung der Forschung

Ein Teil der Universität Tübingen wurde besetzt. Anlass ist u. a. das rüstungsrelevante Projekt „Cyber Valley“ (Informationen unter http://www.imi-online.de). Im Zentrum steht die zivil-militärische Zusammenarbeit zur Erforschung künstlicher Intelligenz. Sie konterkariert damit die Arbeit von tausenden (Natur-)WissenschaftlerInnen und Ingenieuren in aller Welt, die sich für Frieden und die Lösung von drängenden Problemen einsetzen. Die Besetzung ist daher ein überfälliger Schritt, den die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative ausdrücklich begrüßt. Der zu Recht von den Tübinger Studierenden kritisierte Einfluss privater Großunternehmen, insbesondere der rüstungsrelevanten Industrie, und die forschungsethisch problematische Exzellenzinitiative des Bundes sind nur zwei von vielen Beispielen, in welchem Umfang Universitäten betroffen sind. Universitäre Lehre und Forschung stecken seit Jahren in einer tiefen und permanenten Krise. Der Handlungsrahmen der universitären Selbstverwaltung ist mittlerweile stark eingeschränkt, die grundgesetzlich abgesicherte Autonomie der Forschung und Lehre gerät mit solchen Projekten weiter unter Druck. Dabei ist die Universität nur einer der Orte in der Gesellschaft, die von dieser Entwicklung betroffen sind. Während die Profite der Privatwirtschaft exorbitante Ausmaße annehmen, sind große Teile der Gesellschaft von den Folgen dieser Entwicklung bedroht. In dem Projekt des sogenannten „Cyber Valley“  laufen diese problematischen Entwicklungen exemplarisch zusammen. Politik und Wirtschaft arbeiten eng zusammen und schaffen neue Abhängigkeiten der Hochschulen Tübingen und Stuttgart. Die resultierende Auftragsforschung zu künstlicher Intelligenz ist auf eine schnelle Lieferung marktfähiger Anwendungen ausgerichtet und direkt an Kriegseinsätze gekoppelt. Die beschriebenen Abhängigkeiten erschweren eine dringend benötigte kritische Auseinandersetzung der ForscherInnen und der Öffentlichkeit mit ihrer Verantwortung für die Folgen dieser Forschung. Universitätsleitungen, -verwaltungen und Professorenschaft haben sich in diesem Krisenmodus eingerichtet. Studierendenstreiks sind ein legitimes Mittel, diese Bequemlichkeit des Weiter-so aufzubrechen. Doch die Entwicklungen seit 2009 haben gezeigt, dass punktuelle Brüche alleine keine bleibenden Veränderungen erreichen können. Die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative plant daher für 2019 die Wiederbelebung und Weiterentwicklung der Proteste auf dem Gebiet der – (natur)wissenschaftlich relevanten, aber defizitären – Zivilklauseln. Weitere Themengebiete werden in Zusammenarbeit mit Mittelbau, Studierenden, Professoren und Gewerkschaften folgen. Die Fragen von Verantwortung in Wissenschaft, Forschung und Lehre für eine friedliche, klimagerechte Welt sind drängendste Fragen der Gegenwart. NatWiss lädt dazu ein, gemeinsam Positionen und praktische Schritte zu entwickeln, um Antworten auf diese Fragen zu finden. Wir rufen die Kolleginnen und Kollegen, Professores, Mittelbau und Emeriti dazu auf, sich an den legitimen Protesten zu beteiligen und in Lehrveranstaltungen und Seminaren die Entwicklung der Universitäten zu thematisieren. Fachleute von NatWiss e.V. stehen für dezentrale Diskussionsveranstaltungen auf Anfrage zur Verfügung.

Defend the INF Treaty

The International Peace Bureau (IPB) and its partners published an appeal to defend the INF Treaty on Saturday, the 8th of December 2018, in the Guardian (page 45). NatWiss also signed the appeal.

The appeal reads:

“Defend the INF Treaty

President Trump’s threat to withdraw the USA from the Intermediate-Range Nuclear Forces (INF) Treaty marks a dangerous escalation on the path to a 21st century US-Russian Cold War. The INF Treaty, which millions of people around the world fought for and won, was negotiated in 1987 and marked the beginning of the end of the Cold War.

It led to the elimination and renunciation of deployments of all US and Russian nuclear and conventional ground-launched cruise and ballistic missiles with ranges of 500 to 5,000 km. This dramatically reduced the danger of Europe becoming the primary theatre for nuclear war.

Abandoning the INF Treaty, combined with the possible expiry of the New START Treaty in 2021, will end all nuclear arms agreements between the two countries that possess more than 90% of the world’s nuclear weapons, opening the way for an unrestrained and dangerous nuclear arms race.

President Trump’s threat to abandon this treaty builds on the recent history of military expansion, including that of NATO; on plans for “more usable” nuclear weapons; on the withdrawal from the Anti-Ballistic Missile Treaty; and on the commitment to develop and deploy a new generation of US nuclear weapons, their delivery systems and missile defences.

President Putin has responded by reiterating Russia’s commitment to maintain the Mutually Assured Destruction “balance of forces” with the USA. Already Russian nuclear-capable missiles have been deployed to Kaliningrad, at the edge of Europe, and President Putin has threatened to match any US missile deployments in Europe.

We urgently appeal for negotiations to preserve and reinforce the INF Treaty; for the adoption of and adherence to no-first-use doctrines; for credible commitments to fulfil the nuclear powers’ Nuclear Non-Proliferation Treaty disarmament obligations; and for nuclear arsenal reductions with savings redirected to address essential human needs. All other nuclear-armed states, including China, should be involved in future INF-related negotiations.

We call on all countries to ratify the Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons, adopted by the UN in 2017, which offers a solid international framework toward the elimination of nuclear weapons.

To avert a new nuclear arms race, we call on people and countries throughout the world to use all political and diplomatic means available to defend the INF Treaty and to work for a nuclear-free world.

Act now in the name of human survival!”

Bericht vom Kongress Wissenschaft zwischen Krieg und Frieden

Kongress der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative, Berlin, 15.-16. Juni 2018

von Malte Albrecht

Angesichts hoher Rüstungsausgaben, eines zunehmenden Waffenhandels und des Vormarsches neuer Milita¨rtechnologien hatte sich die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative (NatWiss) für ihren diesjährigen Kongress »Wissenschaft zwischen Krieg und Frieden« vorgenommen, die Wissenschaft von heute einer Standortbestimmung zu unterziehen. Gefördert von der GEW und unterstützt durch BdWi, FIFF, IALANA, IPB, IPPNW, VDW und W&F1 diskutierten Fachleute aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft, welche Rolle der Wissenschaft bei der weltweiten Militarisierung zukommt. Eng damit gekoppelt ging es auch um konkrete Möglichkeiten, Verantwortung und Wissenschaft zusammen zu denken: Welche Verantwortung tragen Wissenschaftler*innen und was kann jede(r) Einzelne zum Frieden beitragen?

Ausgangspunkt waren Überlegungen zur aktuellen Situation wissenschaftlichen Arbeitens. Die Wissenschaftler*innen sind konfrontiert mit unzureichenden Reformen an den Universitäten, dem Fehlen öffentlicher Gelder und der zunehmenden Drittmittelabha¨ngigkeit von Forschung und Lehre, was den Druck verstärkt, Projekte einzuwerben. Zentrales Ergebnis des Kongresses war im Abschlussplenum die Forderung nach Wiederbelebung und Erneuerung der Idee einer Zivilklausel. NatWiss e.V. wird daher für 2019 einen Kongress der Zivilklausel-Bewegung initiieren.

In ihrem Grußwort zu Beginn der Tagung betonte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe, Frieden, integrales Ziel der gewerkschaftlichen Bewegung und Geschichte, sei auch im Wissenschaftsbetrieb von großer Bedeutung. Tepe plädierte dafür, in der Wissenschaft die Arbeitsbedingungen an den Forschungseinrichtungen mit in den Blick zu nehmen. Es gebe bereits gute Anknüpfungspunkte für die Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Wissenschaft. Das »Templiner Manifest« (2010) der GEW beispielsweise habe gezeigt, an welchen Stellen es dringenden Handlungsbedarf gebe. Tepe betonte darüber hinaus den Willen der GEW, weiterhin eine Zusammenarbeit zu fördern.

Dr. Alex Rosen, Kinderarzt und Vorsitzender der deutschen Sektion der IPPNW, erinnerte an die verheerenden Folgen der Atombomben-Abwürfe auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki. Am Beispile des im Juli 2017 vereinbarten »Vertrags über das Verbot von Kernwaffen« (Ban Treaty) stellte Rosen einen Vertragsprozess innerhalb der Vereinten Nationen, unter Mitwirkung der Zivilgesellschaft, als Möglichkeit vor, den Gefahren der nuklearen Aufrüstung in Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu begegnen.

Professor Lothar Brock (VDW) von der Goethe-Universität Frankfurt reflektierte die Wissenschaft als Teil organisierter Gewalt. Dabei ging er insbesondere auf das widersprüchliche Verhältnis von Wissenschaft und Krieg ein: Während Wissenschaft durch Forschungsaufträge und -mittel vom Krieg profitiert, wird sie durch Krieg gleichzeitig außer Kraft gesetzt. Krieg ist ohne Wissenschaft unmöglich, gleichzeitig steht die Wissenschaft aber auch für die Kritik des Krieges. Es sei demnach mitnichten so, dass Wissenschaft und Krieg sich historisch wechselseitig nur befördert hätten. In der Beziehung zwischen Wissenschaft und Krieg konstatierte Brock eine Entwicklung. So seien mit der Umorientierung von der Militärwissenschaft zur sicherheitspolitischen Forschung und der Dual-use-Problematik inzwischen alle Teile des Wissenschaftsbetriebs mit kriegsrelevanter Wissensproduktion konfrontiert. Dies gelte neben den technischen Entwicklungen ebenso für die Produktion legitimatorischen Wissens. Als Handlungsfelder identifizierte Brock zum einen wissenschaftsimmanente Mechanismen der Kontrolle und Reflexion. Dazu seien der Einsatz für mehr Transparenz sowie wissenschaftliche Überzeugungsarbeit im öffentlichen Raum geeignete Wege. Die Stärkung internationaler Kooperation im Rahmen der Vereinten Nationen und ihrer rechtlichen Grundlagen sowie die Beteiligung von Akteur*innen aus der Wissenschaft an der Entwicklung ziviler Konfliktbearbeitungsstrategien seien weitere Möglichkeiten der Einflussnahme. Dabei sei es wichtig, dass die zivile Konfliktbearbeitung nicht der Logik militärischer Sicherheitspolitik verhaftet bliebe. Politische Phänomene, wie die internationale Zusammenarbeit der Rüstungsindustrie, Klimawandel und damit verbunden die Konkurrenz menschlicher Interessen in einer globalisierten Welt, seien Herausforderungen auch für Wissenschaftler*innen. Brock plädierte daher dafür, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Wissenschaft das ist, was sie schon immer war: nicht nur eine Denkveranstaltung, sondern immer auch ein politischer Akteur.

Reiner Braun (NatWiss) wies auf die zahlreichen aktuellen Herausforderungen hin: die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, das Pariser Klimaabkommen und das Ziel, die Auswirkungen der Klimakatastrophe abzuwehren, sowie die Armut auch im eigenen Land, die breiter werdende Kluft zwischen Arm und Reich, die Furcht von Millionen vor dem Abrutschen in Armut. Zugleich seien die aktuellen Entwicklungen direkte Folgen politischer Prioritätensetzung auf nationaler und internationaler Ebene. Während Gemeinsinn vor Profit und die Interessen der 99 % gegen die der 1 % durchgesetzt werden sollten, sei die Realität im neoliberalen Kapitalismus von Konfrontation statt Kooperation, dem täglichen Töten als Gegenpol zum täglichen Ringen um Leben und Überleben, Rüstungsexporten und völkerrechtswidrigen Drohnen-Einsätzen geprägt. Diese konfrontative Politik berge die Gefahr eines Weltbrandes. Die Friedensbewegung sei ein schwacher, aber umso notwendiger Teil der Lösung der drängendsten Herausforderungen. Hier gebe es drei Handlungsfelder: Abrüstung, Schaffung eines internationalen Klimas der Kooperation statt Konfrontation sowie ein mutiges und kontinuierliches Engagement für den Frieden.

Claudia Haydt von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) sprach über den Stand der Militärforschung in Deutschland. Dabei machte sie deutlich, dass aktuelle militärische Entwicklungen und Aufrüstung ohne Zugriff auf wissenschaftliche Erkenntnisse und Forschung nicht möglich sind. Als Beispiel nannte sie das neue Konzept der Bundesregierung zur Bundeswehr, insbesondere die Konzeption zur »Cybersicherheit«. Haydt betonte, Rüstungsforschung sei eigentlich kein Bestandteil öffentlicher Forschungsförderung des BMBF. Dennoch hätten sich die Ausgaben des BMBF für rüstungsbezogene Forschung zwischen 2010 und 2015 (sieben Millionen Euro pro Jahr) im Vergleich zu dem Jahr 2000 (vier Millionen Euro pro Jahr) fast verdoppelt. Diese Zahlen zeigen, so Haydt, dass die öffentlichen rüstungsbezogenen Forschungsgelder für die Universitäten keine wichtige Einkommensquelle darstellten, für das Militär jedoch den unverzichtbaren Zugriff auf wissenschaftliche Forschungsergebnisse ermöglichen. Dies identifizierte Haydt als ein wichtiges Handlungsfeld. Trotz der Unzulänglichkeiten der Zivilklauseln plädierte Haydt für eine Weiterentwicklung dieses Instruments und die Herstellung von Öffentlichkeit.

Hartwig Hummel, Professor an der Universität Düsseldorf und bis vor Kurzem Vorstandsmitglied von W&F, griff das Thema der Verantwortung und der Zivilklauseln auf und plädierte für eine Weiterentwicklung des Wissenschaftsdiskurses. Im Vergleich zwischen Japan und Deutschland zeigte Hummel am Beispiel von fünf zentralen Argumentationslinien die Unterschiede auf, die das Wissenschaftsverständnis in Japan und Deutschland prägen. So gelte in Deutschland die Zivilklausel als unerwünschte Politisierung der Forschung, denn hier stehe die individuelle Verantwortung des*der Wissenschaftlerinnen im Fokus. In Japan hingegen gelte gerade die Ablehnung von Militärforschung als Ausdruck ethisch und gesellschaftlich verantwortlicher Wissenschaft. In der Frage der Wissenschaftsfreiheit stünden in Deutschland nach vorherrschender Überzeugung Zivilklauseln für einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit. Im japanischen Verständnis hingegen störe jede Investition in militärische Forschung die selbstbestimmte und freie Entfaltung der Wissenschaft. Militäreinsätze sowie die Forschung für militärische Zwecke gälten in Deutschland als legitim, in Japan hingegen verstehe sich die Wissenschaft als kosmopolitische Forschungsgemeinschaft, in der nationale Militärforschung keinen Platz habe. Dies zeige sich auch im Umgang mit der Dual-use-Frage. In Deutschland gälte die kritische Hinterfragung von Dual-use-Forschung als unpraktikabel, während in Japan Zivilklauseln von Kommissionen genutzt würden, um die negativen Auswirkungen militärisch nützlicher Forschung zu erkennen. Jegliche militärische Forschungsfinanzierung stehe unter Generalverdacht. Während in Deutschland die individuelle Forschungsverantwortung betont werde, seien in Japan die einzelnen Forscher*innen Teil einer Forschungsgemeinschaft. Die Institutionen dieser Gemeinschaft, wie Hochschulen und ihre Fachverbände, seien daher mindestens ebenso Träger einer kollektiven Verantwortung.

In der Podiumsdiskussion mit Professor Hartmut Graßl (VDW), Professor Werner Ruf (Friedensforscher) und Professor Ernst Ulrich von Weizsäcker (Club of Rome) standen die Fragen nach Wissen, seiner Verbreitung und den Bedingungen der Wissensproduktion in Forschungseinrichtungen im Zentrum. Von Weizsäcker betonte die Bedeutung der Folgen wissenschaftlicher Forschung, die die Existenzbedingungen der Menschheit in Frage stellen. Künstliche Intelligenz, Geo-Engineering und CRISPR/Cas sowie Gene Drive seien Entwicklungen, über deren mögliche Folgen wenig bis gar keine öffentliche Diskussion stattfinde. Von Weizäcker plädierte daher für eine aktive Rolle von Wissenschaftler*innen und ihren Organisationen, wie NatWiss e.V., als Akteure, die zu einem kritischen Bewusstsein der Menschen beitragen könnten. Ihre Aufgabe sei es, das Wissen über ihre Forschung in eine breite, öffentliche Diskussion einzubringen. Dabei gehe es auch darum, den militärisch relevanten Charakter dieser Entwicklungen aufzuzeigen.

Werner Ruf stellte die Frage nach den gesellschaftlichen Produktionsbedingungen von Wissen. Neben der Prekarisierung der Beschäftigungsverhältnisse an den Universitäten mit Zeitverträgen und geringer öffentlicher Finanzierung sei vor allem auch die zunehmende Rolle von Drittmitteln problematisch. So gelte inzwischen Drittmittelförderung als Nachweis von Wissenschaftlichkeit, was in der Formel münde: Auftragsforschung = Wissenschaftlichkeit. Im Mittelbau gebe es subtile Mechanismen, die dazu führen, dass unter Bedingungen existenzieller Nöte kaum mehr darüber reflektiert werde, welche Folgen die eigene Forschung habe. Im Bereich der Zivilgesellschaft lasse sich zudem eine zunehmende Militarisierung beobachten. Angesichts der Mitarbeit von 200 Nichtregierungsorganisationen am verteidigungspolitischen Weißbuch der Bundesregierung stelle sich die Frage, ob es sich um einen Demokratisierungsprozess oder nicht eher um einen Militarisierungsprozess handele. Ruf identifizierte daher die Verbesserung der materiellen Existenzbedingungen im Wissenschaftsbetrieb als ein zentrales Handlungsfeld für die Ermöglichung einer unabhängigen Wissensproduktion. Hier ergäben sich auch Anknüpfungspunkte für die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften.

Hartmut Graßl knüpfte an das Plädoyer von Weizsäckers an und berichtete von der Einrichtung einer Arbeitsgruppe in der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) zu den Folgen von Künstlicher Intelligenz (KI). Graßl verglich die Gefahren der KI mit der Bedrohung durch einen Atomkrieg. Diese Folgen seien nicht ausreichend präsent im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs. In Ergänzung zu den Beträgen von Weizsäckers und Rufs betonte Graßl, dass es viele Wissenschaftler*innen gäbe, die für das Militär arbeiten würden. In Erwiderung zu Hartwig Hummel stellte Graßl die Frage, weshalb eine solche Kultur in Japan möglich geworden sei. Die Schutzgarantien anderer Länder hätten eine Fokussierung auf eine friedliche Kultur ermöglicht. Auch Deutschland habe diese Schutzgarantien. Graßl plädierte als Vorsitzender der VDW für eine optimistischere Perspektive. Die Klima-Charta von Paris, 70 Jahre friedliches Zusammenleben und die EU als Friedensunion seien das Resultat einer vernünftigen Handlungsweise und gäben Anlass für Optimismus, aber auch für andauerndes Engagement mit dem Ziel eines friedlichen Zusammenlebens.

Ausgehend von einer kritischen Analyse der Faktoren, die zur Bedrohung durch Aufrüstung und Klimakonflikte führen, diskutierte Professor Jürgen Scheffran (NatWiss/VDW) Beiträge der Wissenschaft zum nachhaltigen Frieden. Zugrunde liegen Fragen nach der Verantwortung der Wissenschaft, wie wissenschaftliche Erkenntnisse die Gesellschaft beeinflussen und formen, wie Wissenschaft kommuniziert und angewendet wird und wie nachhaltige und friedensfördernde Wissenschaft beratend und aktiv in gesellschaftliche und politische Prozesse einfließen kann, als Teil einer „»neuen Aufklärung«. Hierfür gibt es historische Beispiele, vom Russell-Einstein-Manifest und der Göttinger Erklärung gegen die Atombewaffnung der Bundeswehr über die Untersuchung nuklearer Risiken bis hin zu wissenschaftlichen Bemühungen um eine friedliche und nachhaltige Welt ohne nukleare Bedrohung. Hierzu gehören auch jüngste Forschungen zu den Sicherheitsrisiken des Klimawandels – von Wasser- und Landkonflikten über die Zerstörungen durch Wetterextreme bis hin zu globalen Vertreibungen und Fluchtbewegungen. Diese Risiken verdichten sich zusammen mit anderen globalen Problemen (Gewaltkonflikten und Terrorismus, Hunger und Armut, Wirtschaftskrise und Nationalismus) zu immer neuen Krisenherden. Im Zeitalter des Anthropozän stößt die forcierte kapitalistische Globalisierung zunehmend auf ökologische, ökonomische, soziale, politische und wissenschaftlich-technische Grenzen. Statt Zerstörungs- und Gewaltmittel weiter zu steigern, sollten Innovationen in Wissenschaft und Technik die Transformation in eine lebensfähige und lebenswerte Welt ermöglichen, die durch nachhaltige Entwicklung und kooperative Friedenssicherung im gemeinsamen Haus unseres Planeten gekennzeichnet ist. Alternativen gibt es genug, vom Atomwaffenverbotsvertrag und dem Pariser Klimaabkommen, die jeweils von einer Koalition von Staaten mit der Zivilgesellschaft herbeigeführt wurden, bis zum Umbau in eine erneuerbare Energieversorgung und eine kohlenstoffarme Gesellschaft, die Ökosysteme bewahrt, allen Menschen Wohlstand und ein friedliches Zusammenleben ermöglicht.

In einem Abschluss-Plenum, in dem auch die Ergebnisse der verschiedenen Workshops vorgestellt und diskutiert wurden, wurde die Forderung nach Erneuerung der Zivilklausel-Bewegung besonders deutlich. Ein Kongress zur Zivilklausel wurde in Zusammenarbeit mit den Partnern des Kongresses in die Planung von NatWiss e.V. aufgenommen und befindet sich in Vorbereitung für das Frühjahr 2019.

Anmerkung

1) BdWi = Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler; GEW = Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft; FIFF= Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung; IALANA = IALANA Deutschland – Vereinigung für Friedensrecht; IPB = International Peace Bureau; IPPNW = International Physicians for the Prevention of Nuclear War; VDW = Vereinigung Deutscher Wissenschaftler; W&F = Wissenschaft und Frieden.

Erstveröffentlichung des Artikel in Wissenschaft & Frieden 2018-4: Kriegsführung 4.0

NachDenkSeiten: Das Ende des INF-Vertrages wäre das Ende einer internationalen Abrüstungspolitik

Werden die USA wieder Mittelstreckenraketen in Europa stationieren? Das könnte zumindest dann der Fall sein, wenn die Ankündigungen von US-Präsident Donald Trump umgesetzt werden. Dieser hatte vor kurzem gesagt, dass der so genannte INF-Vertrag zur atomaren Abrüstung aufgekündigt werde. Im Interview mit den NachDenkSeiten warnt Pascal Luig vor den weitreichenden Konsequenzen, die sich aus dem Ende des Vertrages, der den Bau und Besitz landgestützter, atomarer Raketen verbietet, ergeben können. Der Geschäftsführer der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative geht davon aus, dass erneut ein ungehemmtes atomares Wettrüsten zwischen den Großmächten droht und es zu einer Stationierung von neuen landgestützten Atomwaffen in Europa kommen könnte. Ein Interview über den INF-Vertrag, das „Vermächtnis der Friedensbewegung“ und die möglichen Hintergründe für das Verhalten der USA. […]

Das ganze Interview auf den NachDenkSeiten lesen >

Sputnik: Droht ein globales Wettrüsten?

Droht mit dem Ausstieg der USA aus dem Abrüstungsvertrag INF ein globaler Atomkrieg? Experten sind sich einig, die Gefahr war noch nie so groß. Laut dem Historiker Reiner Braun, Co-Präsident des International Peace Bureau und stellv. Vorsitzender von NatWiss, wäre Deutschland das Hauptschlachtfeld einer nuklearen Vernichtung. Auch zieht er Parallelen zum Beginn des Ersten Weltkriegs. […]

Ganzen Artikel auf Sputnik lesen >

audimax Na.Wi: FÜR FRIEDEN UND ZUKUNFTSFÄHIGKEIT – Interview mit Malte Albrecht

Für Frieden und Zukunftsfähigkeit – Diese Verantwortung wollen die Naturwissenschaftler von NatWiss übernehmen. Vorstandsvorsitzender Malte Albrecht erzählt im Interview mit autimax Na.Wi 11/2018, warum dieses Engagement wichtig und richtig ist.

Das Interview kann hier als PDF heruntergeladen werden >

Die gesamte Ausgabe audimax Na.Wi 11/2018 kann hier gelesen und heruntergeladen werden >

Rettet den INF-Vertrag zur Vernichtung aller landgestützten Mittelstreckenraketen in Europa!

Die Naturwissenschaftlerinitiative „Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit“ wurde vor mehr als 30 Jahren gegründet in der Auseinandersetzung gegen die Stationierung der nuklearen Mittelstreckenraketen in Europa, die in den achtziger Jahren ein Antrieb für den Aufschwung der Friedensbewegung war. Die Absicht der Trump-Administration, den Vertrag zum Verbot dieser Waffen aufzukündigen, gefährdet den Weltfrieden.

Aus der Besorgnis vor einer erneuten Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen und mit der Warnung vor den Gefahren eines atomaren Wettrüstens wenden wir uns an die Öffentlichkeit unseres Landes, an die Politik und an die Friedensbewegung:

Lassen Sie uns gemeinsam das INF-Abrüstungsabkommen verteidigen. Als bisher einziges Abkommen hat es zur Verschrottung einer ganzen Kategorie von Atomwaffen, also zu realer Abrüstung geführt. Es kann daher auch als Null-Lösung in anderen Bereichen dienen. Dieses von Michael Gorbatschow und Ronald Reagan im Dezember 1987 unterzeichnete Abkommen ist eine historische Errungenschaft des weltweiten Abrüstungsprozesses und darf nicht einer wahnwitzigen Aufrüstungs- und Konfrontationspolitik des jetzigen Präsidenten der USA Donald Trump und seiner rechtskonservativen Regierung geopfert werden.

Das Ende des INF Vertrages wäre mehr als die Beendigung eines Vertrages, es wäre das Ende einer internationalen Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik, die Europa und die Welt sicherer gemacht hat vor den Gefahren eines Atomkrieges. Nur wenn wir dieses Abkommen verteidigen, kann die Tür zu einer Welt ohne Atomwaffen weiter geöffnet werden. Das Ende dieses Vertrages wäre ein schwerer politischer Schlag auch gegen den Atomwaffenverbotsvertrag. Ein ungehemmtes atomares Wettrüsten droht.

Wenn es Verletzungen des INF Abkommens gegeben haben sollte, hat das INF-Vertragswerk dazu klare Regelungen. Die entsprechende Kommission der beiden Unterzeichnerstaaten muss einberufen werden. Dieses ist seit 2017 nicht mehr geschehen. Propagandistische Anklagen helfen nicht weiter und lenken von den wahren Motiven ungehemmter Aufrüstung ab.

Die Naturwissenschaftlerinitiative fordert die Bundesregierung auf: Nehmen Sie in einer Regierungserklärung öffentlich positiv zu dem Vertrag Stellung. Erklären Sie unmissverständlich, dass eine erneute Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden nicht infrage kommt und fordern Sie die USA auf, die noch stationierten Atomwaffen aus Büchel abzuziehen.

Wir wenden uns an die Friedensbewegung: protestiert mit uns laut und unüberhörbar gegen eine erneute atomare Aufrüstung. Eine Welt ohne Atomwaffen ist das Ziel, nicht ein atomar bestücktes Europa.

Europa, es ist Zeit, die Abhängigkeit vom Wirtschaftswachstum zu beenden*

Diese Woche findet in Brüssel eine Konferenz mit Wissenschaftler*innen, Politiker*innen und politischen Entscheidungsträger*innen aus allen 28 EU-Staaten statt. Organisiert wird die Konferenz von Mitgliedern des Europäischen Parlaments aus fünf verschiedenen Fraktionen, Gewerkschaften sowie Nichtregierungsorganisationen. Ziel dieser Veranstaltung ist es, die Möglichkeiten einer „Postwachstumsökonomie“ in Europa auszuloten.

Aus dem offenen Brief:

„Zu den vorgeschlagenen Änderungen gehören unter anderem die Begrenzung des Ressourcenverbrauchs, eine progressive Besteuerung, um die zunehmenden Ungleichheiten zu beseitigen, sowie eine schrittweise Verringerung der Arbeitszeit. Die Ressourcennutzung etwa könnte durch die Einführung einer CO2-Steuer eingedämmt werden. Die Einnahmen hieraus könnten als Dividende an alle ausgeschüttet oder zur Finanzierung von Sozialprogrammen verwendet werden. Die Einführung eines Grund- und eines Maximaleinkommens würde die Ungleichheit weiter verringern. Gleichzeitig könnte dies dazu beitragen, die Sorgearbeit neu zu verteilen und die Machtungleichgewichte zu verringern, die die Demokratie untergraben. Neue Technologien könnten genutzt werden, um die Arbeitszeit zu verkürzen und die Lebensqualität zu verbessern, anstatt dafür Massen von Arbeitenden zu entlassen und die Profite der wenigen Privilegierten zu steigern.“

Die Gruppe von Sozial- und Naturwissenschaftler*innen aus allen 28 EU-Staaten fordert die Europäische Union, ihre Institutionen und die Mitgliedstaaten abschließend auf:

  1. Eine Sonderkommission im EU-Parlament einzurichten, die sich mit den Zukunftsperspektiven für eine Zeit nach dem Wachstum (Post-Growth-Futures) befasst.
  2. Alternative Indikatoren in den makroökonomischen Rahmen der EU und ihrer Mitgliedstaaten einzubeziehen.
  3. Den Stabilitäts- und Wachstumspakt in einen Stabilitäts- und Wohlstandspakt umzuwandeln.
  4. Ein Ministerium für wirtschaftliche Transformation in jedem Mitgliedstaat einzurichten.

Ganzer Brief und Liste der Unterzeichner auf COOPPA >

*Wir möchten diesen Aufruf bekanntmachen, obwohl er viel Platz für Kritiken öffnet. Das Thema „Wachstum“ zwingt uns Fragen über die Basis unserer Wirtschaft und unserer Lebensweise auf. Eine Übernahme von Verantwortung für Frieden und Zuklunftsfähigkeit gibt es ohne solche Diskussionen nicht. Daher stellen wir diesen Aufruf auf unsere Webseite, ohne dass er als offizielle Stellungnahme von NatWiss gelten soll.

Syrienkrieg: Stoppt den Krieg – verhandeln ist das Gebot der Stunde – keine weitere deutsche Kriegsbeteiligung

Stoppt den Krieg – verhandeln ist das Gebot der Stunde – keine weitere deutsche Kriegsbeteiligung

Angesichts der dramatischen Verschärfung des Krieges in Syrien, der durch die verstärkte Beteiligung aller Großmächte auch zu einem Weltbrand ausarten kann, fordert die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative erneut: sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen in Astana und Genf.

Sie wendet sich mit Entschiedenheit gegen eine weitere völkerrechtswidrige Beteiligung an den Luftangriffen in Syrien. Die Überlegungen in der Bundesregierung und den Jamaika Parteien sind erwiesenermaßen völkerrechts- und verfassungswidrig. Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat festgestellt: „Im Ergebnis wäre eine etwaige Beteiligung der Bundeswehr an einer Repressalie der Alliierten in Syrien in Form von „Vergeltungsschlägen“ gegen Giftgas-Fazilitäten völkerrechts- und verfassungswidrig“. 

Jeder Chemiewaffeneinsatz verstößt fundamental gegen die UN Charta und den Chemiewaffenverbotsvertrag. Die Anklage eines Landes ohne Beweise ist eine Feindbildprojektion, die das eigene völkerrechtswidrige Handeln legitimieren soll. Die NATO-Staaten haben durch ihr völkerrechtswidriges Verhalten  im Irak, in Jugoslawien, Libyen und Syrien jegliche Glaubwürdigkeit verloren. „Jeder Krieg beginnt mit einer Lüge“ hat es Bertolt Brecht genannt.

Frieden verlangt ein Ende der Kämpfe und ein umfassendes Aufbauprogramm. Hieran soll sich die Bundesregierung durch Kürzung des Rüstungshaushaltes massiv beteiligen.

Das Töten muss gestoppt werden, die weitere Aufrüstung zu neuen Kriegen verhindert werden.

Sollte es erneut zu einer völkerrechtswidrigen Beteiligung der Bundesregierung an einem Kriegseinsatz kommen, ruft die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative zum Protest auf den Straßen und Plätzen auf.

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