Quo vadis, Friedensforschung?

herausgegeben von Malte Albrecht, Sabine Jaberg, Christiane Lammers, Werner Ruf und Jürgen Scheffran

2022 war ein Jahr, in dem Friedensund Konfliktforschung in besonderer Weise gefordert war. Kein Krieg in der jüngeren Vergangenheit hat die bundesdeutsche Öffentlichkeit so anhaltend und folgenreich geprägt und gespalten, wie der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Neben die einhellige Verurteilung des Krieges tritt die Kontroverse um Ursachen und politischen Umgang mit dem Krieg: Hat die NATO wesentlich dazu beigetragen, dass der Konflikt eskaliert ist? Muss die Ukraine militärisch unterstützt werden? Soll Russland „ruiniert“ (Baerbock) werden? Soll der Krieg schnellstmöglich durch Verhandlungen beendet werden?

Das jährliche Friedensgutachten, eine Gemeinschaftsproduktion der großen Forschungsinstitute in Deutschland, sorgte sowohl in der friedensbewegten als auch der friedenswissenschaftlichen Community für Irritationen. Medial wurden vor allem dessen Legitimierung von Waffenlieferungen und die Warnung vor einem Atomkrieg kolportiert. Das Friedensgutachten hat damit die Möglichkeit weitgehend verpasst, das öffentliche Wissen um die Ursachen und die zivile Beendigung von Kriegen in der Debatte zu stärken.

Das nun vorliegende Dossier ist ein Ergebnis dieser Irritation und anschließender Diskussionen über die Frage nach Möglichkeiten, Limitierungen und Abhängigkeiten heutiger Friedensforschung. Die versammelten Beiträge sollen eine Inspiration für wissenschaftlich und politisch engagierte Menschen gleichermaßen sein, die engen Grenzen des Bestehenden für friedenslogische Argumentationen zu öffnen.

Die Energiewende als Beitrag zur Resilienzstärkung und Friedenssicherung in Europa

Der Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine droht die menschengemachte Erderhitzung und die Gestaltung einer klimagerechten Zukunft aus dem Blick geraten zu lassen. Wir führen in diesem Diskussionsbeitrag aus, welche Probleme sich aus der aktuell verfolgten Energiepolitik ergeben haben und welche sich daraus zukünftig ergeben können. Weiterhin argumentieren wir, dass eine konsequente Wende der Europäischen Union zu einer dezentralen, regenerativen Energieversorgung ein entscheidender Baustein zur europäischen Sicherheit und ein wichtiger Beitrag zu einer nachhaltigen und resilienten Friedenssicherung ist. Vor diesem Hintergrund empfehlen wir: 1. die soziale Gerechtigkeit in den Fokus zu rücken; 2. die Verfügbarkeit kritischer Rohstoffe für erneuerbare Energiesysteme sicherzustellen; 3. europäische Produktionskapazitäten für regenerative Energiesysteme (wieder-)aufzubauen; 4. Resilienz nicht durch vermeidbare Energieimporte zu gefährden; 5. Resilienz durch Dezentralisierung und Regionalisierung der Energieinfrastruktur zu stärken; 6. Sicherheitsprobleme zu vermeiden, die mit Smart Grids verbunden sind; 7. eine breite wirtschaftliche Teilhabe an erneuerbaren Energiesystemen zu fördern.

Brendel, H., Bohn, F.J., Crombach, A., Lukas, S., Scheffran, J., Baumann, F., Elverfeldt, K. von, Finckh-Krämer, U., Hagedorn, G., Hardt, J., Kroll, S., Linow, S., Stelzer, V. (2023). Die Energiewende als Beitrag zur Resilienzstärkung und Friedenssicherung in Europa. Diskussionsbeiträge der Scientists for Future 14 (27.02.2023), 15 Seiten. doi: 10.5281/zenodo.765795

Offener Brief: Ein Moratorium für die Räumung von Lützerath

Eine Gruppe von WissenschaftlerInnen der Scientists for Future (S4F) hat in einem Offenen Brief an den Ministerpräsidenten von NRW, die Stellvertretende Ministerpräsidentin und den verantwortlichen Ressort-Minister dazu aufgerufen, die Räumung von Lützerath mit einem Moratorium zu stoppen. Innerhalb von weniger als 24 Stunden unterzeichneten über 500 WissenschaftlerInnen das Schreiben.

Text des Offenen Briefs:

An
Herrn Hendrik Wüst, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen,
Frau Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie und stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen,
Herrn Herbert Reul, Minister des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen

Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen wir es als unsere Pflicht an, auf die Konsequenzen einer Räumung von Lützerath hinzuweisen.

Wir stellen die Frage nach den gesellschaftlichen Kosten einer erzwungenen Räumung. Welche Wirkung hat die Räumung im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit der deutschen Klimapolitik? Lützerath ist ein Symbol geworden. Es geht um ein aussagekräftiges Zeichen für die notwendige Abkehr vom fossilen Zeitalter. 

Es gibt substanzielle wissenschaftliche Zweifel an der akuten Notwendigkeit einer Räumung. Mehrere wissenschaftliche Gutachten [1,2, 3, 4, 7] kommen zu dem Schluss, dass ein Abbau der Braunkohle unter Lützerath für eine technische Versorgungssicherheit und Netzstabilität nicht nötig, sondern politisch bestimmt ist. Vielmehr steht die Förderung und Verstromung dieser Kohle einer am Pariser Klimaabkommen und dem europäischen Klimagesetz ausgerichteten Energiepolitik entgegen. Die Verschärfung des europäischen Emissionshandels vom 18.12.2022 auf minus 62 Prozent THG-Emissionen im Stromsektor bis 2030 (bezogen auf 1990) lässt mindestens fraglich erscheinen, ob Kohleverstromung in Deutschland bis 2030 noch wirtschaftlich sein wird [5].

Der Umstiegspfad auf erneuerbare Energien sollte sich somit insbesondere an einem deutschen und europäischen CO₂-Budget ausrichten, das mit den Klimazielen von Paris im Einklang steht und ethisch vertretbar ist [6].

Wir empfehlen ein Moratorium der Räumung.

Dieses bietet die Chance für einen transparenten Dialogprozess mit allen Betroffenen zur Entwicklung von zukunftsfähigen Pfaden der gesellschaftlichen Transformation und Zeit für die Überprüfung der zugrunde liegenden Entscheidungsprämissen. Die Glaubwürdigkeit der deutschen Klimapolitik würde wesentlich gestärkt werden – international und besonders bei der jungen Generation.

Literatur

[1] Nicolas Leicht & Philipp Hesel 2022. https://www.bund-nrw.de/fileadmin/nrw/dokumente/braunkohle/221128_EBC_Aurora_Kohleausstiegspfad_und_Emissionen_as_sent.pdf

[2] Catharina Rieve, Philipp Herpich, Luna Brandes, Pao-Yu Oei, Claudia Kemfert und Christian von Hirschhausen 2021, https://www.diw.de/de/diw_01.c.819607.de/publikationen/politikberatung_kompakt/2021_0169/kein_grad_weiter_-_anpassung_der_tagebauplanung_im_rheinisch___-grad-grenze__im_auftrag_von_alle_doerfer_bleiben__kib_e.v..html 

[3] Philipp Herpich, … Pao-Yu Oei. 2022: https://coaltransitions.org/publications/das-rheinische-braunkohlerevier/

[4] Philipp Herpich, Catharina Rieve, Pao-Yu Oei, Claudia Kemfert 2022: https://vpro0190.proserver.punkt.de/s/K43yiKR4Yz3Xxeg

[5] Europäische Kommission. „Fit für 55“: Rat und Parlament erzielen vorläufige Einigung zum Emissionshandelssystem der EU und zum Klima-Sozialfonds. Pressemitteilung vom 18. Dezember 2022 https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2022/12/18/fit-for-55-council-and-parliament-reach-provisional-deal-on-eu-emissions-trading-system-and-the-social-climate-fund/ 

[6] Sachverständigenrat für Umweltfragen 2022. https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2020_2024/2022_06_fragen_und_antworten_zum_co2_budget.pdf, siehe zur Übersicht Abbildung 2 und 4, Tabelle 1.

[7] Aurora Energy Research 2022. https://kohlecountdown.de/wp-content/uploads/2022/12/Aurora-Kohleausstiegspfad-und-Emissionen_01122022.pdf 

Friedenslogik statt Kriegslogik – Handlungsoptionen hin zu einer sozial-ökologischen Transformation

Online-Veranstaltung

Freitag, den 25. November | 18:00-20:00 Uhr | online via Zoom

Von der Irrealisierung über die Moralisierung zur strukturellen Faschisierung der Diskurse: Die Debatte um den Ukraine-Konflikt und ihre Vorläufer

Rainer Fischbach (Arbeitet als Softwareexperte in der Industrie, lehrte Informatik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und forschte zur militärischen Technologiefolgen-abschätzung als Mitglied der Working Group Peace Research and European Security)

Von der Kriegslogik zur Friedenslogik: Zeitenwende zum nachhaltigen Frieden

Prof. Dr. Jürgen Scheffran (NatWiss, Universität Hamburg)

CETA: Sargnagel für Demokratie und Klima

Dr. Sibylle Brosius (NatWiss)

Nato-Osterweiterung, Aufrüstung der Ukraine durch Nato-Mitgliedsstaaten, Ignoranz gegenüber russischen und gemeinsamen europäischen Sicherheitsinteressen, Zerstörung der Rüstungskontrolle, vornehmlich durch die USA; Mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine (wie jeder Angriffskrieg völkerrechtswidrig) ist der vorläufige Höhepunkt einer kriegerischen Eskalationsspirale erreicht. Nun stehen wir vor der Drohkulisse eines Atomkrieges, die wiederholte Erwähnung der Möglichkeit des Einsatzes von Nuklearwaffen rückt die menschliche Zivilisation wie wir sie kennen an den Rand der Auslöschung. Die Doomsday Clock des Bulletins of Atomic Scientists steht 100 Sekunden vor Mitternacht. Die Konfrontation zwischen Russland und dem Westen ist in eine neue Phase getreten. In dieser Phase wird Realität, wovor bisher nur gewarnt wurde:

In der Transformation von einer unipolaren zu einer multipolaren Welt werden militärische Mittel zur Sicherung von Eigeninteressen, Ressourcenzugängen und Einflusssphären angewandt. Der Frieden der „kannibalischen Weltordnung“ (Jean Ziegler) folgt der anti-politischen Logik des Krieges: eine Dynamik von Konkurrenz, Aufrüstung, Sanktionen und diplomatischer Eskalation. Es gibt nur noch Gut und Böse, Freund und Feind. Der Feind muss besiegt werden, es darf zu keinem anderen Ergebnis dieser Konfrontation kommen. Dem wird alles untergeordnet, auch wirtschaftliche Interessen, Welternährung und Menschenrechte. Eine „Zeitenwende“ soll die Kriegslogik rechtfertigen, die an die Stelle von Politik tritt: Vergangenheit, Zukunft, Kooperation, Kompromiss und das Verhandeln berechtigter Interessen werden bedeutungslos.

In krassem Gegensatz dazu befinden wir uns in einer noch nie dagewesen, multiplen Krise: rasantes Artensterben, frühere Kipppunkte des Klimas als angenommen, Entdemokratisierung. Im Anthropozän steht die Zukunft des menschlichen Lebens auf dem Spiel. Wichtige Schritte hin zum Schutz unseres Planeten vor den Auswirkungen der Wachstumsgesellschaft werden rückgängig gemacht, um kurzfristige Interessen durchzusetzen. Um diesen „Krieg gegen unseren Planeten“ (Altvater/Mahnkopf) zu beenden, braucht es eine Wende hin zu globalen, politischen Lösungen auf Grundlage der Friedenslogik.

In dieser Veranstaltung sollen die Prämissen der Kriegslogik anhand aktueller Beispiele analysiert und dargestellt sowie ihre Entstehung entlang von Einzelinteressen einer wachstumsabhängigen Minderheit nachvollzogen werden. Es werden Handlungsalternativen hin zu einer Friedenslogik und einer sozial-ökologischen Transformation der Demokratisierung vorgestellt und diskutiert. Die Ergebnisse werden Ausgangspunkt weiterer Veranstaltungen sein.

Programm:

18:00 Uhr | Technische Hinweise

18:05 Uhr| Einleitung Malte Albrecht (NatWiss)

18:15 Uhr | Einleitende Beiträge
Moderation: Malte Albrecht (NatWiss)

Von der Irrealisierung über die Moralisierung zur strukturellen Faschisierung der Diskurse: Die Debatte um den Ukraine-Konflikt und ihre Vorläufer
Rainer Fischbach (Arbeitet als Softwareexperte in der Industrie, lehrte Informatik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und forschte zur militärischen Technologiefolgen-abschätzung als Mitglied der Working Group Peace Research and European Security)

Von der Kriegslogik zur Friedenslogik: Zeitenwende zum nachhaltigen Frieden
Prof. Dr. Jürgen Scheffran (NatWiss, Universität Hamburg)

CETA: Sargnagel für Demokratie und Klima
Dr. Sibylle Brosius (NatWiss)

19:15 Uhr | Diskussion

20:00 | Schluss

Die NatWiss Online-Veranstaltung fand am 25.11.22 ab 18 Uhr online via Zoom statt.

Offener Brief an Abgeordnete: CETA-Abkommen stoppen

Ratifizierung des CETA-Abkommens stoppen, echte Kooperation jetzt – Kooperation der Friedenslogik, statt kriegslogischer Konkurrenz

Sehr geehrte Frau Bundestagsabgeordnete, sehr geehrter Herr Bundestagsabgeordneter,

anlässlich der anstehenden Abstimmung im Bundestag über die Ratifizierung des CETA-Freihandelsabkommens schreiben wir Ihnen als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der NaturwissenschaftlerInneninitiative e.V. mit der Empfehlung: Stimmen Sie dem nicht zu.

Am 23. Juni gab es einen Koalitionskompromiss, der den Klagebestand der indirekten Enteignung streichen sollte und Klagen aufgrund von Klimaschutzmaßnahmen nicht mehr zulassen wollte. In der danach diskutierten verbindlichen Auslegungserklärung ist das nicht mehr gewährleistet.

Vor 6 Jahren haben Hunderttausende, darunter auch viele der jetzigen Abgeordneten, gegen TTIP und CETA demonstriert, Millionen haben europaweit und in Amerika Petitionen gegen die Abkommen unterzeichnet. Nach über 2 Jahren Pandemie, wachsender sozialer Spaltung und existenzieller Nöte eines rasant steigenden Anteils der Bevölkerung sind die Stimmen verstummt. Wir sollten jedoch nicht dem Eindruck erliegen, damit sei eine stumme Zustimmung entstanden. Heute wie damals gilt: wer für diese Freihandelsabkommen stimmt, stimmt gegen den Willen der Bevölkerung.

Neben der Zivilbevölkerung haben sich auch zentrale Institutionen und Organisationen der Zivilgesellschaft gegen die Ratifizierung ausgesprochen. Auch hat beispielsweise der Deutsche Richterbund (auf Anfrage der EU-Kommission) schon 2017 vor der Einführung des geplanten Investorschiedsgerichtshofes gewarnt. Diese Schiedsgerichte sind zentraler Bestandteil der Ratifizierung, andere Bestandteile der Verträge sind bereits in Kraft und können daher auch ohne die Schiedsgerichte umgesetzt werden. Die Schiedsgerichte hingegen schreiben einen Demokratieabbau in Form praktisch unkündbarer Verträge über Jahrzehnte hinweg fest. Schiedsgerichte sind antidemokratisch.

Nach eingehender Prüfung aller verfügbaren Daten, nach Jahren der Erfahrung mit Freihandelsabkommen, kommen wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu dem Schluss: CETA darf in der Form nicht ratifiziert werden. Die Ratifizierung wäre ein Dammbruch, dessen Folgen für Demokratie und Frieden katastrophale Folgen hätte.

Es ist eine Illusion zu glauben, dass nach einer Ratifizierung fairere Bedingungen für CETA und andere Verträge erreicht werden können. Die Verträge sind so gestaltet, dass alle rechtlich bindenden Inhalte vor der Ratifizierung festgeschrieben werden. Die Schiedsgerichte können nicht nachverhandelt werden, sie können nur im Vorhinein ausgeschlossen werden. Kanada wäre dazu sicher bereit und hat es schon bei den Neuverhandlungen des nordamerikanischen Freihandelsvertrag USMCA bewiesen: Zwischen USA und Kanada werden Investorschiedsgerichte nicht mehr angewendet. Für die Wirtschaft entsteht kein Nachteil: Während der Verhandlungen besteht die vorläufige Anwendung fort. Sollten Sachfragen zu klären sein, muss die Abstimmung verschoben werden. Gute Entscheidungen brauchen mehr Zeit, als ihnen in diesem Verfahren eingeräumt wird. Auch die endgültige Fassung der verbindlichen Auslegungserklärung liegt noch nicht vor.

Mit der Zustimmung zur Ratifizierung von CETA stimmen Sie für die Entmachtung des Bundestags und der übrigen beteiligten Parlamente. Damit werden die Grundlagen unseres Rechtsstaates weiter unterminiert. Recht wird nicht mehr allein durch Parlamente gesetzt, sondern daneben noch durch intransparente, nicht demokratisch gewählte Gremien. Gerade in Hinblick auf kontroverse Entscheidungen im Umgang mit den Folgen der Klimakrise brauchen wir aber starke Parlamente, transparente Debatten und vertrauenswürdige Abgeordnete.

Vertrauen ist ein hohes Gut und sollte nicht durch ein schnell durchgepeitschtes Gesetz verspielt werden.

Unsere Empfehlung lautet daher:

Stimmen Sie bei der anstehenden Abstimmung der Ratifizierung von CETA nicht zu. Im Folgenden finden Sie unsere Zusammenfassung der wichtigen Argumente und Zusammenhänge.

Für Rückfragen und Zusammenarbeit stehen wir und unsere Expertinnen und Experten gerne zu Ihrer Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

für den Vorstand

Malte Albrecht                                                        Dr. Sibylle Brosius

Vorsitzender                                                            Vorstand

No First Use, Never Any Use of  Nuclear Weapons

In the war against Ukraine, which we condemn in the strongest terms, many people have been killed, many war crimes committed, and hate and fear has been created and amplified. We urge an immediate ceasefire and humanitarian aid for those who are suffering from the war.

The escalation in words and military actions has brought Europe much closer to the danger of the use of nuclear weapons. In the face of the potential for vast and hardly imaginable global destruction or a regional catastrophe with planetary consequences, we as scientists cannot stay silent: Any nuclear attack from any side will create responses and retaliations from other nuclear powers, and in a short time millions of people could be killed, huge areas of land and sea destroyed and contaminated. The atmosphere would carry radioactive elements and soot, which could lead to nuclear winter and a global famine. Scientific studies demonstrate clearly that, once nuclear weapons are fired, there is very little time left for clear thinking and there is no way back from decisions made in haste.

While preoccupied by war in Europe and the nuclear threat, we continue to face serious and dangerous crises which need to be resolved – especially the climate crisis – with storms, floods or droughts in many countries, threatening millions.  Global food, ecosystem, social and energy crises are already seriously affecting low-income countries. 

Instead of engaging in wars, we need to put all our efforts and resources to resolve these issues. As scientists we are committed to research for the benefit of humanity and to press for a peaceful world in which every living being has a future.

We demand from all politicians and political leaders:

  • Stop the verbal escalation, stop making any statements and decisions that could destroy everyone’s future;
  • Take scientific advice as a guideline for your decisions, and make decisions that allow a future for all of us;
  • Remember the inferno of Hiroshima and Nagasaki, listen to the Hibakusha survivors, and take history and their personal testimony into account.

We demand from all governments, especially those with nuclear weapons and those in military alliances with them: 

  • Urgently declare publicly that you subscribe to the no-first-use policy for nuclear weapons or other weapons of mass destruction, and refrain from any use of these weapons;
  • Join the Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons launched by the United Nations.

This call is initiated by: 

Science4Peace Forum, International Physicians for the Prevention of Nuclear War (IPPNW), Naturwissenschaftler*innen Initiative „Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit“, Ukrainian Pacifist Movement

Ratifizierung des CETA-Abkommens stoppen, echte Kooperation jetzt! – Kooperation der Friedenslogik, statt kriegslogische Konkurrenz

Am 1. Dezember legt die Bundesregierung voraussichtlich dem Bundestag den Vertrag über das CETA-Abkommen zur Ratifizierung vor. Dieses Abkommen ist auch die Blaupause für das transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP). Es gab massive Proteste aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft, die deutlich machen: Wer diese Abkommen ratifiziert, handelt gegen den Willen der Bevölkerung, handelt gegen allgemein anerkannte Erkenntnisse wissenschaftlicher Forschung.

Die Ratifizierung von CETA ist:

unnötig

Auch ohne Ratifizierung ist die Senkung von Zöllen, Handelshemmnissen und globale Kooperation möglich und wird bereits praktiziert.

antidemokratisch

Mit der Einführung von exklusiven Konzernklagerechten werden demokratische Selbstbestimmungsrechte durch praktisch unkündbare Verträge ausgehebelt.

ungewollt

Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen TTIP, CETA und Co. Kanada hatte 2018 noch begrüßt, dass im USMCA, dem Nachfolgevertrag von NAFTA, jetzt keine Investorschiedsgericht mehr enthalten sind.

zukunftslos

Sie bremst Klimaschutz und die demokratische Gestaltung der notwendigen sozialökologischen Transformation, fördert Privatisierung von öffentlicher Daseinsvorsorge und öffentlichen Gütern und beschränkt die Handlungsfähigkeit von Staat und Behörden im Notfall, beispielsweise einer Pandemie.

Dazu sagt Dr. Sibylle Brosius, Vorstand der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative e.V.:

„Mit der Ratifizierung von CETA  entmachtet sich der Bundestag selbst. Damit werden die Grundlagen unseres Rechtsstaates weiter unterminiert. Recht wird nicht mehr allein durch Parlamente gesetzt, sondern daneben noch durch intransparente, nicht demokratisch gewählte Gremien. Konsequenterweise hat der Deutsche Richterbund (auf Anfrage der EU-Kommission) schon 2017 vor der Einführung des geplanten Investorschiedsgerichtshofes gewarnt. Ein Wirtschaftswachstum wird nicht erreicht, wie auch eine von der  EU-Kommission selbst beauftragte Studie zeigt. Große Konzerne und Finanzinvestoren gewinnen, während kleine regionale Betriebe leiden. Dem Steuerzahler drohen hohe Gerichtskosten, Staat und Behörden lähmende Gerichtsverfahren. Die öffentliche Daseinsvorsorge wird weiter privatisiert werden und die Mitsprache der Bevölkerung wird weiter in den Hintergrund gedrängt, anstatt sie auszubauen.“

Gegen diese Ungerechtigkeit in den Verträgen, die auch durch die Anhänge bei CETA nicht geändert werden, haben 2014 – 2016 in Deutschland Hundertausende auf den Straßen protestiert. Alle Parteien haben daraufhin fünf Jahre lang jeden Dialog abgelehnt. Jetzt im Nachgang von Corona und im Schatten des Ukrainekrieges soll das Abkommen plötzlich ratifiziert werden, ohne dass die Zivilgesellschaft mitreden kann. Demokratie und verantwortungsvolle Entscheidungen brauchen Zeit und transparente Diskussionen. Der Krieg soll nun dafür herhalten, dass wir mit unseren Freunden rasch den Vertrag abschließen müssen – wollen wir uns jetzt gegenseitig verklagen können? Das ist keine Freundschaft, sondern zeugt von tiefstem Misstrauen und Konkurrenz – Kriegslogik eben.

Jetzt also wollen diese Parteien unumkehrbar einem Vertrag zustimmen, der unser Gemeinwohl den Regeln privater Profitinteressen unterordnet. Eine Ratifizierung des CETA-Abkommens würde einen Dammbruch bedeuten und eine Entdemokratisierung auf Jahrzehnte festschreiben. International würden Blockbildung und Konfrontation befeuert werden. Wir brauchen aber eine globale Kooperation, um der Klimakrise zu begegnen. Ohne globale Kooperation gibt es keinen Frieden.

Wir appellieren an die Mitglieder des Bundestags: Verweigern Sie sich der Kriegslogik von CETA. Schaffen sie stattdessen die Grundlagen für eine friedliche, globale, für eine echte Kooperation jetzt!“

NatWiss wird im Anschluss an diese Pressemitteilung ein Schreiben an alle Mitglieder des Bundestags mit der Aufforderung versenden, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu respektieren und der Ratifizierung von CETA die Stimme zu verweigern.

Science groups launch petition urging journal publisher to share plan for halting anti-climate practices

SGR and UCS call on scientists to support our campaign on Elsevier’s fossil fuel industry links.

The Union of Concerned Scientists (UCS) and Scientists for Global Responsibility (SGR) today launched a petition requesting a formal response from Elsevier and its parent company RELX that outlines how they intend to meet their commitments as a member of the UN Race to Zero campaign. As a signatory of this campaign, Elsevier—which publishes nearly 3,000 journals accounting for about 15% of all academic publishing—pledged to halt the facilitation of new fossil fuel assets and ensure their external activities are aligned with the goal of reaching net-zero heat-trapping emissions by 2050.

“The scientific realities of the climate crisis are undeniable in the peer-reviewed literature,” said Dr Kristina Dahl, a principal climate scientist with UCS and a signatory to the petition. “It’s time for the companies publishing these journals to walk the talk and align their actions with what is outlined in the global Paris climate agreement as that’s what the science demands. Elsevier has already taken the first step by signing onto the U.N.’s Race to Zero pledge, now they need to publicly declare the actions they will take to meet that commitment.” A related blogpost by Dr Dahl can be found here.

The petition emphasized activities Elsevier and RELX currently undertake that should be halted for the betterment of the climate, including:

  • Providing fossil fuel industry-oriented research and development, as well as data services, used by most top oil, gas, and coal companies
  • Lobbying and financially supporting U.S. politicians who block climate action
  • Disseminating content, informing practices and techniques, and providing information and resources related to expansion of fossil fuel exploration
  • Hosting coal, offshore drilling, and other industry exhibitions that enable participants to grow their businesses and boost fossil fuel production

Petition: Demand that Elsevier Cut Ties with the Fossil Fuel Industry

Elsevier is one of the biggest names in academic publishing, operating more than 2,700 scientific, technical, and medical journals in which scientific research is peer-reviewed and published. While Elsevier and its parent company tout the important research they publish on climate science and publicly claim to be committed to a clean energy future, their practices tell a very different story.

Earlier this year, The Guardian ran a powerful article exposing the ties of Elsevier to the fossil fuel industry and other business activities that are antithetical to meeting the kind of climate goals science tells us we need in order to reduce the worst impacts of climate change.

We think Elsevier can do better. As a member of the scientific community, your voice carries weight.

Add your name to the letter: Demand that Elsevier better align its business practices with its publicly stated values and pledges.

Petition: Die Waffen nieder! Friedenslogik statt Kriegslogik!

Als deutsche Reaktion auf den Krieg in der Ukraine hat die Bundesregierung eine kriegsorientierte Umkehr vorgeschlagen. Das Rüstungsforschungsinstitut SIPRI hält dazu fest: „Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (…) beendete innerhalb einer halben Stunde die jahrzehntelange politische Zurückhaltung und leitete eine neue Ära der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik ein. (…) Sollte Scholz‘ Vorschlag umgesetzt werden, würde dies den größten absoluten Anstieg der deutschen Militärausgaben seit mindestens dem Zweiten Weltkrieg bedeuten.“[1]

Im Raum stehen Milliarden für die internationale und deutsche Waffenindustrie. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler liefern das Wissen und die Technik. Wir brauchen jetzt eine Festlegung der Selbstverwaltung von Wissenschaft und Forschung auf Friedensförderung. Denn unsere Forschung zeigt auch, dass Aufrüstung jedes Ringen um die Minderung der Folgen der Vielfachkrise, insbesondere des Klimas konterkariert: Waffenproduktion verschwendet wertvolle Ressourcen, die für die globale Energiewende benötigt werden; das Militär ist einer der größten Schadstoffemittenten; Waffeneinsätze verseuchen die Umwelt unwiederbringlich, auch in Friedenszeiten; Aufrüstung und Krieg verschärfen den Hunger in der Welt.

  • Wir brauchen jetzt eine gesellschaftliche Debatte, wie wir in Deutschland zum Ende des Krieges in der Ukraine beitragen können, statt ihn zu verlängern.
  • Wir brauchen eine Debatte und konkrete Entscheidungen, wie ein friedliches Europa nach dem Krieg aussehen kann – mit den Menschen aus der Ukraine, aus Russland und dem Rest der Welt.
  • Wir brauchen eine Debatte, wie wir aus der militaristischen Spirale von Konfrontation und Konkurrenz herauskommen.
  • Wir brauchen konkrete Entscheidungen und politisches Handeln, um Kooperation und gerechte Ressourcenverteilung für alle zu erreichen.

Diese Überlegungen spielen bisher keine Rolle für das Regierungshandeln. Grund genug für uns als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unser aller Recht auf öffentliche Debatte und Mitbestimmung einzufordern. Generationen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern haben an Lösungen für diese Probleme gearbeitet. Lösungen sind da. Es wird Zeit, sie umzusetzen. Diese Petition ist ein erster Schritt. Wir bauen auf Ihre Unterstützung und Ihre Stimme.

Wir bitten den Bundestag zu beschließen:

1)     Die Kürzung des Rüstungsetats und die Verwendung dieser Ressourcen für die Energiewende hin zu den erneuerbaren Energien und für nachhaltige Entwicklung auch im sozialen Bereich.

2)     Keine Grundgesetzänderung, weder zur Schaffung des Sondervermögens von 100 Mrd. Euro für Aufrüstung noch zu einer Verpflichtung dazu.

3)     Direkte Beteiligung der Zivilgesellschaft bei Fragen der Friedens- und Sicherheitspolitik.

Begründung

Die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative „Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit“ (NatWiss) verurteilt den Angriff Russlands gegen die Ukraine, der nicht zu rechtfertigen ist und die Regeln des Völkerrechts verletzt, mit unabsehbaren Opfern und Schäden. Gleichzeitig vergessen wir nicht, dass im Vorfeld des Krieges Warnungen und Vorschläge ignoriert, Prinzipien von Kriegsvermeidung und Friedenssicherung missachtet wurden. Das Wissen über Kriegsursachen und Friedenslösungen muss genutzt werden, um die Kriegshandlungen zu beenden und weitere Eskalationsspiralen zu vermeiden. Daher setzen wir uns für Frieden ein und gegen jeden Militarismus!

In diesem Krieg drohen alle zu verlieren, egal wer sich auf den Trümmern und Gräbern zum „Sieger“ erklärt. Hauptopfer sind die Menschen in der Ukraine, die Toten, Verwundeten und Flüchtenden. Die Folgen treffen auch die Bevölkerung Russlands und Menschen in der ganzen Welt. Es verliert das Völkerrecht, die europäische Friedensordnung und die Zivilgesellschaft. Die Schäden und Kosten des Krieges zerstören die Bedingungen für nachhaltigen Frieden und die Lösung globaler Probleme: Armut und Hunger, Vertreibung und Flucht, Umweltzerstörung und Klimawandel. Ein Atomkrieg wäre das Ende der Menschheit: No Future!

Opfer ist auch die Wahrheit. Kriegspropaganda dominiert auf allen Seiten. Die überhitzte Echokammer der Kriegsempörung löscht früheres Wissen, das für die Zukunft gebraucht wird. Kaum gefragt wird, wie es zur Katastrophe kam, wer über Jahrzehnte die Eskalationsspirale angetrieben hat. Ist es bloß der zum Dämon erklärte Putin oder auch die NATO, die nach dem Sieg im Kalten Krieg über alle Grenzen expandierte, bis zur Schwelle des Krieges? Wer Frieden mit Aufrüstung und Militärinterventionen untergraben und selbst das Völkerrecht gebrochen hat, ist ein schlechter Ratgeber für friedliche Lösungen. Getrieben durch die am Krieg verdienende Rüstungsindustrie drängen diese Kräfte schon lange auf eine „Zeitenwende“ geopolitischer Machtkämpfe und eine weitere Aufrüstung der NATO, wodurch die Welt unsicherer wird. Mit Kriegsbeginn verdoppelte die Bundesregierung die in den letzten Jahren stark gestiegenen Militärausgaben und übertrifft nun alleine schon die Russlands vor dem Krieg. Rüstung mit noch mehr Rüstung zu bekämpfen ist so wenig zukunftsfähig wie dem Klimawandel mit Klimaanlagen zu begegnen.

Gegen das Vergessen ist es die Pflicht der Wissenschaft, das Wissen über Krieg und Frieden für die Beendigung des Ukraine-Krieges und die Verhinderung weiterer Kriege zu aktivieren:

1. Wir sagen Nein zu Wirtschaftskriegen, Waffenlieferungen oder Militäraktionen, die die Eskalationsspirale vor und in diesem Krieg angeheizt haben, und lehnen Sanktionen ab, die die Bevölkerung weltweit treffen.

2. Wir unterstützen humanitäre Hilfe für Flüchtlinge und Opfer von Gewalt, ebenso den Ausbau der Verbindungen zur Zivilgesellschaft und Friedensbewegung in Russland und der Ukraine, um Bewegungen zur Beendigung des Krieges zu mobilisieren.

3. Den Versuchen, einen totalen Krieg in allen Bereichen der Gesellschaft zu forcieren und autoritäre Strukturen von Militarismus, Kriegsgehorsam und Denkverboten zu unterstützen, stellen wir die Zivilgesellschaft und ihre zivilen Prinzipien für menschliches Zusammenleben und Konfliktlösung entgegen.

4. Auf die Anklagebank gehören die zum Krieg drängenden Kräfte, nicht die Friedenskräfte, die seit Bertha von Suttner „Die Waffen nieder!“ rufen und vor Krieg warnen, dringlicher denn je.

5. Die Kriegslogik gegeneinander muss ersetzt werden durch die Friedenslogik miteinander: Deeskalation, Diplomatie, sofortige Einstellung der Kriegshandlungen, Rückzug der Waffen, Verhandlung und Vermittlung zwischen den Konfliktparteien, Schutz und Stärkung des Völkerrechts, Schaffung einer europäischen und globalen Friedensarchitektur unter Einschluss Russlands und Chinas.

6. Statt einer Zeitenwende für Aufrüstung und Krieg braucht die Welt eine Zeitenwende für Abrüstung und Frieden, für gemeinsame Sicherheit im Haus Europa, für Nachhaltigkeit und die Lösung der globalen Probleme auf unserem Planeten.


[1] https://www.sipri.org/commentary/blog/2022/explainer-proposed-hike-german-military-spending?utm_source=phpList&utm_medium=email&utm_campaign=SIPRI+Update+April+2022%3A+New+military+expenditure+data%2C+Stockholm+Forum+registration%2C+impact+of+war+in+Ukraine+on+food+security%2C+and+more&utm_content=HTML