Militarisierung oder Zivilisierung? Ambivalenz der Wissenschaft in der Krise

von Jürgen Scheffran (Vorstand NatWiss)

Die zivil-militärische Ambivalenz hat die Wissenschaftsgeschichte geprägt. Ging es vor dem 20. Jahrhundert noch darum, die Relevanz der modernen Wissenschaft für das Militär unter Beweis zu stellen, so brachten die beiden Weltkriege die staatlich geförderte Kriegswissenschaft und der Kalte Krieg die systematische Einbindung von Großtechnologien in den militärisch- industriellen Komplex. Mit der Auflösung des Ost-West-Konflikts und der zunehmenden Globalisierung ging eine enge Verbindung von rüstungsbezogener und kommerzieller Hochtechnologie einher, die zu geplanten Dual-use-Strategien führte. Vernetzte Kriege im Kontext der Globalisierung führten zu neuen zivil-militärischen Strukturen und Anreizen für Aufrüstung. Eine mögliche Antwort ist eine stärkere Zivilisierung der Wissenschaft.

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Aufruf „abrüsten statt aufrüsten“

Prominenter Aufruf aus der Gesellschaft:
abrüsten statt aufrüsten

06.11.2017 Pressemitteilung der Initiative „abrüsten statt aufrüsten“

 – den Aufruf hier unterzeichnen –

In einem deutlichen und dringenden Abrüstungsaufruf wendet sich ein ungewöhnlich breites gesellschaftliches Bündnis an Öffentlichkeit.

Dazu zählen der Nobelpreisträger Paul Crutzen, die Gewerkschaftsvorsitzenden Reiner Hoffmann (DGB), Frank Bsirske (ver.di), Michaela Rosenberger (NGG) und Marlis Tepe (GEW), die Theologin Margot Käßmann, führende Vertreter der Umweltbewegung wie der DNR Vorsitzende Kai Niebert und der BUND Vorsitzende Hubert Weiger, WissenschaftlerInnen wie Gesine Schwan, Ernst Ulrich von Weizsäcker, Frigga Haug und Ulrich Brand, PolitikerInnen aus drei Parteien wie die Abgeordneten des deutschen Bundestages  Ernst Röspel (SPD), Katja Kipping (DIE LINKE.) und Katja Keul (Bündnis90/die Grünen), Kulturschaffende wie Wolfgang Niedecken, Udo Lindenberg und Renan Demirkan sowie AktivistInnen der Friedensbewegung. Sie fordern in Sorge um die zukünftige Entwicklung unseres Landes von der (neuen) Bundesregierung:

Keine Erhöhung der Rüstungsausgaben – Abrüsten ist das Gebot der Stunde

Mit dem Aufruf warnen die UnterzeichnerInnen vor weiterer Aufrüstung und fordern, endlich abzurüsten – nur damit könnten die großen Herausforderungen gelöst werden.

In dem Aufruf heißt es:

Die Bundesregierung plant, die Rüstungsausgaben nahezu zu verdoppeln, auf zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung (BIP). So wurde es in der NATO vereinbart.

Zwei Prozent, das sind mindestens weitere 30 Milliarden Euro, die im zivilen Bereich fehlen, so bei Schulen und Kitas, sozialem Wohnungsbau, Krankenhäusern, öffentlichem Nahverkehr, kommunaler Infrastruktur, Alterssicherung, ökologischem Umbau, Klimagerechtigkeit und internationaler Hilfe zur Selbsthilfe.“

Die mehr als 80 ErstunterzeichnerInnen warnen eindringlich:

„Militär löst keine Probleme. Schluss damit. Eine andere Politik muss her.

Damit wollen wir anfangen: Militärische Aufrüstung stoppen, Spannungen abbauen, gegenseitiges Vertrauen aufbauen, Perspektiven für Entwicklung und soziale Sicherheit schaffen, Entspannungspolitik auch mit Russland, verhandeln und abrüsten.

Diese Einsichten werden wir überall in unserer Gesellschaft verbreiten. Damit wollen wir helfen, einen neuen Kalten Krieg abzuwenden.“

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Aufrufes rufen ab dem heutigen Tage zu einer bundesweiten Unterschriftenaktion (online und offline) auf, die sie mit weiteren Aktivitäten begleiten wollen.

Den Aufruf und zusätzliche Informationen finden Sie auf der Webseite: www.abruesten.jetzt

NatWiss gratuliert ICAN zum Friedensnobelpreis 2017

Die NaturwissenschaftlerInnen Initiative Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit (NatWiss) gratuliert ICAN für den Erhalt des Friedensnobelpreises 2017

Der Nordkorea-Konflikt mit einer immer schärfer werdenden Kriegsrhetorik verdeutlicht die Notwendigkeit atomarer Abrüstung auf „Null“. Dafür steht ICAN und der diesjährige Friedensnobelpreis ist dafür ein wichtiges Zeichen. Er honoriert die 10-jährige Arbeit von ICAN und der weltweiten Friedensbewegungen gegen die atomare Bedrohung in der Welt.

Die Bundesregierung ist nun mehr denn je aufgefordert, sich endlich an den Verhandlungen zum Verbotsvertrag zu beteiligen und ihn, wie es bereits mehr als 50 Staaten getan haben, zu unterzeichnen. Als weiteren Schritt müssen die US-Atombomben aus Deutschland abgezogen werden. Dies kann die Bundesregierung durch eine Aufkündigung des Liegenschaftsabkommens erwirken.

Berlin, den 06.10.2017
Pascal Luig, Vorsitzender
Lucas Wirl, Geschäftsführer

Laden Sie hier die pdf herunter: NatWiss gratuliert ICAN_171006

Atomwaffenverbot – Chance für die nukleare Abrüstung

Am 7. Juli 2017 vereinbarte in New York die Mehrheit aller Staaten einen Vertrag zum Verbot von Atomwaffen, mit breiter Unterstüt­zung der Zivilgesellschaft. Nach Jahrzehnten der Aufrüstung und geringer Fortschritte bei der Abrüstung haben große Teile der internationalen Staatengemeinschaft deutlich gemacht, dass sie den Son­derstatus der Atommächte nicht länger hinnehmen wollen. Viele sehen in dem Vertrag einen Durchbruch, da er nach dem Verbot von Bio- und Chemiewaffen mit den Atomwaffen nun auch die letzten Massenvernichtungswaffen verbietet. Allerdings lässt der Vertrag den Abrüstungsprozess in die atomwaffenfreie Welt offen, und die Atomwaffenstaaten und ihre Verbündeten sind bislang nicht beteiligt.

Finden Sie den online-Text hier

Finden Sie die pdf hier:

Jürgen Scheffran_Atomwaffenverbot Chance für die nukleare Abrüstung

Avert the danger of nuclear war – support the nuclear weapons ban treaty

Scientists for Peace Germany (Natwiss) statement

Berlin, 21 August 2017

The intensified nuclear arms buildup and the aggressive threat of a preemptive nuclear strike by the US-Administration, the silence of NATO allies as well as the aspiration for nuclear weapons by the regime in North Korea have brought the world to the edge of a nuclear war. Hence we witness a nuclear conflict scenario unmatched since the end of the Cold War. Simultaneously a military confrontation in East Asia is nurtured by the economic and political crisis around the globe that threatens to draw not only the US and North Korea, but also China, Japan, South Korea and Russia into an arms race including nuclear weapons, missiles and missile defense systems.

This highly dangerous situation was foreseeable and could have been prevented by political and diplomatic means. For instance, in 1996 the vast majority of countries have voted for the resolution A/RES/51/45 in the General Assembly of the United Nations calling for the initiation of a treaty to prohibit and eliminate nuclear weapons, including China, India, North Korea and Pakistan. Since then the UN adopted a similar resolution every year, yet in 2007 with an impressive number of 127 countries voting in favour. Nevertheless, the USA and their NATO allies were never part of this international community of states working towards a nuclear-weapons-free world. On the contrary, they compromised serious efforts in this direction and on top of that have fueled international conflicts and arms races by military interventions and expensive military programs.

Today we witness the expectable consequences of these irresponsible policies; the big chances after the Cold War were never taken. In the light of the Korean War 1950-1953, where concrete plans by the US-Administration for a nuclear strike against North Korea existed, there is only one imperative: De-escalation. This conflict endangers the existence of whole humanity and fundamentally questions its livelihood and sovereignty.

The ongoing global economic crisis, the rising social inequality of our time, and the intensified destruction of the environment of our planet as well as climate change demand to keep alive the memory of the horrors of the twentieth century. The Great Depression, fascism, genocides and two world wars, the dropping of atomic bombs on Hiroshima and Nagasaki, as well as the nuclear arms race of the Cold War brought humankind to the edge of self-extinction.

This was made possible by scientists who developed nuclear weapons. Rather late some of them realized their mistakes, among them 60 years ago 18 German nuclear scientists („Göttinger 18“), and tried to bring the nuclear genie back into the bottle. Since then, the responsibility in the scientific community has become an imperative for the preservation of our planet. As members of an association of critical scientists we are working today, 72 years after the first nuclear attacks against urban centers, in the spirit of this imperative. We commit ourselves to the responsibility for the results of our research as a contribution to a peaceful world, worth living in for everyone. The current aggravation of the nuclear conflict between North Korea and the USA is thwarting these efforts.

On the contrary, there is a great chance to eliminate the threat by nuclear weapons for all times. On July 7, 2017, 122 Members of the United Nations agreed upon a treaty to ban nuclear weapons, not including Germany and few nuclear armed states and their allies who continue to hold onto their strategy of nuclear deterrence. Notably the treaty was jointly worked out by government representatives and dedicated people of civil society. To support this treaty is the first and best answer to the current nuclear aggression and escalation.

We therefore request that the German government and all other states sign the treaty designed in the interest of and under approval by the overwhelming majority of humankind. We demand nothing less than the unconditional commitment to the prevention of a nuclear conflict.

We also call upon the people to organize actions of protest and demonstrations in all cities, all universities and all enterprises against nuclear war and to demand the signature of the nuclear ban treaty by the remaining states. No government, no human being shall have nuclear weapons at their command.

 

Contact: Lucas Wirl, geschaeftsfuehrung [at] natwiss.de; +49 (0) 176-64103500

Find the statement as pdf here: 170821_Natwiss-Declaration on dangers of nuclear war_lv

Find the statement in German here

Prof. Dr. Jürgen Scheffran: Zwei Welten: G20-Gipfel, Atomwaffenverbot und globale Machtverschiebungen

Der G20-Gipfel der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer am 7./8. Juli 2017 in Hamburg fand unter großen Protesten der Zivilgesellschaft statt und hat einmal mehr gezeigt, wie gespalten die Welt ist. Zur gleichen Zeit vereinbarte in New York die Mehrheit aller Staaten einen Vertrag zum Verbot von Atomwaffen, ohne den größten Teil der G20-Staaten und mit breiter Unterstützung der Zivilgesellschaft. Beide Ereignisse zeigen widersprüchliche Tendenzen und Verschiebungen im internationalen System. Im Folgenden werden Zusammenhänge und Unterschiede beider Ereignisse aufgezeigt, mit einer eigenen Sicht auf wissenschaftliche Beiträge nach dem Ende des Kalten Krieges.

Lesen Sie den ganzen Text hier:

Prof. Dr. Jürgen Scheffran: Zwei Welten: G20-Gipfel, Atomwaffenverbot und globale Machtverschiebungen