Ratifizierung des CETA-Abkommens stoppen, echte Kooperation jetzt – Kooperation der Friedenslogik, statt kriegslogischer Konkurrenz
Sehr geehrte Frau Bundestagsabgeordnete, sehr
geehrter Herr Bundestagsabgeordneter,
anlässlich der anstehenden Abstimmung im
Bundestag über die Ratifizierung des CETA-Freihandelsabkommens schreiben wir
Ihnen als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der
NaturwissenschaftlerInneninitiative e.V. mit der Empfehlung: Stimmen Sie dem
nicht zu.
Am 23. Juni gab es einen Koalitionskompromiss,
der den Klagebestand der indirekten Enteignung streichen sollte und Klagen
aufgrund von Klimaschutzmaßnahmen nicht mehr zulassen wollte. In der danach
diskutierten verbindlichen Auslegungserklärung ist das nicht mehr
gewährleistet.
Vor 6 Jahren haben Hunderttausende, darunter
auch viele der jetzigen Abgeordneten, gegen TTIP und CETA demonstriert,
Millionen haben europaweit und in Amerika Petitionen gegen die Abkommen
unterzeichnet. Nach über 2 Jahren Pandemie, wachsender sozialer Spaltung und
existenzieller Nöte eines rasant steigenden Anteils der Bevölkerung sind die
Stimmen verstummt. Wir sollten jedoch nicht dem Eindruck erliegen, damit sei
eine stumme Zustimmung entstanden. Heute wie damals gilt: wer für diese
Freihandelsabkommen stimmt, stimmt gegen den Willen der Bevölkerung.
Neben der Zivilbevölkerung haben sich auch
zentrale Institutionen und Organisationen der Zivilgesellschaft gegen die
Ratifizierung ausgesprochen. Auch hat beispielsweise der Deutsche Richterbund
(auf Anfrage der EU-Kommission) schon 2017 vor der Einführung des geplanten
Investorschiedsgerichtshofes gewarnt. Diese Schiedsgerichte sind zentraler
Bestandteil der Ratifizierung, andere Bestandteile der Verträge sind bereits in
Kraft und können daher auch ohne die Schiedsgerichte umgesetzt werden. Die
Schiedsgerichte hingegen schreiben einen Demokratieabbau in Form praktisch
unkündbarer Verträge über Jahrzehnte hinweg fest. Schiedsgerichte sind
antidemokratisch.
Nach eingehender Prüfung aller verfügbaren
Daten, nach Jahren der Erfahrung mit Freihandelsabkommen, kommen wir als
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu dem Schluss: CETA darf in der
Form nicht ratifiziert werden. Die Ratifizierung wäre ein Dammbruch, dessen
Folgen für Demokratie und Frieden katastrophale Folgen hätte.
Es ist eine Illusion zu glauben, dass nach
einer Ratifizierung fairere Bedingungen für CETA und andere Verträge erreicht
werden können. Die
Verträge sind so gestaltet, dass alle rechtlich bindenden Inhalte vor
der Ratifizierung festgeschrieben werden. Die Schiedsgerichte können nicht
nachverhandelt werden, sie können nur im Vorhinein ausgeschlossen werden.
Kanada wäre dazu sicher bereit und hat es schon bei den Neuverhandlungen des
nordamerikanischen Freihandelsvertrag USMCA bewiesen: Zwischen USA und Kanada
werden Investorschiedsgerichte nicht mehr angewendet. Für die Wirtschaft
entsteht kein Nachteil: Während der
Verhandlungen besteht die vorläufige Anwendung fort. Sollten Sachfragen zu
klären sein, muss die Abstimmung verschoben werden. Gute Entscheidungen
brauchen mehr Zeit, als ihnen in diesem Verfahren eingeräumt wird. Auch die
endgültige Fassung der verbindlichen Auslegungserklärung liegt noch nicht vor.
Mit der Zustimmung zur Ratifizierung von
CETA stimmen Sie für die Entmachtung des Bundestags und der übrigen
beteiligten Parlamente. Damit werden die Grundlagen unseres Rechtsstaates
weiter unterminiert. Recht wird nicht mehr allein durch Parlamente gesetzt,
sondern daneben noch durch intransparente, nicht demokratisch gewählte Gremien.
Gerade in Hinblick auf kontroverse Entscheidungen im Umgang mit den Folgen der
Klimakrise brauchen wir aber starke Parlamente, transparente Debatten und
vertrauenswürdige Abgeordnete.
Vertrauen ist ein hohes Gut und sollte nicht
durch ein schnell durchgepeitschtes Gesetz verspielt werden.
Unsere Empfehlung lautet daher:
Stimmen Sie bei der anstehenden Abstimmung
der Ratifizierung von CETA nicht zu. Im Folgenden finden Sie unsere
Zusammenfassung der wichtigen Argumente und Zusammenhänge.
Für Rückfragen und Zusammenarbeit stehen wir
und unsere Expertinnen und Experten gerne zu Ihrer Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
für den Vorstand
Malte Albrecht
Dr. Sibylle Brosius
Vorsitzender Vorstand